Palästina: Zwischen Geschichte und Gegenwart
Die Bezeichnung „Palästina“ ruft viele Bilder und Emotionen hervor – von antiken Geschichten und archäologischen Schätzen bis hin zu den gegenwärtigen politischen Spannungen und der Suche nach Frieden. Um die heutige Lage und die „Free Palestine“-Debatte zu verstehen, ist es notwendig, die Ursprünge und die historischen Entwicklungen dieses Namens zu beleuchten und die kulturellen und politischen Strömungen in ihrer ganzen Tiefe zu erfassen. Besonders wichtig ist auch die biblische Perspektive auf dieses geographische Gebiet, das von seiner Bedeutung her tief in den religiösen Überlieferungen verankert ist.
Die Ursprünge des Namens Palästina
Der Name „Palästina“ geht nach allgemeiner Auffassung auf Kaiser Hadrian zurück, der um 135 n. Chr. die römische Provinz Judäa-Syrien in „Palästina“ umbenannte. Historisch wurde angenommen, dass diese Namensänderung darauf abzielte, das jüdische Volk zu demütigen, indem das Gebiet nach den Philistern benannt wurde, ihren historischen Feinden. Doch moderne Forschung, insbesondere die von Prof. Dr. Dr. David Jacobson vom University College London, stellt diese Interpretation infrage. Jacobson argumentiert, dass der Name „Palästina“ ursprünglich auf das antike Israel verweist, basierend auf geographischen, archäologischen und philologischen Untersuchungen.
Die Geschichte der Philister
Die Philister sind ein Volk, dessen Ursprünge weitgehend im Dunkeln liegen. Historische Berichte und archäologische Funde deuten darauf hin, dass sie um 604 v. Chr. von den Babyloniern unter König Nebukadnezar besiegt und nach Babylon verschleppt wurden. Diese Ereignisse, die auch in biblischen Prophezeiungen von Hesekiel und Zefanja erwähnt werden, markieren das Ende der Philister als eigenständige kulturelle Gruppe.
Herodot und die antike Sicht auf Palästina
Der griechische Historiker Herodot besuchte das Gebiet um 450 v. Chr. und bezeichnete es als „Palästina“. In seinen Schriften beschreibt er ein weites Gebiet, das vom Mittelmeer bis zum Jordan reicht und weit über den schmalen Küstenstreifen hinausgeht, auf dem die Philister siedelten. Diese Darstellung, zusammen mit späteren Erwähnungen durch Aristoteles und andere antike Autoren, zeigt, dass „Palästina“ historisch eher mit dem Gebiet des antiken Israel assoziiert wurde.
Sprachliche und historische Überlegungen
Die sprachliche Analyse der Septuaginta, der griechischen Übersetzung der hebräischen Bibel, zeigt, dass die Übersetzer den Ausdruck „Phylistiim“ für die Philister und ihr Land verwendeten, während sie „Palästina“ nicht in diesem Kontext benutzten. Jacobson schlägt vor, dass Herodot möglicherweise von der biblischen Geschichte Jakobs inspiriert wurde, der in einem Ringkampf den Namen „Israel“ erhielt. Der griechische Begriff „pálaistes“ bedeutet „Ringer“ und könnte Herodot dazu veranlasst haben, das Land als „Palästina“ zu bezeichnen, was in diesem Kontext „Land des Ringkämpfers“ bedeuten würde.
Römisches Palästina (63 v. Chr. – 634 n. Chr.)
Palästina war von 63 v. Chr. bis etwa 634 n. Chr. Teil des Römischen Reiches und erlebte dabei verschiedene Stufen der Abhängigkeit. Zunächst wurde das Gebiet nach der Eroberung durch Pompeius als Teil der Provinz Syria in das Reich eingegliedert. Unter römischer Oberherrschaft blieb es zunächst ein Klientelkönigtum, das von Herodes dem Großen regiert wurde. Nach seinem Tod wurde das Gebiet zunehmend direkt von Rom verwaltet. 66-70 n. Chr. Führte der Jüdische Krieg zur Zerstörung des Tempels in Jerusalem und der Umwandlung Judäas in die römische Provinz Iudaea, mit Caesarea als Hauptstadt. 132-135 n. Chr. Wurde der Bar-Kochba-Aufstand niedergeschlagen und die Region in Syria Palaestina umbenannt, um den jüdischen Ursprung zu tilgen. Mit der Christianisierung des Römischen Reiches im 4. Jahrhundert gerieten nicht nur die paganen Kulte, sondern auch das Judentum in die Defensive, was zu mehreren jüdischen und samaritanischen Aufständen führte.
Jerusalem wurde ein wichtiges christliches Zentrum und erhielt nach dem Konzil von Chalcedon 451 die Jurisdiktion über Palästina. Das Munizipalsystem breitete sich aus, und die Städte wurden stark romanisiert, während die Landbevölkerung größtenteils in Abhängigkeit blieb. Nach dem Rückzug der Sassaniden, die von 614 bis 630 Jerusalem besetzt hielten, eroberten die Anhänger des Islam unter Führung arabischer Stämme Palästina zwischen 632 und 640. Nach der Eroberung ließen die neuen islamischen Herrscher die Juden wieder nach Jerusalem zurückkehren und führten eine Sondersteuer für Nicht-Muslime ein. Führende Positionen blieben jedoch meist den Arabern vorbehalten.
Diese historischen Entwicklungen prägten die Region und führten zu einer komplexen demografischen und kulturellen Struktur, die bis zur islamischen Eroberung im 7. Jahrhundert reichte.
Verwaltungsbezirke Palästinas seit der muslimischen Eroberung der Levante
Nach der islamischen Eroberung der Levante in den 630er Jahren wurde Palästina in verschiedene Verwaltungsbezirke unterteilt. Diese Strukturen änderten sich im Laufe der Jahrhunderte unter verschiedenen muslimischen Dynastien.
Der bedeutendste Verwaltungsbezirk in dieser Zeit war der Dschund Filasṭīn (arabisch: „der Militärbezirk Palästina“), der Teil der Provinz Bilad al-Sham (Groß-Syrien) war. Dschund Filasṭīn umfasste den größten Teil der ehemaligen byzantinischen Provinzen Palaestina I und Palaestina III. Ursprünglich war Ludd (Lod) die Hauptstadt, doch 716 wurde die neue Hauptstadt Ramla gegründet, die an der Kreuzung der Via Maris und der Straße, die Jaffa mit Jerusalem verbindet, lag. Im 11. Jahrhundert wurde Jerusalem die Hauptstadt dieses Bezirks. Dschund Filasṭīn war der südlichste Regierungsbezirk von Groß-Syrien und bestand aus elf Kura (Verwaltungsbezirken), die jeweils von einer zentralen Stadt aus regiert wurden.
Archäologische Funde und historische Stätten
Palästina ist reich an historischen Stätten, die sowohl biblische als auch antike Bedeutung haben. Die Städte Jericho und Hebron gehören zu den ältesten kontinuierlich bewohnten Städten der Welt. Jericho, oft als „älteste Stadt der Welt“ bezeichnet, hat archäologische Schichten, die bis in das 10. Jahrtausend v. Chr. zurückreichen. Hebron ist bekannt für die Höhle von Machpelah, die laut biblischer Überlieferung die Grabstätte der Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob ist.
Die biblische Perspektive auf Palästina
Die Bibel spielt eine zentrale Rolle in der Geschichte und Identität dieses Landes. In den hebräischen Schriften wird das Land Israel als das von Gott versprochene Land für die Nachkommen Abrahams, Isaaks und Jakobs beschrieben. Es ist das Land, in dem König David Jerusalem zur Hauptstadt machte und in dem Salomo den ersten Tempel baute. Viele Geschichten der Bibel, von den Patriarchen bis zu den Propheten, sind eng mit diesem Land verbunden.
Die Propheten des Alten Testaments, wie Hesekiel und Zefanja, sprachen von der göttlichen Bestrafung der Philister und der Wiederherstellung Israels. Diese Texte sind tief in der jüdischen Tradition verwurzelt und prägen das historische Verständnis und die religiöse Bedeutung des Landes.
Israels historische und gegenwärtige Position zu Palästina
Die Beziehung Israels zu Palästina ist durch eine lange und komplexe Geschichte gekennzeichnet. Im Laufe der Jahrhunderte gab es immer wieder Konflikte und Auseinandersetzungen um das Land. Nach der Zerstörung des Zweiten Tempels durch die Römer und der anschließenden Diaspora blieb das Land Israel in den jüdischen Gebeten und Hoffnungen präsent.
Die zionistische Bewegung, die Ende des 19. Jahrhunderts entstand, zielte darauf ab, einen jüdischen Staat in der historischen Heimat zu errichten. Die Gründung des Staates Israel im Jahr 1948 markierte einen Wendepunkt, führte jedoch auch zu massiven Vertreibungen und Konflikten mit der arabischen Bevölkerung, die zu Flüchtlingen wurden. Der Sechstagekrieg von 1967 brachte Israel die Kontrolle über das Westjordanland und den Gazastreifen, was die Spannungen weiter verschärfte.
Heute steht Israel vor der Herausforderung, Sicherheitsinteressen mit dem Streben nach Frieden und einer gerechten Lösung für die Palästinenser zu vereinbaren. Die Zwei-Staaten-Lösung bleibt ein umstrittenes Thema, bei dem es um die Schaffung eines unabhängigen palästinensischen Staates neben Israel geht. Trotz vieler Rückschläge gibt es immer wieder Friedensverhandlungen und internationale Bemühungen, eine Lösung zu finden.
Golda Meir, die frühere Premierministerin Israels (1969-1973), erinnerte daran, dass sie von 1921 bis 1948 einen palästinensischen Pass trug, der sie als Jüdin als Palästinenserin beschrieb. Sie erklärte, dass dieser Pass eine palästinensische Flagge zeigte, auf der in der Mitte ein Judenstern abgebildet war. Diese Aussage unterstreicht die komplexe historische Beziehung und Identität in der Region vor der Gründung des Staates Israel im Jahr 1948. Meirs Erfahrung spiegelt die Tatsache wider, dass in der Zeit des britischen Mandats sowohl Juden als auch Araber als Palästinenser galten, bevor die politischen und nationalen Identitäten sich nach der Staatsgründung trennten. In einem Interview sagte sie: „Ich bin Palästinenserin, von 1921 bis 1948 trug ich einen palästinensischen Pass.“
(https://www.youtube.com/watch?v=PMRlE7VDZUU).
Die aktuelle Situation in Palästina
Heute steht Palästina, insbesondere das Westjordanland und der Gazastreifen, im Zentrum des israelisch-palästinensischen Konflikts. Nach dem Ende des britischen Mandats und der Gründung des Staates Israel im Jahr 1948 wurden viele Palästinenser zu Flüchtlingen. Die palästinensischen Gebiete sind heute teilweise autonom verwaltet und stehen unter der Kontrolle der Palästinensischen Autonomiebehörde im Westjordanland und der Hamas im Gazastreifen. Die politische Lage ist geprägt von Spannungen, aber auch von Bemühungen um Frieden und Stabilität.
Die „Free Palestine“-Bewegung fordert ein Ende der israelischen Besatzung und setzt sich für die Rechte der Palästinenser ein. Diese Bewegung hat weltweit Unterstützer und Kritiker. Befürworter argumentieren, dass die Palästinenser das Recht auf Selbstbestimmung und ein Ende der Besatzung haben. Kritiker hingegen sehen in der Bewegung oft eine einseitige Darstellung des Konflikts und betonen die Sicherheitsbedenken Israels.
Politische und soziale Entwicklung
Die politische Situation in Palästina ist geprägt von tiefen Konflikten, aber auch von starken Bestrebungen nach Frieden und Gerechtigkeit. Die jüngsten Friedensverhandlungen haben gezeigt, dass es trotz aller Schwierigkeiten Hoffnung auf eine Lösung gibt. Die internationale Gemeinschaft spielt eine entscheidende Rolle bei der Unterstützung von Friedensinitiativen und der Förderung des Dialogs zwischen den Konfliktparteien.
Fazit
Die Geschichte des Namens „Palästina“ und seine vielfältigen Bedeutungen spiegeln die Komplexität und die historischen Tiefen dieses geografischen Gebiets wider. Die antiken Bezeichnungen und die moderne Forschung legen nahe, dass „Palästina“ historisch gesehen auf das Gebiet Israel verweist. Diese Interpretation wird durch die Schriften von Herodot und anderen antiken Autoren gestützt, die das Land als ein weites, zusammenhängendes Gebiet beschrieben, das nicht auf den Küstenstreifen der Philister beschränkt war.
In der heutigen Diskussion über die Legitimität der Bezeichnung „Palästina“ für das von Arabern bewohnte Gebiet in Israel und dem Gazastreifen muss diese historische Perspektive berücksichtigt werden. Die Debatte bleibt komplex, doch es ist wichtig, die historischen und linguistischen Wurzeln des Namens „Palästina“ zu verstehen, um die gegenwärtigen politischen Ansprüche und Identitäten besser einordnen zu können. Die „Free Palestine“-Bewegung und die Bemühungen um Frieden und Gerechtigkeit in der Region erfordern ein tiefes Verständnis der Geschichte und der aktuellen politischen Dynamiken. Nur durch einen solchen ganzheitlichen Ansatz kann eine nachhaltige Lösung des Konflikts erreicht werden.
Quellen:
https://de.icej.org/news/commentary/palästina-ist-das-israel
https://de.wikipedia.org/wiki/Römisches_Palästina
https://de.wikiversity.org/wiki/Geschichte_des_Heiligen_Landes/Dschund_Filasṭīn
https://www.deutschlandfunk.de/nahost-palaestina-demos-grundrechte-100.html
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