Schawuot – Wie Gott sich offenbart

An diesem Wochenende, genauer gesagt am 28.-29.05., feiern wir Pfingsten. Wir feiern, dass der Gott der Christen sich im Heiligen Geist offenbart hat und sich so den Gläubigen zugewandt hat.

Im Judentum hingegen findet dieser Tage eine andere Festlichkeit statt, nämlich die beiden Feiertage namens „Schawuot“. Der Begriff leitet sich aus dem Hebräischen „‎שָׁבוּעוֹתּ“‎ ab und bedeutet so viel wie „Wochen“. Die Juden feiern also gerade das „Wochenfest“. Es trägt diesen Namen, da es 7 Wochen (beziehungsweise 50 Tage) nach dem Pessach Fest gefeiert wird.  Es ist eines der drei Wallfahrtsfeste des Judentums und nimmt daher einen elementaren Platz im Jahresablauf der jüdischen Gläubigen ein.

Einen Überblick auf das Fest und wie es gefeiert wird gibt es hier.

Schawuot trägt mehr als einen Namen und enthüllt somit die Bedeutungsbandbreite der Feiertage. Neben dem Titel „Wochenfest“ fallen auch die Bezeichnungen „Fest der Erstlingsfrüchte“ oder „Fest der Gesetzgebung“ beziehungsweise „Offenbarungsfest“.

 

Dank

Es wird also zweierlei Themen gedacht:
Zunächst geht es um die Dankbarkeit. Schawuot wird als Erntedankfest verstanden, bei dem Gott für die bevorstehende Ernte gedankt wird. Dieser Gedanke ist uns nicht unbekannt, schließlich feiern wir ein ähnliches Fest im Herbst. In Israel beginnt die Weizenernte im Mai/ Juni und bildet somit den Grund für den Erntedank. Die ersten Früchte dieser Ernte werden nach langer Tradition zu Schawuot im Tempel dargebracht. Theologisch ist dieser Brauch zurückzuführen auf Leviticus 23,15-16.

„Vom Tag nach dem Sabbat, an dem ihr die Garbe für das Erhebungsopfer gebracht habt, sollt ihr sieben volle Wochen zählen. Zählt fünfzig Tage bis zum Tag nach dem siebten Sabbat und dann bringt dem HERRN ein neues Speiseopfer dar!“

Dieses Speiseopfer wird noch heute im Rahmen eines Gottesdienstes dargebracht. Es ist ein ausgelassenes Fest, welches die Freude über die guten Gaben des Gottes der Juden ausdrücken soll. Es findet bewusst an einem Sabbat statt, an dem alle Arbeit ruht. Das Volk Israel sowie alle Juden sind dazu angehalten, für alles zu danken, was bereits da ist. So ist es bereits im folgenden Vers (Leviticus 23, 21) angewiesen:

„Und ihr sollt an diesem Tag eine heilige Versammlung ausrufen; keine Dienstarbeit sollt ihr tun. Eine ewige Ordnung soll das sein bei euren Nachkommen, überall, wo ihr wohnt.“

Dahinter verbirgt sich ein jüdisches Grundprinzip. Dankbarkeit meint die Pflicht, das Gute anzuerkennen. Das Stichwort dazu lautet „Hakarat HaTov“, leitet sich von dem hebräischen Verb „lehakir“ (anerkennen, sich vertraut machen) und HaTov (das Gute) ab und meint im jüdischen Kontext mehr als den bloßen Akt des Dankens einmalig zu Schawuot. Vielmehr geht es darum, sich bewusst Zeit zu nehmen, um all das Gute als solches wahrzunehmen und Gott im Gebet dafür zu danken.

Gesetz

Dieses jüdische Prinzip leitet über in den zweiten Aspekt des Festes, nämlich der Tora und der Erinnerung an den Bund Gottes, der durch die Gesetzesoffenbarung an Mose am Berg Sinai in Kraft trat.

In einem talmudischen Traktat heißt es:
„Fünfzig Tage vergehen, bevor sich aus der Apfelblüte eine Frucht entwickelt, fünfzig Tage wartete das Volk Israel in der Wüste, bevor es die Tora aus der Hand empfing.“

Die Dankbarkeit über die Schöpfung und die Ernte mündet in eine noch größere Dankbarkeit über das Gesetz, also die 5 Bücher Moses, deren Inhalte nach jüdischem Glauben offenbart wurden, sodass das Volk eine Weisung von Gott selbst vorliegen hatte.

Man erinnert sich an die Offenbarung der Tora in Exodus 19-20. Mose erhält dort die 10 Gebote und das 7 Wochen nach dem Auszug aus Ägypten.

Exodus 19,5-7 spielt dabei eine zentrale Rolle und zeigt den Bundesschluss zwischen Gott und seinem Volk.

„Jetzt aber, wenn ihr auf meine Stimme hört und meinen Bund haltet, werdet ihr unter allen Völkern mein besonderes Eigentum sein.

Mir gehört die ganze Erde. Ihr aber sollt mir als ein Königreich von Priestern und als ein heiliges Volk gehören. Das sind die Worte, die du den Israeliten mitteilen sollst. 

Mose ging und rief die Ältesten des Volkes zusammen. Er legte ihnen alles vor, was der HERR ihm aufgetragen hatte.“

Gott schließt einen Bund – zuerst mit Mose und seinem Volk, dann aber auch mit dem gesamten jüdischen Volk. Dabei liegen zwei ungleiche Bündnispartner vor – Gott steht vor dem Menschen. Deswegen muss dieser Bund als ein Geschenk Gottes verstanden werden. Diese Gabe ermöglicht eine Beziehung zu Gott, die die Juden bis heute weiterführen und schließlich wieder in den Dank mündet.

Tora meint dabei sowohl „Gesetz“ als auch „Lehre“ oder „Weisung“. Und als eben solche Weisung und Orientierung wird die Schrift auch verstanden. Das wird unter anderem sichtbar im rabbinischen Judentum, wo ein Leben nach dem Gesetz den Begriff „Halacha“ trägt, was „Gehen“, „Wandern“ oder „Weg“ bedeutet und eine dynamische Bewegung unter Gottes Weisung meint. Gott wendet sich seinem Volk in der Tora zu.

Juden, die an diesem Wochenende Schawuot feiern, reihen sich also ein in die Wertschätzung des Gesetzes als Gottesoffenbarung. Das zeigt sich auch in der „Nacht des Lernens“, der Brücke über die zwei Schawuot-Feiertage, in der gläubige Juden zusammen die Tora studieren.

Ein alter Ausspruch der Waisen lautet:
„Je mehr Tora, umso mehr Leben. Je mehr Lernen, umso mehr Weisheit.“

 

Pfingsten 

Diese Wahrheiten sind nicht ausschließlich alttestamentlich zu betrachten. Das Neue Testament schließt sich dieser Linie nämlich an. Immer wieder wird „das Gesetz“ genannt und meint damit die Tora oder einen Teilaspekt davon. Jesus selbst beruft sich unter anderem in Matthäus 5,17 auf die Tora, indem er sie eben nicht aufhebt, sondern in besonderer Art und Weise erfüllt.

Alle Christen können also einstimmen in das Loben und Danken für die Tora, da sie sowohl für den jüdischen als auch für den christlichen Glauben von essenzieller Bedeutung ist.

Nun findet Schawuot aber nicht nur 50 Tage nach dem Pessach Fest statt, sondern eben auch Pfingsten 50 Tage nach der Kreuzigung Jesu. Daher leitet sich der für Pfingsten alternative Begriff „Pentecoste“ (griech. Fünfzig) ab. Christen feiern heute also noch mehr als die Tora, denn der Gott der Christen beließ es nicht bei seiner Offenbarung durch das Gesetz. Man feiert nämlich die Ausgießung des Geistes, die die das Gesetz in göttlicher Vollmacht noch überbieten kann. Das ist nachzulesen in 2. Korinther 3,6:

„Er hat uns fähig gemacht, Diener des neuen Bundes zu sein, nicht des Buchstabens, sondern des Geistes.“

Die Tora ist eine Weisung für alle Gläubigen christlichen und jüdischen Glaubens. Aber Gott zeigt eine neue, noch persönlichere Weisung auf – nämlich die durch den Heiligen Geist.

Schawuot ist also ein Fest der Dankbarkeit – für die Ernte, aber auch für Gottes Offenbarung in der Tora. Als Christen können wir diesen Dank noch weiterführen und zum Pfingstfest für die Geistesoffenbarung und Weisung Gottes danken.

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