Wozu Fasten? – Fasten Im Alten Testament

Bei der Beschäftigung mit dem jüdischen Glauben wird man immer wieder auf ein bestimmtes Thema stoßen: das Fasten.

Im gesamten Alten Testament liest man von der Fastenpraxis als zugehörigem Bestandteil des jüdischen Glaubens. Es gibt mehrere jüdische Fastentage im Jahr, von denen einige in der Tora praktiziert und vorgeschrieben werden und andere erst in späterer Tradition dazukamen aufgrund von historischen Ereignissen.

Fasten meint hier das freiwillige Verzichten auf Essen und teilweise auch auf Trinken, welches zeitlich begrenzt ist und stellt somit einen Unterschied zu den Speisegesetzen dar. In dieser Zeit geht es nicht nur um den bloßen Nahrungsverzicht, sondern auch um die damit verbundene Selbsterniedrigung, die durch Riten wie zum Beispiel das Zerreißen der Kleidung dargestellt wurde. Fasten bedeutet theologisch also, dass der Mensch sich zurücknimmt und in der Beschränkung seiner Körperlichkeit Gott ins Zentrum der Umstände rückt.

 

Fastentage

Der bekannteste Fastentag ist Yom Kippur, der heiligste Tag im jüdischen Kalender. 25 Stunden lang wird am Versöhnungstag gefastet, beginnend mit der Abenddämmerung des Vortages. Dabei ist er der einzige Fastentag, der im mosaischen Gesetz für das jüdische Volk festgelegt wurde. Er gilt der persönlichen Buße, dem Gebet und der Sühnung von Schuld. Gläubige nutzen den Tag, um über das vergangene Jahr nachzudenken und Sünden zu bekennen und somit Vergebung bei Gott zu suchen. Die angestrebte Versöhnung wird also durch das Fasten begleitet und lässt jüdische Gläubige somit aktiv an der Versöhnung und Sühne teilnehmen.

Darüber hinaus gibt es aber noch weitere, bedeutsame Fastentag, wie zum Beispiel den 17. Tammuz, auch Schiwa Assar beTammusder genannt. Dieser Tag wurde gerade in dieser Woche gefeiert, genauer gesagt am 06.07.23 nach dem gregorianischen Kalender. An diesem Tag wird der Zerstörung des ersten und zweiten Tempels in Jerusalem gedacht. Besonders erinnert man sich an den Moment des Durchbruchs durch die Stadtmauer, welcher der Zerstörung vorrausging. Das Fasten am 17. Tamuz ist ein Ausdruck der Trauer und des Bedauerns über den Verlust des Tempels und symbolisiert den Wunsch nach Wiederaufbau und Erneuerung.  Außerdem wird auch hier, ähnlich wie zu Yom Kippur, an die Sündhaftigkeit der Israeliten und an die gnadenhafte Erwählung des jüdischen Volkes durch Gott erinnert. Dieser Tag wird als erstes aufgezählt in einer Auflistung der Fastentage: „So spricht der HERR Zebaoth: Das Fasten des vierten, fünften, siebenten und zehnten Monats soll dem Hause Juda zur Freude und Wonne und zu fröhlichen Festzeiten werden. Liebt Wahrheit und Frieden!“. (Sacharja 8,19) Der 17. Tammuz läutet „Die drei Wochen“ der Trauer ein. Diese Trauerphase gipfelt in einem weiteren Fastentag, dem 9. Aw.

Dass eine Zeit des Trauerns eingerahmt wird in zwei Fastentage lässt erste Rückschlüsse auf die Bedeutung und die Gründe des Fastens zu.

 

Die Bedeutung des Fastens

Die Verbindung zwischen Trauer und Fasten ist nicht zu übersehen. Dabei gleicht das Fasten einer körperlichen Veranschaulichung der Traurigkeit sowie das Weinen. In Esther 4,3 wird es wie folgt beschrieben: „Und in allen Provinzen, wohin des Königs Wort und Gebot gelangte, war ein großes Klagen unter den Juden, und viele fasteten, weinten, trugen Leid und lagen in Sack und Asche.“ Trauerfasten wurde im Kontext des Todes öfter ausgeübt, so zum Beispiel nach Sauls Tod (2. Samuel 1,11f.) und dauerte 7 Tage an.

Aus Sicht des Alten Testaments sollte das Fasten dazu beitragen, Gottes Zorn zu besänftigen durch die Selbsterniedrigung des vor Gott schuldhaften Volkes. Zur Absicherung der Beziehung zwischen Mensch und Gott gibt es diese religiöse Verpflichtung zum Fasten.

Die Reue des Menschen spielt dabei aber eine erhebliche Rolle, denn die Juden glauben, dass ihr Fasten Gott gnädig stimmt und ihre reumütige Herzenshaltung Gott gnädig stimmt. So ist es fernab der festgesetzten Fasttage auch üblich individuell zur eigenen Buße zu fasten. Vorbild dafür ist König David, der nach seiner ehebrecherischen Beziehung zu Bathseba Gott sein Schuldeingeständnis durch das Fasten zu übermitteln versuchte: „Und David suchte Gott um des Knäbleins willen und fastete, und wenn er heimkam, lag er über Nacht auf der Erde.“ (2. Samuel 12,16)

Was sowohl David als auch alle jüdischen Fastenden im Kollektiv gemeinsam haben, ist das Motiv der Umkehr zu Gott. Voran geht die Erkenntnis der eigenen Verfehlung und wird sichtbar durch eine Rückwärtsbewegung und Hinwendung zurück zu Gott. Dieser Form des Fastens wird Bußfasten genannt und soll Gott auf die eigene Umkehr aufmerksam machen und die Ernsthaftigkeit darstellen.

Anhand von spontan einberufenen Fastentagen, zum Beispiel in 1. Samuel 7,6, lässt sich erkennen, dass Fasten auch ein gebräuchliches Verhalten in einer Notsituation war, in der das jüdische Volk in völliger Abhängigkeit von Gottes Eingreifen stand. Der Verzicht auf irdische Energiezufuhr sollte damit die Unfähigkeit des Menschen in dieser Notlage ausdrücken und Gottes Souveränität bewusst anbeten.

Außerdem erhoffen sich jüdische Gläubige auch eine geistliche Reinheit vor Gott. Das Leeren des Körpers steht dabei sinnbildlich für das Leeren von allem Irdischen, was verunreinigen kann. So kommt es im traditionellen Judentum bis heute vor, dass Braut und Bräutigam am Tag ihrer Hochzeit fasten, um in einem Zustand der Reinheit die Ehe zu beginnen.

So gibt es auch zu Genüge das Fasten zur Vorbereitung auf eine Begegnung mit Gott, der die eigene Reinigung und Demut vorrausgeht. Mose fastete zum Beispiel 40 Tage auf dem Sinai, bevor er Gott begegnete. (Exodus 34,28)

 

Ausrichtung des Fastens

Beim Fasten stellt somit nicht der Mensch, der fastet, das Zentrum dar, sondern Gott, der im Akt des Verzichts handelt und sich dem Menschen gnädig erweisen soll. Aber auch im Menschen wird durch die Hingabe eine geistliche Erneuerung bewirkt.

Diese Erkenntnis befreit von Egoismus und dient somit nicht nur der persönlichen Erbauung, sondern geht auch einher mit der Erkenntnis über die ethische Verantwortung des Menschen. Fasten soll Veränderung im Menschen bewirken und bleibt ohne Nutzen, wenn es nicht gerechter und liebevoller macht. Der zentrale biblische Text dazu liegt in Jesaja 58 vor: „Ihr fastet zwar, aber ihr seid zugleich streitsüchtig und schlagt sofort mit der Faust drein. Darum kann euer Gebet nicht zu mir gelangen. (…) Nennt ihr das ein Fasten, das mir gefällt? Nein, ein Fasten, wie ich es haben will, sieht anders aus! Löst die Fesseln der Gefangenen, nehmt das drückende Joch von ihrem Hals, gebt den Misshandelten die Freiheit und macht jeder Unterdrückung ein Ende! Ladet die Hungernden an euren Tisch, nehmt die Obdachlosen in euer Haus auf, gebt denen, die in Lumpen herumlaufen, etwas zum Anziehen und helft allen in eurem Volk, die Hilfe brauchen!“ (Jesaja 58,4-7)

Das Fasten des Alten Testaments ist vielschichtig. Deutlich wird, dass es nicht um bloßen Verzicht geht, sondern in Gott, dem Menschen und seiner Umwelt Veränderung geschieht. Und diese Veränderung und die Begegnung zu Gott erlebt das jüdische Volk noch heute.

Auch im Christentum ist das Fasten noch immer allgegenwärtig. Jesus als Vorbild aller Christen fastete selbst. Am eindrücklichsten im Neuen Testament wird das sichtbar während seines 40-tägigen Fastens in der Wüste. (Mt. 4,2)

Auch im Neuen Testament ist das Fasten wie im Alten Testament oft eng mit dem Gebet verknüpft (Lk. 2,37, Lk. 5,33). Sinn des Fastens ist jedoch nicht die Askese oder die Selbstverleugnung, sondern die persönliche Hinwendung zu Gott (völlig unabhängig von den durchaus verschiedenen Anlässen wie Trauer, Buße, Vorbereitung auf eine Gottesbegegnung). In der Apostelgeschichte wird berichtet, dass Paulus und Barnabas Gemeinden gründeten und für die Leiter beteten und fasteten (Apg. 14,23). Warum und wie auch immer Christen fasten, eines ist zentral bedeutsam: Jesus betont in der Bergpredigt, dass Fasten im Verborgenen geschehen und nicht zu geistlicher Prahlerei oder zum Mittel der Gottesmanipulation missbraucht werden darf (Mt. 6,16-18). Dieser Punkt war besonders den Reformatoren wichtig. Fasten als Gesundheits- oder Diätprogramm war den biblischen Autoren unbekannt. Immer stand die persönliche Gottesbeziehung im Zentrum des Fastens.

Quellen:

Wallis, Arthur, Fasten-was sagt die Bibel dazu?

https://www.juedische-allgemeine.de/glossar/fasten/zuletzt aufgerufen am 07.07.2023

https://de.wikipedia.org/wiki/Schiwa_Assar_beTammuszuletzt aufgerufen am 07.07.2023

Körting,Corinna,   https://www.bibelwissenschaft.de/fileadmin/buh_bibelmodul/media/wibi/pdf/Fasten_Fastentage_AT___2018-09-20_06_20.pdf zuletzt aufgerufen am 07.07. 2023

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