Die jüdische Hochzeit – ein Sinnbild für die Kirche Jesu

Nimmt man die Metapher der Kirche als „Braut Jesu“ ernst (z.B. Eph. 5,23ff.; Offb. 21,9) und beschäftigt man sich mit der traditionellen jüdischen Hochzeit, wie sie auch teilweise im Alten Testament zu finden ist (Gen 24,1ff.), so stößt man auf mancherlei Parallelen. In diesem Artikel geht es um einige Elemente des jüdischen Hochzeitsritus und deren indirekten Rezeption im Neuen Testament durch die Evangelisten (Mt 22,2ff.; Lk 22,19-20; Mt 26,29; Joh 3,28f.; Joh 14,2-3; Mt 9,15; Offb 19,9)

Dass die Ehe bzw. die Hochzeit gut als Metapher dient, um die Beziehung zwischen Christus und seiner Kirche zu beschreiben, betont v.a. der Apsotel Paulus. Er schreibt in 2 Kor 11,2: „Ich habe euch einem einzigen Mann verlobt, um euch als reine Jungfrau zu Christus zu führen.“ Oder in Eph 5,31-32 schreibt er: „Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und sich an seine Frau binden, und die zwei werden ein Fleisch sein. Dies ist ein tiefes Geheimnis; ich beziehe es auf Christus und die Kirche.“

In diesem Artikel wird es nicht um die genaue Abfolge einer jüdischen Hochzeit gehen; diese kann man hier nachlesen. Aber einige wichtige Elemente einer jüdischen Hochzeit werden hier vorgestellt, die indirekt von Jesus bzw. von den Evangelisten aufgegriffen werden, u.a. der Brautpreis, der Weinkelch, der Abschied des Bräutigams, die Rückkehr des Bräutigams und die Heimführung der Braut („Chuppah“) sowie das Hochzeitsmahl.

In biblischen Zeiten, also zur Zeit des Alten und Neuen Testaments, wurde die Frau von ihrem Vater „abgekauft“ und wurde nach der Hochzeit als Besitz des Mannes angesehen. Deutlich wird das auch an den hebräischen Bezeichnungen für Ehefrau und Ehemann: Ehefrau (Be’ulah) bedeutet „die in Besitz Befindliche“, Ehemann (Ba’al) bedeutet „Besitzer“. Was für heutige Verhältnisse als ungewohnte und als unangemessene Bezeichnung angesehen wird, dass die (Ehe-)Frau als „Besitz“ angesehen wird, war im Vergleich zu anderen Völkern durchaus „fortschrittlich“. Denn oft hat sich ein Mann anderer Völker eine Frau zu sich nach Hause genommen, mit ihr Verkehr gehabt, und beide galten dann seitdem als verheiratet, wobei die Frau keinerlei Rechte oder Freiheiten besaß; der Mann konnte sich ihrer ohne Angaben von Gründen wieder entledigen. Ein jüdischer Mann dem gegenüber brauchte eine ordentliche Scheidung sowie triftige, angemessene Gründe, um sich scheiden zu lassen. Vor der Hochzeit hatte der Mann auch einen Brautpreis zu zahlen, entweder Geld, Güter oder Arbeitszeit. Dies kann durchaus als eine Höherachtung der Frau im Unterschied zu anderen Völkern angesehen werden.

In den Briefen des Neuen Testaments findet man bereits, dass das vergossene Blut Jesu als „Preis“ und „Lösegeld“ verstanden wurde, welches für die Mitglieder der christlichen Kirche gezahlt wurde. In 1 Petr 1,18-19 lesen wir: „Ihr wißt, daß ihr aus eurer sinnlosen, von den Vätern ererbten Lebensweise nicht um einen vergänglichen Preis losgekauft wurdet, nicht um Silber oder Gold, sondern mit dem kostbaren Blut Christi, des Lammes ohne Fehl und Makel.“ Auch Paulus schreibt in 1 Kor 6,20: „Denn um einen teuren Preis seid ihr erkauft worden. Verherrlicht also Gott in eurem Leib!“

Der jüdische Hochzeitsritus besteht, damals wie heute, aus der Verlobung (Kiddushin) und der eigentlichen Heirat (Nissu’in). Heute folgt auf die Verlobung, bei der ein Verlobungsring angesteckt wird, der Ehevertrag verlesen wird und die ebenso in der Öffentlichkeit stattfindet, sofort die Heirat. Damals konnten zwischen Kiddushin und Nissu’in mehrere Monate vergehen. Die Verlobung gehörte aber dennoch genauso zur kompletten Hochzeitszeremonie mit dazu. Wenn die Verlobung stattgefunden hat und der Ehevertrag (Ketubah) verlesen worden war, in dem u.a. enthalten ist, welche Pflichten der Mann gegenüber der Frau hat, trinken die Brautleute Wein aus einem Kelch. Der eine Kelch symbolisiert den gemeinsamen Ehebund, den beide eingegangen sind. Danach, manchmal Monate später, wenn die Braut vom Bräutigam abgeholt wird und zu ihrem neuen Zuhause geführt wurde, wird die eigentliche Hochzeit (Nissu’in) gefeiert: Der Rabbiner verliest sieben Hochzeits-Segenssprüche und das Ehepaar trinkt wieder einen Schluck Wein.

Beide Momente, in denen Wein getrunken wird, haben Entsprechungen im Neuen Testament. Auch der Kelch, den Jesus mit seinen Jüngern beim letzten Abendmahl teilt, ist ein Bundeskelch: „Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch und sagte: Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird.“ (Lk 22,20) Dieser Kelch war der Kelch des neuen Bundes, teilweise mit einem Ehebund vergleichbar, und die Abendmahlsfeier könnte so ähnlich gedeutet werden, wie eine Verlobung zwischen Jesus und seiner Braut. Wie auch die jüdischen Brautleute nach der Heimführung der Braut und der Hochzeit abermals einen Weinkelch teilen werden, wird die Braut Christi wieder einen Kelch mit Jesus beim zweiten Teil der Hochzeitszeremonie teilen.

Wann die Hochzeit im alten Israel stattfinden würde, entschied der Vater des Bräutigams und nicht der Bräutigam selbst. Es musste erst einmal alles für die Hochzeit und das Leben danach vorbereitet werden, bevor der Bräutigam seine Braut zu sich holen konnte. Dies ist auch der Hintergrund folgender Bibelstelle, wo Jesus über seine Wiederkunft spricht: „Doch jenen Tag und jene Stunde kennt niemand, auch nicht die Engel im Himmel, nicht einmal der Sohn, sondern nur der Vater.“ (Mk 13,32) Normalerweise holt der Bräutigam seine Braut um die Mitternachtsstunde zu sich: Dann erklingen Schofar-Hörner und eine Schar von Menschen mit Fackeln sind auf der Straße geradewegs zum Haus der Braut. Die Braut hat dann nur noch wenig Zeit sich vorzubereiten. Wir lesen z.B. im Gleichnis von den zehn Jungfrauen etwas über diesen Brauch: „Mitten in der Nacht aber hörte man plötzlich laute Rufe: Der Bräutigam kommt! Geht ihm entgegen!“ (Mt 25,6) Dieses Bild der Rückkehr des Bräutigams hat Paulus wohl im Blick gehabt, als er folgende Worte an die Gemeinde in Thessaloniki geschrieben hat, um die Gläubigen dort zu trösten: „Denn der Herr selbst wird vom Himmel herabkommen, wenn der Befehl ergeht, der Erzengel ruft und die Posaune Gottes erschallt. (…) Dann werden wir immer beim Herrn sein.“ (1 Thess 4,16-17) Hier beschreibt Paulus die Wiederkunft Jesu wie ein plötzliches Kommen, ähnlich dem eines Bräutigams, wobei hier auch der Triumphzug des römischen Kaisers als Bild im Hintergrund stehen kann.

Während der Hochzeitsfeier gibt es auch das traditionelle Hochzeitsmahl, das Braut und Bräutigam im Beisein von Familie und Freunden zu sich nimmt. Währenddessen spielt fröhliche Musik und es wird getanzt. Begründet wird das Hochzeitsmahl mit Gen 29,22, wo schon Laban, Jakobs Schwiegervater, ein Hochzeitsfest für Jakob und Lea veranstaltet hat und viele Gäste einlud. Auch in den Visionen des Johannes, die in biblischen Buch der Offenbarung zu finden sind, wird beschrieben, wie eine Schar im Himmel Gott lobt, sich Engel vor dem Thron Gott verbeugen und eine Stimme zu Johannes sagt: „Jemand sagte zu mir: Schreib auf: Selig, wer zum Hochzeitsmahl des Lammes eingeladen ist. Dann sagte er zu mir: Das sind zuverlässige Worte, es sind Worte Gottes.“ (Offb 19,9) Hier finden wir also ebenso einen indirekten Hinweis auf ein Element der jüdischen Hochzeit: Das Hochzeitsmahl des Lammes, an dem die erlöste Schar der Gläubigen teilnehmen darf, wird als Höhepunkt der Vereinigung zwischen Christus und der Gemeinde gesehen.

(ts)

 

Bibliographie:
Barclay, William, Auslegung des Neuen Testaments. Brief des Jakobus, Briefe des Petrus, 1973, 2. Aufl. Wuppertal 1982
Barclay, William, Auslegung des Neuen Testaments. Brief an die Philipper, Brief an die Kolosser, Briefe an die Thessalonicher, 7. Auflage Wuppertal 1985
Lash, Jamie, Die jüdische Hochzeit. Ein Sinnbild für die Gemeinde Jesu – Der Messias kehrt zu seiner Braut zurück, 2002, 2. Aufl. Rosbach-Rodheim 2004
Maier, Gerhard, Lukasevangelium 2. Teil, Neuhausen Stuttgart 1996
Maier, Gerhard, Markusevangelium, Holzgerlingen 2007
 
Quellen:
http://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/ehe-at-3/ch/3d6d29b1010bc69c1e5884cbf386c3ee/
http://www.hagalil.com/judentum/gebet/hochzeit/hochzeit.htm
http://www.de.chabad.org/library/article_cdo/aid/1045509/jewish/Kidduschin-Verlobung.htm
http://www.planet-wissen.de/kultur_medien/brauchtum/hochzeit/juedische_hochzeit.jsp

 

 

Zurück