Schawuot – Ein Erntedankfest im Juni

Ein Erntedankfest im Juni? Oder doch einfach ein Fest, das 50 Tage nach dem christlichen Osterfest gefeiert wird – also etwa das jüdische Pendant zu Pfingsten? „Schawuot“ (Lehnwort zum Hebräischen: ‎שָׁבוּעוֹתּ‎, „Wochen“), ist eines der drei Wallfahrtsfeste in der jüdischen Tradition.1Die Wallfahrtsfeste im Judentum sind die drei Freudenfeste (hebr. schalosch regalim) Pessach, Schawuot und Sukkot.

Was es mit dem Erinnern an den Bund Gottes mit dem Volk Israel, mit Erntedank, mit einer Nachtwache und mit Käsekuchen auf sich hat, darüber sollen die nächsten Zeilen Auskunft geben.

Das Wochenfest

Jedes Jahr feiern Jüdinnen und Juden weltweit zeitgleich zu unserem Pfingstfest, also dieses Jahr am 05. Juni 2022, „Schawuot“ – das Wochenfest. Hinter der Bezeichnung des Wortes verbirgt sich der Begriff der „sieben Wochen“, also genau 50 Tage, die zwischen dem Pessachfest und dem 6. Siwan liegen.2Nach dem gregorianischen Kalender liegt dieser Monat Siwan etwa Mitte Mai, jüdisch-bürgerlich der „neunte Monat“, jüdisch-religiös der „dritte Monat“ im Kalender.  Das Fest wird auch als „Fest der Erstlingsfrüchte“ oder „Fest der Gesetzgebung“ bezeichnet, ihm wohnt also eine zweifache Bedeutung inne.

Der Berg Sinai.

Sonnenaufgang am Berg Sinai

Zum einen wird zu diesem besonderen Fest ein historisches Ereignis, das Empfangen der Thora am Berg Sinai, gefeiert. Damals erhielt das Volk Israel 50 Tage nach seinem Auszug aus der Gefangenschaft in Ägypten durch Mose das Gesetz, wodurch ein Höhepunkt in der jüdischen Geschichte markiert wird. In Ex 19,5 f. steht:

„Werdet ihr nun meiner Stimme gehorchen und meinen Bund halten, so sollt ihr mein Eigentum sein vor allen Völkern, denn die ganze Erde ist mein. Und ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk sein. “

Der Bundesschluss besiegelt den Beginn des gemeinsamen Weges von Gott mit seinem Volk und legt einen wichtigen Grundstein jüdischen Glaubens, an den sich bis heute an Schawuot erinnert wird.

Neben dieser theologischen Dimension hat Schawuot auch eine landwirtschaftliche Bedeutung. So feiern Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft an diesem Tag das Fest der Ernte, da zur Zeit von Schawuot im Land die Weizenernte stattfindet. Zum Wochenfest werden die ersten Feldfrüchte am Tempel dargeboten. Wir finden die Grundlage für das Erntedankfest in Exodus 23,16, wo vom Fest der Kornernte und den Erstlingen auf dem Feld die Rede ist. Zur Zeit Jesu pilgerten die Juden aus diesem Anlass nach Jerusalem und brachten ihr Dankopfer im Tempel dar.

Käsekuchen und andere Traditionen

Blumen als Symbol für die Erstlingsfrüchte.

Blumen als Symbol für die Erstlingsfrüchte.

Heute wird Schawuot durch eine Reihe von großen Erntedankfesten gefeiert. Würde man zu dieser Zeit im Jahr durch eine Stadt in Israel laufen, hätte man wohl den Geruch von süßen Speisen und Blumen in der Nase, würde vielleicht durch ein Fenster die Worte eines Rabbis (oder Hausvaters), der die Geschichte der 10 Gebote verliest, hören und auf der Straße ein paar Kindern begegnen, die in weißer Kleidung mit Kränzen und Zweigen in der Hand durch die Stadt zögen. Das Fest wird eher ausgelassen und entspannt gehalten, so gelten zwar die Regeln vom Shabbat, es darf jedoch gebacken und gekocht werden. Zu Schawuot werden Wohnungen und Synagogen mit Blumen geschmückt. Dieses Symbol, der Duft und das Grün, sollen an die Erstlingsfrüchte erinnern.

Käsekuchen zu Schawuot.

Käsekuchen zu Schawuot.

Im Zentrum des Festes steht jedoch die Tora. So werden jedes Jahr besondere Speisen gereicht, zunächst isst man Gerichte mit Milch und Milchprodukten, wie zum Beispiel eine traditionelle Form des uns bekannten Käsekuchens oder auch Honiggebäck. Und da sich in der jüdischen Tradition oft hinter feinsten Details Symbole verbergen, hat auch dieser Brauch seine Bedeutung. So erinnert er an Gottes Zusage in Exodus 3, wo Gott verspricht, die Israeliten in „ein schönes, weites Land, in ein Land, in dem Milch und Honig fließen“ zu führen. Eine weitere Bedeutung dieser Speisen bezieht sich auf die Tora, die auch mit Milch verglichen wird, die ein Kind begierig trinkt. Als Hauptspeise werden Gerichte mit Fleisch gereicht, wobei diese Speisen streng von den Vorspeisen getrennt werden sollen.

„Tikkun lel Schawuot“

Schawuot wird über zwei Tage hinweg gefeiert. Gläubige Juden halten zu dieser Zeit eine Nachtwache, auch „Nacht des Lernens“ genannt, um die Tora zu studieren. Dieser besondere Brauch wird als „Tikkun lel Schawuot“ (Tikkun: תיקון – hebr. Verbesserung), also wörtlich „die Verbesserung in der Nacht des Wochenfests“ bezeichnet. Zentrum der Lesungen und Diskussionen in dieser Nacht stellt die Lektüre der hebräischen Bibel, des Talmud und des Sohar dar.

Tagsüber wird dann an beiden Tagen ein Gottesdienst gehalten, zu dem aus dem 2. Buch Mose vorgelesen wird. Außerdem wird zum Wochenfest auch eine Festrolle verlesen, zu diesem Fest ist es das Buch Ruth, das von Anfang bis zum Ende der Getreideernte in Betlehem spielt.3(Rut 1,22; 2,23). Ruth stellt als Urgroßmutter Davids eine wichtige Person dar, die der Tradition zufolge an Schawuot geboren wurde und starb.

Und Pfingsten?

Eine Brücke von Schawuot zu unserem Pfingstfest lässt sich, neben der Datumsnähe zu dieser Feierlichkeit, meiner Meinung nach durch die Bedeutung der beiden Feste schlagen.

Natürlich feiern wir an beiden Festen jeweils unterschiedliche Ereignisse.

Christen feierten an Pfingsten die „Ausgießung des Heiligen Geistes“ auf die Jünger Jesu. Im Judentum kommt dem Heiligen Geist (abgesehen von gelehrten Überlegungen zur Ruach usw.) keine Bedeutung zu. Jedoch denke ich, dass gerade im Gesetz die Zuwendung Gottes zu den Menschen an Ausdrucksstärke gewinnt und durch seine Offenbarung die Menschen im Gottesvolk die Tora verstehen und befolgen können. Auch die Ausgießung des Heiligen Geistes ist eine Zuwendung Gottes, die uns Menschen zu einem größeren Verständnis unseres eigenen Glaubens und zum Handeln befähigt.

Vielleicht denken Sie ja in diesem oder einem der folgenden Jahre an Pfingsten auch einmal an das „Wochenfest“, das Fest des Gesetzes, und daran, auf welche Weise Gott sich dem Bundesvolk Israel zugewendet hat und er sich uns Menschen vielleicht ganz ähnlich (im übertragenen Sinn) zuwenden kann.

 

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    Die Wallfahrtsfeste im Judentum sind die drei Freudenfeste (hebr. schalosch regalim) Pessach, Schawuot und Sukkot.
  • 2
    Nach dem gregorianischen Kalender liegt dieser Monat Siwan etwa Mitte Mai, jüdisch-bürgerlich der „neunte Monat“, jüdisch-religiös der „dritte Monat“ im Kalender. 
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    (Rut 1,22; 2,23).

 

Literatur

Eine Einführung in Schawuot

http://www.judentum-projekt.de/religion/feste/schawuot/ 4.5.2022

Wann findet Schawuot statt?

http://www.kleiner-kalender.de/event/schawuot/100340.html 4.5.2022

Pfingsten und Schawuot

https://www.deutschlandfunkkultur.de/pfingsten-und-schawuot-fade-feste-starke-botschaften-100.html  4.5.2022

https://www.juedisch-beziehungsweise-christlich.de/schawuot-beziehungsweise-pfingsten-christlich 7.5.2022
Bilder: Unsplash.com

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    Die Wallfahrtsfeste im Judentum sind die drei Freudenfeste (hebr. schalosch regalim) Pessach, Schawuot und Sukkot.
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    Nach dem gregorianischen Kalender liegt dieser Monat Siwan etwa Mitte Mai, jüdisch-bürgerlich der „neunte Monat“, jüdisch-religiös der „dritte Monat“ im Kalender. 
  • 3
    (Rut 1,22; 2,23).