Zeuge eines Wunders Teil 1

Warum Yad Vashem ein Muss für jeden und insbesondere für Christen ist

Ein Erfahrungsbericht von Kristina Stegemann

 

Erster Einblick in den Holocaust. Als wir in der Schule im Geschichtsunterricht die Zeit des Nationalsozialismus behandelten, war ich schockiert. Natürlich hatte ich schon vor diesem Schulhalbjahr immer mal wieder von dem Thema „Judenvernichtung“ gehört – von den Ereignissen, die so starke Wellen schlugen, dass sie die gesamte Welt überspülten und unser Leben in Deutschland bis heute prägen. Aber bis zu diesem Punkt war die NS-Zeit für mich nur verschwommen umrissen und ich wusste nichts genaueres über die dahinterstehenden Schrecken. Ich werde niemals den Moment vergessen, als unser Lehrer uns die Geschehnisse offenlegte und die Umstände erklärte: Während er uns Fakten über die Gesellschaft erklärte, blätterte ich in dem Geschichtsbuch etwas weiter, schaute mir die Bilder interessiert an – und erstarrte. Zum ersten Mal in meinem noch recht jungen Teenagerleben sah ich ein Foto vom Holocaust. Das Bild war schwarz-weiß und in keiner besonders guten Qualität, aber ich erkannte leblose Gestalten, die entfernt an die Körper von Menschen erinnerten. Beinahe bis zur Unkenntlichkeit ausgemergelt lagen sie grotesk in großen Haufen übereinander. Zum ersten Mal in meinem Leben verstand ich, dass die vom Lehrer vorgetragene Theorie einmal grausame Realität für viele Menschen war. Zum ersten Mal in meinem Leben sah ich, wozu Menschen fähig sein konnten – und dass das auch noch von der Nation ausging, die ich mein Heimatland nannte.

Blick auf Tel Aviv vom Flugzeug aus.

Solche Momente vergisst man nicht. Über Jahre sah ich dieses Bild immer wieder vor meinem inneren Auge. Sogar als erwachsene Frau begleitet mich diese Erinnerung noch und ich kann mir kaum vorstellen, dass es für mich ein erschütternderes Erlebnis im Zusammenhang mit dem Holocaust geben könnte – bis ich 2012 das erste Mal nach Israel fliege. Mein Vater und ich haben eine „Highlight“-Tour gebucht und so werden wir von einem jüdisch-israelischen Guide durch das ganze Land an verschiedenste Orte geführt. Einer dieser Orte, den wir gleich in den ersten Tagen besuchen, ist Yad Vashem. Ich bin etwas erstaunt, warum gerade ein Holocaust-Museum auf dem Plan für eine solch knappe Tour steht. Ist es wirklich wichtig, sich nochmal mit der Geschichte auseinanderzusetzen, um Israel, wie es heute ist, kennen zu lernen? Ich komme schließlich aus Deutschland und mittlerweile habe ich mich mehr mit dem Thema auseinandergesetzt und viele Gespräche darüber geführt. Doch bald soll ich verstehen, warum Yad Vashem ein wirklich bedeutsamer Ort ist für jeden, der den Staat Israel und das jüdische Volk besser kennen lernen und auch verstehen möchte.

 

Auf dem Har HaZikaron. Zeitig brechen wir mit dem Bus von unserem Hotel auf, das mitten in Jerusalem liegt. Obwohl es Anfang September ist, ist es an diesem Vormittag schon extrem warm, etwas, was ich aus Deutschland so nicht kenne. Wir fahren durch die lauten und vollen Straßen Jerusalems. Diese lebendige Stadt hat mich mit ihrer reichen Geschichte, den bunten Menschengruppen und all ihren Eigenheiten schon lange fasziniert und für sich eingenommen. Ich sauge alles, was ich sehen kann, in mich auf, während der Bus langsam aus dem Stadtkern herausfährt und sich einen Berg hochschlängelt. Später soll ich erfahren, dass dies der Har HaZikaron ist, was auf Deutsch „Berg des Gedenkens“bedeutet.

Ausblick vom Herzlberg vom Gelände von Yad Vashem aus.

Weithin ist er auch als „Herzlberg“ bekannt, denn Theodor Herzl1Theodor Herzl (1860-1904) war ein jüdischer Schriftsteller. Aufgewachsen in einer assimilierten Familie kam Herzl erst später mit dem Gedankengut des Zionismus in Berührung, als er Zeuge der sog. Dreyfuß-Affäre wur-de. 1895 veröffentlichte er seine folgenreiche Schrift „Der Judenstaat“, in der er Pläne für eine Massenmigration in einen jüdischen Staat, deren Finanzierung und Aufbau des Staates darlegte. Zwei Jahre später veranstaltete er den Ersten Zionistenkongress in Basel, dem fünf weitere zu seinen Lebzeiten folgen sollten. Angesichts der gerade auch in Osteuropa eskalierenden Situation durch Progrome gegen Juden bemühte er sich Zeit seines viel zu kurzen Lebens um Planung und Umsetzung eines jüdischen Staates im damaligen Palästina. (vgl. N.N., Herzl) hat kurz vor seinem Tod verfügt, dass er in schlichten Zuständen in der Familiengruft in Wien beigesetzt werden wolle, bis das jüdische Volk einen Staat in Palästina gegründet habe. Hier wollte er seine letzte Ruhe finden. 1949 wurde dieser letzte Wunsch Herzls erfüllt, als seine Gebeine auf dem Har HaZikaron beigesetzt wurden. Das Herzl-Grab ist heute noch zu besichtigen. Doch ist er nicht der einzige bedeutende Jude, der auf diesem Berg sein Begräbnis erhielt: Nach dem Unabhängigkeitskrieg2Der sog. Unabhängigkeitskrieg, der auch als Erster arabisch-israelischer Krieg in die Geschichte einging, begann am 30. November 1947. Zuvor hatte es verschiedene Versuche eines Kompromisses gegeben, so etwa den UN-Teilungsplan, der jedoch von den Oberhäuptern der arabischen Länder abgelehnt wurde, sodass es in der Folge zu immer stärkeren Auseinandersetzungen zwischen den jüdischen und arabischen Parteien kam. Als David Ben Gurion am 14. Mai 1948 dennoch den Staat Israel ausrief, griffen in der Folge die Armeen der arabischen Staa-ten den jungen, jüdischen Staat an. Der Krieg dauerte bis zum Juli 1949, als ein Waffenstillstand ausgehandelt wurde. (vgl. N.N., Krieg) wurden hier die gefallenen jüdischen Soldaten beigesetzt und später auch bedeutende Staatsmänner und -frauen wie Golda Meir, Yitzhak Rabin und Shimon Peres.

Blick auf das Besucherzentrum von Yad Vashem.

Wir fahren mit dem Bus auf das Gelände Yad Vashems zu und passieren eine Sicherheitsschranke. Ich steige mit der Gruppe aus und atme tief die warme Luft ein. Unser Guide führt uns auf das Besucherzentrum zu, einen quaderähnlichen Bau mit zahlreichen Fenstern. Wir werden freundlich an der Infostation begrüßt und mit Flyern und Infoheften ausgerüstet. Nachdem wir unsere Rucksäcke abgegeben haben, machen wir uns auf den Weg zum Museumseingang. Doch zuvor macht mein Vater, der schon einige Male zuvor in Yad Vashem gewesen ist, auf eine Theke aufmerksam, an der man Pins kaufen kann: In dunklem Grau gehalten stellen die Verästelungen einen Stacheldraht dar, der jedoch in einen Olivenzweig übergeht. Auch wenn ich die Botschaft noch nicht ganz erfassen kann, nehme ich einen Pin entgegen und verstaue ihn etwas unbedarft in meiner Tasche. Danach verlassen wir das Gebäude auf der gegenüberliegenden Seite und werden von unserem Guide durch die Sommersonne über eine Art Brücke zum Eingang des Holocaust-Museums geführt. Von hier an verlässt er uns und lässt uns einige Stunden Zeit, uns unseren Weg durch das Gelände zu suchen.

 

Die originale Fotografie zeigt den Selektionsprozess an der sog. „Judenrampe“ im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau.

Im Holocaust-Museum. Aus dem hellen Tageslicht heraus betreten wir das Museum. Der breite Weg führt uns links um eine Ecke und fällt nun ab. Er erinnert an eine massive Betonrampe, die uns unter die Erde führt. Jahre später, nachdem ich die Gedenkstätte des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau besucht habe, frage ich mich, ob dieser Betonweg der sog. „Judenrampe“ in Birkenau nachgebildet ist, an der die Deportationszüge hielten und die Menschen selektiert wurden – die einen führte man in das Arbeitslager, die anderen in die Vernichtungsanlagen. Doch bei meinem Besuch in Yad Vashem fühlt es sich auch ohne diese Ahnung komisch an, darauf zu gehen. Unter Spannung gehe ich weiter und folge dem Weg, der ins Zwielicht führt. Wir bleiben vor einer riesigen Wand stehen, der einen Außenwand des fast 200m langen, keilförmigen Museumsgebäudes, auf die Videoschnitte projiziert werden. Man sieht Ausschnitte aus Filmen und Fotos aus dem Leben jüdischer Menschen und ihrer Kultur vor dem Zweiten Weltkrieg. Die Ausschnitte erinnern teilweise an jüdische Shtetl, wie es sie zahlreich vor dem Holocaust in Osteuropa gab, doch sieht man auch größere Schulen und Familienhäuser. Jüdische Männer und Frauen sind zu sehen, Familien beim Essen, Kinder beim Spielen und Musizieren. Ein Kinderchor singt HaTikvah, das Lied, das schon vor der Schoah zur Hymne des Zionismus und 1948 schließlich zur Nationalhymne des jungen jüdischen Staates wurde. Die Ausschnitte zeigen das jüdische Leben Europas des frühen 20. Jahrhunderts und geben einen Einblick in die reiche Kultur des Judentums vor dem Krieg. Die schwarz-weißen Aufnahmen hinterlassen ein mulmiges Gefühl in meiner Brust, als ich mich von diesen lebendigen Eindrücken abwende – denn ich weiß zumindest ansatzweise, wie die Geschichte weitergeht.

Obwohl das Museum zum größten Teil unterirdisch ist, lässt die Decke des Betonkeils stets den Blick in den Himmel offen.

Wir wenden uns schließlich ab und stehen vor einer Infotafel, die uns mit einem Überblick über die Entwicklungen auf das vorbereitet, was wir nun sehen werden. Dann betreten wir die Ausstellung, die den Besucher im Zick-Zack von links nach rechts und wieder zurück durch das lange Gebäude führt. Die Seitenschiffe des Museums liegen jeweils im Dunkeln und sind künstlich beleuchtet, doch überquert man den mittleren Teil, sieht man das Tageslicht: Der höchste Bereich des Gebäudes ist mit Glaselementen versehen.

Ich weiß nicht, was ich erwartet habe, aber im ersten Moment bin ich verdutzt: Ich stehe nicht vor einer Ausstellung über die Geschichte Israels oder explizit das Judentum im damaligen Europa in dem Sinne – sondern ich stehe vor der Geschichte des Landes, in dem ich aufgewachsen bin. Ich stehe vor der Geschichte meiner Urgroßeltern und Großeltern. Und in einem gewissen Sinne stehe ich vor meiner eigenen Geschichte. Doch ist die Ausstellung viel detaillierter und informativer als alles, was ich bisher in Deutschland besucht habe – und sie ist so gestaltet, dass sie die Sicht der jüdischen Menschen wiedergibt, deren Welt, in die ich gerade noch so einen lebendigen Einblick bekommen habe, zerbrach.

Als ich Schritt für Schritt durch die Ausstellung gehe, sehe ich zahlreiche Originalgegenstände der jüdischen und nichtjüdischen Menschen aus dem Deutschland, in dem Adolf Hitler an die Macht kam. Dann laufe ich vorbei an Reichsflaggen, Dokumenten und Bildern. Ich sehe Filmausschnitte mit Ton, in denen Hitler Reden zum deutschen Volk hält, und sehe, wie tausende und abertausende Menschen ihm zujubeln und die rechten Arme zum „Hitler-Gruß“ erheben. Im krassen Kontrast zu dieser Euphorie stehen die Bilder von den zerschmissenen Schaufenstern der Läden, die jüdischen Menschen gehörten. Ich sehe beschmierte Scheiben, geschriebene antisemitische Parolen an Fenstern und Wänden, grob gemalte Davidsterne prangen an Läden und Häusern, Deutsche stehen vor jüdischen Läden und halten Schilder hoch, auf denen steht, dass der nichtjüdisch-deutsche Bürger dort nicht mehr einkaufen dürfe. Dabei ist dieser Graben, der gezogen wurde, so paradox: Seit Generationen waren diese jüdischen Laden- und Hausbesitzer ebenfalls Deutsche und wurden nun als Juden stigmatisiert und damit als „undeutsch“ dargestellt.

Gesammelte Exemplare der Bücher in Yad Vashem, die durch die Nationalsozialisten verboten wurden.

Als ich wieder von der einen Seite des Museums zur anderen geführt werde und den erhellten Bereich in der Mitte überquere, gehe vorbei an hunderten von Büchern, die auf einem großen Haufen aufeinanderliegen. Das Licht der Mittagssonne fällt auf die Bücher und ich kann einige Titel lesen. Erst auf den zweiten Blick verstehe ich, dass es Exemplare von den Werken sind, die 1933 unter Hitler verboten und in einer großen Aktion verbrannt wurden.3Bei der berüchtigten Bücherverbrennung handelt es sich um Aktionen an mehreren Standorten in Deutschland, die sich über einige Wochen im Mai 1933 hinzogen. Kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten organisierte das Hauptamt für Presse und Propaganda der Studentenschaft die „Aktion wider den undeutschen Geist“. Auf einer sog. Schwarzen Listen wurden Büchertitel von Autoren gesammelt, die „nicht tragbar“ und als „zersetzendes Schrifttum“ galten. Die erste Aktion fand am 10. Mai auf dem Berliner Opernplatz statt, wo die konfiszierten Bücher öffentlich verbrannt wurden, während Goebbels – unterstützt von Professoren und Rektoren sowie zahlreichen Studenten und umgeben von 70.000 Zuschauern – gegen jüdische, kommunistische und de-mokratische Autoren sprach. Es folgt eine zweite Aktion am 15. Mai auf dem Hamburger Kaiser-Friedrich-Ufer. Allein in Berlin wurden bis Ende Mai 1933 10.000 Zentner an Literatur aus öffentlichen und privaten Biblio-theken beschlagnahmt. In den folgenden Monaten kam es zu 102 erfassten Bücherverbrennungen in über 90 Städten in Deutschland. 1934 umfasste die Schwarze Liste um die 3.000 Titel. (vgl. Asmuss, Bücherverbren-nung/ N.N., Tag der Erinnerung)

Betroffen gehe ich weiter und laufe vorbei an Videos von Zeitzeugen, die auf kleinen Bildschirmen abgespielt werden: Juden, die den Holocaust überlebt haben und Jahrzehnte später Yad Vashem ihre Geschichte erzählten und dabei gefilmt wurden, damit das Geschehene nicht vergessen würde. Sie berichten, wie sich die Atmosphäre nach dem Aufstieg der Nationalsozialisten in ihren Städten und Dörfern rasant veränderte, sie erzählen von Misshandlungen und Beschimpfungen, von ihrem Erleben der Reichskristallnacht und anderen Pogromen und davon, wie Familienangehörige nachts abgeholt wurden – und teilweise auch sie selbst.

 

Wie war das möglich? Das ist die Frage, die sich in meine Gedanken einbrennt und mich nicht mehr loslässt. Schon früh fangen Tränen an, über meine Wangen zu laufen. Zum einen, weil mich die rasanten Entwicklungen, die Ausmaße von Menschenverachtung und Hass im damaligen Deutschen Reich schockiert und beschämt. Doch vor allem weine ich um die Menschen, die all das am eigenen Leib erfahren mussten. Angesichts der persönlichen Schicksale kann man nicht unberührt bleiben. Zu lebhaft wird man mit hineingenommen in das Erleben dieser Menschen, als dass man noch die Augen verschließen und all das als längst vergangene Geschichte abtun könnte.

Das Originalfoto zeigt die Erschießung jüdischer Menschen in der Ukraine 1942) durch deutsche Einsatzgruppen. Die im Text beschriebene Frau wird von einem Soldaten erschossen, während weitere Soldaten auf sie und die noch lebenden Männer zielen.

Fast schon überfordert von den Ausmaßen dessen, was ich sehe, gehe ich weiter durch die Ausstellung und inmitten all der Aufnahmen, Dokumente, Filme und Gegenstände sehe ich es plötzlich: Das Foto von einer Frau. Sie trägt einen langen Mantel, der ihr bis zu den Knien reicht. Sie hält ein kleines Mädchen in ihren Armen umklammert und drückt es an sich. Offensichtlich versucht sie, es abzuschirmen von dem deutschen Soldaten, der hinter ihrem Rücken steht und aus ungefähr zwei Meter Entfernung mit einem Gewehr auf ihren Kopf zielt. Fassungslos stehe ich vor dem Originalfoto, das offensichtlich ein anderer Deutscher aufgenommen hat in dem Moment, als sein Kollege abdrückte.

Als menschliches Wesen frage ich mich, wie eine solche Unmenschlichkeit möglich ist. Wie kann ein Mann eine Frau und ihr kleines Mädchen erschießen, nicht in irgendeiner Form eines Gefechts, in dem er sich hätte wehren müssen – sondern einfach so? Was für eine Form von Hass, welche Ideologie, welche Perversion kann einen Menschen dazu bringen, das zu tun und danach die Leichen mit hunderten und tausenden weiteren in eine Grube zu werfen? Neben dieser Frage, die mich als menschliches Wesen zutiefst erschüttert, steigt zusätzlich eine weitere in meinen Gedanken auf: Wie es sein kann, dass so etwas Grausames von Menschen getan wird, die sich zu einem vermeintlich aufgeklärten und fortschrittlichen Volk zählen? Wie konnte das in Deutschland geschehen, in dem Juden seit über 1500 Jahren wohnten? Auf beide Fragen bekomme ich keine Antwort. Aber wie auch: Könnte denn irgendeine historische oder politische Entwicklung das Unbegreifliche erklären oder gar rechtfertigen?

Das Bild (aufgenommen in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau) zeigt originale Zyklon-B-Blechdosen, in denen das Granulat geliefert wurde, das dann durch die Luftschächte in die Vernichtungsanlagen geworfen wurde, wo es bei der vorhandenen Temperatur das giftige Gas bildete.

Betäubt stolpere ich weiter. Ich hoffe, dass das das Schlimmste war, was ich zu Gesicht bekommen würde. Doch die Hoffnung vergeht bald, denn jetzt laufen wir an Schienen vorbei. Es sind Originalschienen von einer der viel zu zahlreichen Strecken, auf denen weit über sechs Millionen Juden in Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert wurden. Ich bleibe vor einem Modell stehen, das ein solches Vernichtungslager darstellt – Auschwitz-Birkenau. Es zeigt die ganze Anlage: Wie die Menschen in unterirdische Umkleideräume geleitet werden, wie sie sich ausziehen und in vermeintliche Duschräume weitergehen, in denen dann  das Giftgas Zyklon-B freigesetzt wird – und die Menschen daran qualvoll ersticken. Viel zu realistisch sind die Menschen dargestellt, die aufeinander klettern, um an die Luftschächte zu kommen, Frauen reißen sich die Haare aus, Menschen liegen auf dem Boden. Auf der anderen Seite werden die Leichen von Zwangsarbeitern auf Flaschenzüge gelegt und in ein oberes Stockwerk gezogen, wo sie in Brennöfen geschoben werden.

Häftlingsanzüge und andere Originalgegenstände, Bilder von den Konzentrationslagern, von Häftlingen und Gehängten, von Deportationszügen und Ghettos umgeben mich. Und wieder sehe ich kleine Bildschirme mit Videos von Überlebenden, die berichten, wie ihr Alltag im Konzentrationslager war und wie sie überleben konnten – und wie so viele andere starben. Eine Frau erzählt, dass sie auf wundersame Weise einen Todesmarsch überlebte: Sie wurde mit hunderten von anderen Menschen von deutschen Soldaten auf einem solchen Marsch gehetzt, bis sie an eine künstlich ausgehobene Grube kamen. Dort mussten sie sich in Reihen mit dem Rücken zu den Soldaten stellen und wurden der Reihe nach erschossen. Als kleines Mädchen wurde sie von den sterbenden Menschen mit in die Grube gerissen – was ihr das Leben rettete. Keiner merkte, dass sich zwischen den Leichen ein lebendes Mädchen befand. Sie versteckte sich Stunde um Stunde zwischen den toten Menschen, bis sie sich im Dunkeln aufrappelte und fliehen konnte. Sie überlebte den Holocaust und zog später nach Israel.

 

Eine neue Hoffnung: Eretz Israel. Viel zu vielen Juden gelang eine Flucht wie die dieses Mädchens, unter welch grausamen Umständen sie auch stattgefunden haben mag, nicht. Die Nationalsozialisten setzten ihre Ermordungsmaschinerie mit einer erschreckenden Sorgfalt und Effizienz durch. Selbst als die Alliierten den Kreis um Nazideutschland schlossen, die Armeen von verschiedenen Seiten vorrückten und die deutschen Soldaten nicht standhalten konnten, versuchten die Nationalsozialisten, so viele Beweise ihrer Greueltaten wie möglich zu vernichten. Beispielsweise sprengten sie die Vernichtungsanlagen in Auschwitz, vernichteten zahlreiche Dokumente und führten Häftlinge zu tausenden und zehntausenden auf Todesmärsche. Nur verhältnismäßig wenige Juden überlebten die Shoah. Als die Alliierten die Überlebenden fanden, versuchten sie, sie bestmöglich zu versorgen – doch starben an der plötzlich übermäßigen Versorgung mit Nahrungsmitteln, die die ausgehungerten Häftlinge nicht mehr gewohnt waren, viele ebenso wie an den Folgen der Jahre in den Konzentrationslagern. Es wurden sog. DP-Camps4Schon 1944 wurde von den Alliierten ein Memorandum verfasst, in dem die Deportierten und Überlebenden des Naziregimes als Displaced Persons (DP) bezeichnet wurden. Diese Menschen sollten bei einem Sieg durch die Alliierten versorgt und so bald wie möglich in ihre Heimatländer zurückgebracht werden. Nach Kriegsende wurden in den Westzonen sog. DP-Camps eingerichtet, die zuerst nach Nationalität geordnet waren, obwohl man den besonderen Status von den überlebenden Juden durchaus erkannte. Als es jedoch zu antisemitischen Zwi-schenfällen kam, erkannte man das Judentum als Nationalität an und richtete eigene Camps für jüdische Men-schen ein. Auch wenn sich die jüdischen Camps zu regelrechten Gemeinschaften entwickelten, wollten laut Yad Vashem 90% der Bewohner nach Paslästina auswandern. (vgl. Urban, Displaced Persons) in den ehemaligen Lagern und in vielen Städten eingerichtet, wo Juden übergangsweise lebten. Alle standen sie nun mehr oder weniger bewusst vor der Frage: Wie kann man weiterleben nach all dem, was man erleben musste, und ohne die Menschen, die man im Holocaust verloren hat?

Wie das für die Betroffenen tatsächlich aussah, erfahre ich ansatzweise in weiteren Zeitzeugenvideos. Doch was ich höre, übersteigt meinen Verstand: Die Überlebenden erzählen von einem Lebenswillen und einer Freude, die mir angesichts der Schrecken, die mir so drastisch vor Augen gemalt wurden, unbegreiflich sind. Paare, die sich während des Holocaust in Konzentrationslagern ineinander verliebt hatten, heiratetet in den DP-Camps, es wurden Theatergruppen eingerichtet, die schon begannen, das Erlebte künstlerisch zu verarbeiten, es gab Musikgruppen, Gottesdienste, Gemeinschaft – inmitten all der Gebrochenheit.

Dennoch war auch ebendiese Gebrochenheit noch allgegenwärtig: In einem Video erzählt eine Frau ehrlich und mit Tränen in den Augen, wie sie kurz nach ihrer Hochzeit in einem Camp schwanger wurde. Sie habe nicht gewusst, dass sie schwanger werden könne, da sie so unterernährt war, dass ihr Zyklus Jahre ausgeblieben war. Sie kam nicht mit dieser Nachricht zurecht, konnte diese Verantwortung nicht ertragen und versuchte eigenständig, das Kind abzutreiben. Es funktionierte nicht. In einem monatelangen, schmerzhaften Prozess stellte sie sich ihrem neuen Leben und gründete mit ihrem Mann eine Familie.

Ein Blick auf die zahllos erscheinenden Ordner mit den Namen der Opfer der Shoah.

Als ich nach diesen bewegenden Berichten weitergehe, laufe ich vorbei an Tafeln und Filmen, die davon erzählen, wie ein Großteil der Überlebenden nun dem zionistischen Traum entgegenschaute, der sich schon vor der Shoah unter Juden vor allem in Osteuropa ausbreitete wie ein Lauffeuer und nun eine verheißungsvolle Zukunft versprach: zurück nach Eretz Israel, in das Land der Vorväter. Ich werde mit auf die Reise genommen, die zahlreiche Juden in den Nachkriegsjahren antraten und auf denen sie viele Hindernisse überwinden mussten, um in das damalige, unter britischem Protektorat stehende Palästina zu gelangen: politische Diplomatie ebenso wie Querelen wollten immer wieder einen Riegel vor die Einwanderung der einreisewilligen Juden schieben. Ich lese von Kibbuzim und Städten, die die Juden erbauten, von Auseinandersetzungen und kriegerischen Scharmützeln – und von der Gründung des Staates Israel am 14. Mai 1948.

Blick in den Kegel in der Halle der Namen: In ihm befinden sich hunderte von Bildern und Dokumenten von jüdischen Menschen, die im Holocaust ermordet wurden.

Als ich um die letzte Ecke biege, sehe ich Licht: Ich bin fast am Ende des keilförmigen Gebäudes angelangt. Erschöpft und ausgelaugt von den lebendigen Einblicken, die mir das Gefühl geben, als wäre ich dabei gewesen, mache ich mich auf den Weg zum Ausgang und merke, dass sich etwas verändert: War ich zu Beginn eine Rampe hinunter ins Dunkel gegangen, so steigt nun der Betonweg rampenartig an und führt zu einem hellen Ausgang. Doch bevor ich aus dem Gebäude heaustreten kann, sehe ich links und rechts von mir noch zwei letzte Räume. Links ist ein verdunkeltes Zimmer, das Epilog genannt wird. Hier wird ein Kunstfilm an die Wand geworfen, in dem originale Schriftstücke von jüdischen Menschen aus der Zeit des Holocaust gezeigt werden, in denen die Autoren in Notizen, Tagebüchern und Briefen ihre Sorgen, Ängste und Hoffnungen ausdrückten – die meisten von ihnen überlebten nicht. Ich betrete den gegenüberliegenden Raum, der sich zu einem regelrechten Saal vergrößert: Ein großer Kegel hängt in der Mitte des kreisförmigen Saals, in dem hunderte Fotografien und Dokumente angebracht sind – eine riesige, einzigartige Collage, die an die beinahe zahllosen Opfer der Shoah erinnert. Der Kegel ist umgeben von meterhohen Regalen, die in die Wand eingefügt sind. In ihnen befinden sich hunderte von Ordnern, in denen die Namen aller bisher identifizierten Opfer verwahrt werden. Noch sind die Regale, die insgesamt sechs Millionen Namen Platz bieten können, nicht vollständig gefüllt, denn noch längst sind nicht alle Opfer identifiziert worden.

Ausblick vom Vorsprung am Ende des Museums auf den Jerusalemer Wald.

Berührt verlasse ich den Raum und gehe zum Ausgang. Ich trete durch die Glastür und stehe im Sonnenlicht auf einem Vorsprung, der das Ende der Rampe bildet. Ich lehne mich an das Geländer und blicke auf den Jerusalemer Wald. Jerusalem – das Herzstück von Eretz Israel. Die Verknüpfung zwischen dem Land Israel und dem Geschehen des Holocaust, die hier architektonisch nachgebildet ist, kann nicht unerkannt bleiben. Mit dem künstlerisch gestalteten und symbolträchtigen Bau des Museums wird das Selbstverständnis des Staates Israel offenbart: Aus der Asche der Schoah ist neues Leben hervorgegangen. Trotz der Schrecken des Holocaust konnte das jüdische Volk nicht von seiner zionistischen Hoffnung abgebracht werden. Aus der Finsternis der Zerstreuung, die im Holocaust kulminierte, bahnte sich das Volk einen Weg zurück in das Land der Väter. So versinnbildlicht das Museum, was der in der Shoah entstandene Ausruf bedeutet: Am Jisrael Chai – das Volk Israel lebt!

 

Hier geht es weiter zum 2. Teil!

 

Hier finden Sie den ganzen Bericht zum Downloaden:   Yad-Vashem-Bericht

 

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    Theodor Herzl (1860-1904) war ein jüdischer Schriftsteller. Aufgewachsen in einer assimilierten Familie kam Herzl erst später mit dem Gedankengut des Zionismus in Berührung, als er Zeuge der sog. Dreyfuß-Affäre wur-de. 1895 veröffentlichte er seine folgenreiche Schrift „Der Judenstaat“, in der er Pläne für eine Massenmigration in einen jüdischen Staat, deren Finanzierung und Aufbau des Staates darlegte. Zwei Jahre später veranstaltete er den Ersten Zionistenkongress in Basel, dem fünf weitere zu seinen Lebzeiten folgen sollten. Angesichts der gerade auch in Osteuropa eskalierenden Situation durch Progrome gegen Juden bemühte er sich Zeit seines viel zu kurzen Lebens um Planung und Umsetzung eines jüdischen Staates im damaligen Palästina. (vgl. N.N., Herzl)
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    Der sog. Unabhängigkeitskrieg, der auch als Erster arabisch-israelischer Krieg in die Geschichte einging, begann am 30. November 1947. Zuvor hatte es verschiedene Versuche eines Kompromisses gegeben, so etwa den UN-Teilungsplan, der jedoch von den Oberhäuptern der arabischen Länder abgelehnt wurde, sodass es in der Folge zu immer stärkeren Auseinandersetzungen zwischen den jüdischen und arabischen Parteien kam. Als David Ben Gurion am 14. Mai 1948 dennoch den Staat Israel ausrief, griffen in der Folge die Armeen der arabischen Staa-ten den jungen, jüdischen Staat an. Der Krieg dauerte bis zum Juli 1949, als ein Waffenstillstand ausgehandelt wurde. (vgl. N.N., Krieg)
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    Bei der berüchtigten Bücherverbrennung handelt es sich um Aktionen an mehreren Standorten in Deutschland, die sich über einige Wochen im Mai 1933 hinzogen. Kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten organisierte das Hauptamt für Presse und Propaganda der Studentenschaft die „Aktion wider den undeutschen Geist“. Auf einer sog. Schwarzen Listen wurden Büchertitel von Autoren gesammelt, die „nicht tragbar“ und als „zersetzendes Schrifttum“ galten. Die erste Aktion fand am 10. Mai auf dem Berliner Opernplatz statt, wo die konfiszierten Bücher öffentlich verbrannt wurden, während Goebbels – unterstützt von Professoren und Rektoren sowie zahlreichen Studenten und umgeben von 70.000 Zuschauern – gegen jüdische, kommunistische und de-mokratische Autoren sprach. Es folgt eine zweite Aktion am 15. Mai auf dem Hamburger Kaiser-Friedrich-Ufer. Allein in Berlin wurden bis Ende Mai 1933 10.000 Zentner an Literatur aus öffentlichen und privaten Biblio-theken beschlagnahmt. In den folgenden Monaten kam es zu 102 erfassten Bücherverbrennungen in über 90 Städten in Deutschland. 1934 umfasste die Schwarze Liste um die 3.000 Titel. (vgl. Asmuss, Bücherverbren-nung/ N.N., Tag der Erinnerung)
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    Schon 1944 wurde von den Alliierten ein Memorandum verfasst, in dem die Deportierten und Überlebenden des Naziregimes als Displaced Persons (DP) bezeichnet wurden. Diese Menschen sollten bei einem Sieg durch die Alliierten versorgt und so bald wie möglich in ihre Heimatländer zurückgebracht werden. Nach Kriegsende wurden in den Westzonen sog. DP-Camps eingerichtet, die zuerst nach Nationalität geordnet waren, obwohl man den besonderen Status von den überlebenden Juden durchaus erkannte. Als es jedoch zu antisemitischen Zwi-schenfällen kam, erkannte man das Judentum als Nationalität an und richtete eigene Camps für jüdische Men-schen ein. Auch wenn sich die jüdischen Camps zu regelrechten Gemeinschaften entwickelten, wollten laut Yad Vashem 90% der Bewohner nach Paslästina auswandern. (vgl. Urban, Displaced Persons)

 

Quellen:

Asmuss, Burkhard, Die Bücherverbrennung, https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/etablierung-der-ns-herrschaft/buecherverbrennung.html (Stand 04.05.2021)

Asmuss, Burkhard, Die nationalsozialistischen Konzentrationslager, https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/ausgrenzung-und-verfolgung/konzentrationslager.html (Stand 02.05.2021)

Härtel, Susanne, Das Ghetto Warschau, https://www.dhm.de/lemo/kapitel/zweiter-weltkrieg/holocaust/warschau (Stand 04.05.2021)

Huhtasaari, Hanna, Der Erste arabisch-israelische Krieg. Interview mit Benni Morris, https://www.bpb.de/internationales/asien/israel/44999/interview-benny-morris?p=0 (Stand 30.04.2021)

IM., Yad Vashem, https://www.israelmagazin.de/yad-vashem-holocaust-gedenkstatte (Stand 30.04.2021)

Mayr, Lisa, Janusz Korczak: Der Arzt, der für die Kinder starb, https://www.derstandard.de/story/2000061528028/janusz-korczak-der-arzt-der-fuer-die-kinder-starb (Stand 02.05.2021)

N.N., Die Arbeits- und Konzentrationslager, https://www.yadvashem.org/de/holocaust/about/camps/labor-concentration-camps.html (Stand 04.05.2021)

N.N., Die Vernichtungslager, https://www.yadvashem.org/de/holocaust/about/final-solution/death-camps.html (Stand 04.05.2021)

N.N., Mount Herzl, https://www.jewishvirtuallibrary.org/mount-herzl (Stand 30.04.2021)

N.N., Oskar und Emilie Schindler, https://www.yadvashem.org/de/righteous/stories/schindler.html, (Stand 07.05.2021)

N.N., Statistiken, https://www.yadvashem.org/de/righteous/statistics.html (Stand 07.05.2021)

N.N., „Tag des Buches“ – Erinnerung an die NS-Bücherverbrennungen vor 85 Jahren, https://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/268884/ns-buecherverbrennung (Stand 04.05.2021)

N.N., Theodor Herzl, https://www.bpb.de/internationales/asien/israel/44953/theodor-herzl (Stan 30.04.2021)

N.N., Über Leben und Tod von Jausz Korczak, https://www.br.de/fernsehen/ard-alpha/sendungen/schulfernsehen/warschau-nationalsozialismus-widerstand-korczak100.html (Stand 02.05.2021)

Scriba, Arnulf, der Aufstand im Warschauer Ghetto 1943, https://www.dhm.de/lemo/kapitel/der-zweite-weltkrieg/kriegsverlauf/warschauer-ghettoaufstand-1943.html (Stand 04.05.2021)

W., Michele, Demokratie und Kindheit, https://www.demokratiegeschichten.de/demokratie-und-kindheit/ (Stand 02.05.2021)

Urban, Susanne, Jüdische Displaced Persons: Trauma und Überlebenswillen, https://www.yadvashem.org/de/education/newsletter/8/jewish-dp-camps.html (Stand 04.05.2021)

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    Theodor Herzl (1860-1904) war ein jüdischer Schriftsteller. Aufgewachsen in einer assimilierten Familie kam Herzl erst später mit dem Gedankengut des Zionismus in Berührung, als er Zeuge der sog. Dreyfuß-Affäre wur-de. 1895 veröffentlichte er seine folgenreiche Schrift „Der Judenstaat“, in der er Pläne für eine Massenmigration in einen jüdischen Staat, deren Finanzierung und Aufbau des Staates darlegte. Zwei Jahre später veranstaltete er den Ersten Zionistenkongress in Basel, dem fünf weitere zu seinen Lebzeiten folgen sollten. Angesichts der gerade auch in Osteuropa eskalierenden Situation durch Progrome gegen Juden bemühte er sich Zeit seines viel zu kurzen Lebens um Planung und Umsetzung eines jüdischen Staates im damaligen Palästina. (vgl. N.N., Herzl)
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    Der sog. Unabhängigkeitskrieg, der auch als Erster arabisch-israelischer Krieg in die Geschichte einging, begann am 30. November 1947. Zuvor hatte es verschiedene Versuche eines Kompromisses gegeben, so etwa den UN-Teilungsplan, der jedoch von den Oberhäuptern der arabischen Länder abgelehnt wurde, sodass es in der Folge zu immer stärkeren Auseinandersetzungen zwischen den jüdischen und arabischen Parteien kam. Als David Ben Gurion am 14. Mai 1948 dennoch den Staat Israel ausrief, griffen in der Folge die Armeen der arabischen Staa-ten den jungen, jüdischen Staat an. Der Krieg dauerte bis zum Juli 1949, als ein Waffenstillstand ausgehandelt wurde. (vgl. N.N., Krieg)
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    Bei der berüchtigten Bücherverbrennung handelt es sich um Aktionen an mehreren Standorten in Deutschland, die sich über einige Wochen im Mai 1933 hinzogen. Kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten organisierte das Hauptamt für Presse und Propaganda der Studentenschaft die „Aktion wider den undeutschen Geist“. Auf einer sog. Schwarzen Listen wurden Büchertitel von Autoren gesammelt, die „nicht tragbar“ und als „zersetzendes Schrifttum“ galten. Die erste Aktion fand am 10. Mai auf dem Berliner Opernplatz statt, wo die konfiszierten Bücher öffentlich verbrannt wurden, während Goebbels – unterstützt von Professoren und Rektoren sowie zahlreichen Studenten und umgeben von 70.000 Zuschauern – gegen jüdische, kommunistische und de-mokratische Autoren sprach. Es folgt eine zweite Aktion am 15. Mai auf dem Hamburger Kaiser-Friedrich-Ufer. Allein in Berlin wurden bis Ende Mai 1933 10.000 Zentner an Literatur aus öffentlichen und privaten Biblio-theken beschlagnahmt. In den folgenden Monaten kam es zu 102 erfassten Bücherverbrennungen in über 90 Städten in Deutschland. 1934 umfasste die Schwarze Liste um die 3.000 Titel. (vgl. Asmuss, Bücherverbren-nung/ N.N., Tag der Erinnerung)
  • 4
    Schon 1944 wurde von den Alliierten ein Memorandum verfasst, in dem die Deportierten und Überlebenden des Naziregimes als Displaced Persons (DP) bezeichnet wurden. Diese Menschen sollten bei einem Sieg durch die Alliierten versorgt und so bald wie möglich in ihre Heimatländer zurückgebracht werden. Nach Kriegsende wurden in den Westzonen sog. DP-Camps eingerichtet, die zuerst nach Nationalität geordnet waren, obwohl man den besonderen Status von den überlebenden Juden durchaus erkannte. Als es jedoch zu antisemitischen Zwi-schenfällen kam, erkannte man das Judentum als Nationalität an und richtete eigene Camps für jüdische Men-schen ein. Auch wenn sich die jüdischen Camps zu regelrechten Gemeinschaften entwickelten, wollten laut Yad Vashem 90% der Bewohner nach Paslästina auswandern. (vgl. Urban, Displaced Persons)