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Antisemitismus: Anti-israelische Gruppe „BDS“ vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft

Antisemitismus in Deutschland nach dem 7. Oktober massiv angestiegen

Am vergangenen Dienstag, den 18. Juni, veröffentlichten die Bundesinnenministerin, Nancy Faeser, und der Präsident des Verfassungsschutzes, Thomas Haldenwang, den „Verfassungsschutzbericht 2023“ zur aktuellen Sicherheitslage der Bundesrepublik. Abseits des Gefährdungspotentials aus verschiedensten Bereichen, widmete der Nachrichtendienst nun den innenpolitischen Entwicklungen nach dem terroristischen Anschlag auf Israel am 7. Oktober 2023 ein eigenes Kapitel. Unter der Überschrift „Phänomenübergreifendes Sonderkapitel – Auswirkungen des Nahostkonflikts und Antisemitismus“ werden verschiedene extremistische Entwicklungen mit Bezug zum Nahostkonflikt und dem Anschlag gegen Israel erläutert. Hierbei spielen verschiedene Akteure aus verschiedenen Spektren eine Rolle. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden, bezeichnete die Ergebnisse des Berichts als „alarmierend“ und fordert ein härteres Eingreifen gegen antisemitische und antiisraelische Gruppierungen. Zunächst stellt der Verfassungsschutz fest:

„Die Terroranschläge der HAMAS gegen Israel nahmen unterschiedliche extremistische Akteure in Deutschland zum Anlass, zu Hass und Gewalt gegen Jüdinnen und Juden oder den Staat Israel aufzurufen oder sein Existenzrecht zu verneinen. Dies zeigte sich primär am Versammlungs- und Demonstrationsgeschehen, aber auch am Widerhall der Ereignisse in den sozialen Medien sowie dem Anstieg antisemitischer Vorfälle seit dem 7. Oktober 2023.“1(Verfassungsschutzbericht 2023, S. 50)

Ein dreiviertel Jahr nach dem terroristischen Anschlag auf Israel nehmen die Anfeindungen gegenüber Jüdinnen und Juden sowie gegen den Staat Israel also stetig zu. Antisemitismus ist gegenwärtig ein massives Problem in Deutschland. Neben einem hohen Aufkommen des islamistischen Antisemitismus wird auch eine weitere Form der antijüdischen Hetze in Deutschland immer lauter: der linkspolitische und der säkular-palästinensische Antisemitismus.
Beim „klassisch“ linken Spektrum äußern sich die Reaktionen ambivalent. Während die „Autonomen“ sich tendenziell proisraelisch positionieren, betreibt der größere Teil des linken Spektrums vielfach und aggressiv Hetze gegen den israelischen Staat. Der Verfassungsschutz schreibt dazu:

 „[…] mit antiimperialistischen und dogmatischen Linksextremisten [äußert sich] der größere Teil der [linken] Szene israelfeindlich und mobilisierte zur Teilnahme an propalästinensischen Demonstrationen. Hierbei zeigten sich diverse Verbindungen zu palästinensischen Extremisten sowie zu türkischen Linksextremisten.“ 2(Verfassungsschutzbericht 2023, S. 151)

Dass sich die linke Szene, darunter vor allem Studierende, teils grenzwertig und uneindeutig, teils deutlich antisemitisch und antiisraelisch äußert, haben in den vergangenen Monaten viele Demonstrationen und Proteste an Hochschulen und Universitäten gezeigt. Das Institut für Israelogie wies beispielsweise auf den schamlosen Protest an einer Berliner Kunsthochschule hin.

Der säkular-palästinensische Antisemitismus ist dem linkspolitischen Antisemitismus inhaltlich ähnlich. Beide Formen sind stark gegen den Staat Israel positioniert. Das Spektrum des säkular-palästinensischen Antisemitismus ist dabei breit aufgestellt, bestehend aus vielen Vereinen, Initiativen und Einzelpersonen.

Was die Philosophin Judith Butler mit säkularem und linkspolitischem Antisemitismus zu tun hat, lesen Sie hier.

„Boykott, Desinvestitionen, Sanktionen“ als Verdachtsfall eingestuft

Neben Bewegungen wie „Samidoun“ gerät auch die Bewegung „Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“ (BDS) aktuell stärker ins Blickfeld der Behörden. BDS ist als Verdachtsfall eingestuft und das tatsächlich nicht erst seit letztem Jahr. Auf Nachfragen von Journalisten ließ der Verfassungsschutz durchblicken, dass die Bewegung wohl schon seit längerem beobachtet wird. Seit wann genau; das sei Geheimsache. Anhänger von BDS verneinen das Existenzrecht Israels und fordern den politischen, wirtschaftlichen und physischen Kampf gegen den israelischen Staat.

Im Jahr 2005 gründete sich die BDS als international vernetzte und mehr oder weniger offizielle Bewegung. Ziel ist es, massiven Druck auf Israel auszuüben und die internationale Staatengemeinschaft gegen das Land in Bewegung zu bringen. Dies will man erreichen mit Aufrufen zum Boykott israelischer Unternehmen und Konzerne und solche internationalen Unternehmen, die Israel in jeglicher Weise „bei der Besatzung Palästinas“ unterstützen und wirtschaftlichen Handel mit Israel betreiben. BDS fordert, dass Israel isoliert und gezwungen werden muss, sich zu ergeben, um letztlich den eigenen Staat aufzugeben. Im Jahr 2018 beschäftigte sich das Institut für Israelogie schon einmal mit der BDS-Bewegung.

Die Programmatik von BDS ist jedoch weit mehr, als nur ein Programm gegen den israelischen Staat. Die Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) hielt in einem Artikel vom März 2021 fest, dass die Kampagne der BDS eine „systematische Dämonisierung und Delegitemierung des jüdischen Staates“ verfolgt. Es ist ein stark israelbezogener Antisemitismus mit dem Versuch, sich in einfacher Kritik zu tarnen.

Im April dieses Jahres organisierte die BDS-Bewegung mit anderen Initiativen und Akteuren den Palästina-Kongress, der von der Polizei aufgelöst wurde, weil die Gefahr drohte, dass unverhohlen Antisemitismus praktiziert würde. Unter anderem luden die Veranstalter den palästinensischen Autor Abu Sitta via Onlineschalte ein, der in Deutschland ein politisches Betätigungs- und Einreiseverbot hat. Sitta ließ laut Medienberichten verlauten, dass er am Angriff der Hamas teilgenommen hätte, wäre er jünger gewesen.

Über Samidoun und die BDS-Bewegung schreibt der Verfassungsschutz weiter:

„Gemeinsam mit Anhängern und Sympathisanten der Bewegung „Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“ (BDS, Verdachtsfall) und unorganisierten extremistischen palästinensischen Einzelpersonen treten diese Akteure bei Veranstaltungen und Protestkundgebungen öffentlich in Erscheinung. Hier zeigt sich immer wieder das dieser Szene auch abseits fester Organisationszugehörigkeiten in Deutschland innewohnende Mobilisierungspotenzial.“ 3(Verfassungsschutzbericht 2023, S. 58)

Der Verfassungsschutz sieht also ein hohes „Mobilisierungspotential“. An den Hochschulen können wir das seit Monaten beobachten. Immer wieder lassen sich Studierende aus dem linkspolitischen Milieu von den antiisraelischen Narrativen mitreißen und stimmen in Proteste mit ein, die den Bereich der – teils legitimen bzw. von der Meinungsfreiheit gedeckten – Kritik an der israelischen Regierung verlassen und stattdessen die Verleugnung des Existenzrecht Israels propagieren.

Ob Hass und Hetze gegen Jüdinnen und Juden, antisemitische Demonstrationen oder antiisraelische Kundgebungen: Antisemitismus ist und bleibt ein derzeitiges Problem in Deutschland. Zumindest erkennen die deutschen Sicherheitsbehörden dieses Problem als ein solches an. Es ist gut, dass Bewegungen wie die BDS-Bewegung stärker im Blickfeld der Behörden sind. Israels Existenzrecht muss bei allem Recht zur Kritik gewahrt werden und Jüdinnen und Juden in müssen sich in Deutschland sicher fühlen können.

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    (Verfassungsschutzbericht 2023, S. 50)
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    (Verfassungsschutzbericht 2023, S. 151)
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    (Verfassungsschutzbericht 2023, S. 58)