„Man kann Krieg auch herbeireden“ – Ein Kommentar von Johannes Gerloff

Laut Johannes Gerloff herrscht in der deutschen Öffentlichkeit Panik, und zwar Panik vor einem kurz bevorstehenden israelischen Militärschlag gegen den Iran. In seinem vom Israelnetz veröffentlichten Kommentar meldet der in Jerusalem lebende Journalist an dieser sich entwickelnden „deutschen Hysterie“ bzw. „europäischen Apokalyptik“ große Bedenken an.

Gerloff bezieht sich auf den von ihm nicht genannten, aber sicherlich zugrunde liegenden Artikel „Israels Kalkül für den Krieg“, der am 15.2.2012 auf Spiegel Online erschien. Dessen Autor Markus Becker zufolge verdichteten sich momentan die Signale dafür, dass die Regierung in Jerusalem einen Krieg im Alleingang wagen könnte. Der Spiegel-Autor nennt fünf Gründe, warum Israel alle europäischen Warnungen vor einem solchen Militärschlag gegen den Iran in den Wind schlagen könnte:

1. Die Zeit drängt: Anfang des Jahres sei bekannt geworden, dass Teheran seine Urananlagen unter die Erde verlegt, wo Bomben sie nicht mehr treffen können. Der Iran trete also möglicherweise bald in eine „Zone der Immunität“ ein.

2. Aus Israels Sicht hätten alle nicht-militärischen Maßnahmen versagt, zumal große Staaten wie China und Russland sich nicht an den Sanktionen des Westens beteiligen. Obwohl die iranische Wirtschaftet Schaden genommen hat, gibt sich Präsident Ahmadinedschad weiter unbeeindruckt.

3. Sobald der Iran nuklear bewaffnet sei, stiege die Gefahr eines Atomkriegs im gesamten Nahen Osten, da weitere Staaten sich Bomben zulegen würden. Aufgrund der niedrigen Entfernung zwischen Israel und dem Iran könnten zudem beide schon beim ersten Angriff des Gegners komplett vernichtet werden, da kein Zweitschlag mehr möglich wäre.

4. Eine durch einen israelischen Militärschlag ausgelöste Eskalation käme Israel entgegen, weil es dann einen Grund hätte, den gesamten Iran, nicht nur seine Atomanlagen, anzugreifen.

5. Israel sei zudem durch seine guten Erfahrungen mit dem Überraschungsangriff auf den irakischen Reaktor Osirak von 1981 gestärkt, welcher ohne negative Folgen für Jerusalem blieb.

Aus diesen Gründen, folgert Becker, laute Israels Parole zu einem Angriff auf den Iran derzeit: Jetzt oder nie!

Eine solche Perspektive nennt Gerloff in seinem Kommentar eine „als Anti-Kriegs-Treiberei verbrämte Hetze“ gegen Israel und schreibt: „Die Unterstellung, eine militärische Eskalation läge im Interesse Israels, mag europäischen Klischees über den ‚aggressiven‘ Judenstaat entsprechen, nicht aber der Interessenlage im Nahen Osten.“

Der Journalist erinnert an die inzwischen allseits bekannte Tatsache, dass mögliche Atomwaffen des Iran kein exklusiv israelisches Problem sind. Der Iran bedrohe die Stabilität des Nahen Ostens, aber auch Europas und der gesamten westlichen Welt. Für Israel selbst sei nicht die Atommacht Iran an sich die wirkliche Gefahr, sondern aufgrund der religiösen Komponente des Nahostkonflikts „eine Atombombe in den Händen von Muslimen mit apokalyptischem Sendungsbewusstsein und einer Ideologie, die gewissenlos weltweit Terror verbreitet.“

Zu den fünf Punkten Beckers erwidert Gerloff dreierlei:

Erstens wisse Israel schon seit Jahren, nicht erst sein Anfang des Jahres, von dem iranischen Vorhaben, seine Atomanlagen unter die Erde zu verlegen. Der Iran haben diese Lehre bereits aus dem genannten israelischen Angriff auf das irakische Osirak gezogen.
Zweitens sind sich laut Gerloff Jerusalem und Washington einig, dass Sanktionen immer noch das Gebot der Stunde seien. Zwar entspreche das Androhen von Sanktionen ohne jede militärische Option „dem Kläffen eines zahnlosen Hundes“, doch vertrete Israel seit jeher die Position, dass der Konflikt sich nicht militärisch lösen lasse. Daran habe sich nichts geändert.
Drittens erinnert der deutsche Journalist daran, dass ein Zweitschlag Israels im Falle eine iranischen Angriffs sehr wohl möglich wäre, und deshalb ein Überraschungsangriff nicht vonnöten sei. Er fragt: „Weiß der ‘Spiegel‘-Experte nicht, dass die Bundesrepublik Deutschland Israel genau diese Zweitschlagoption durch die Lieferung einer schlagkräftigen U-Boot-Flotte eröffnet hat?“

Zuletzt geht Gerloff auf die paradoxe Haltung der westlichen Medien ein, die jede kleinste Äußerung von Seiten Israels als Hetze interpretieren, dabei jedoch die viel eindeutigeren Kriegserklärungen des Iran verharmlosen, der nicht aufhört, die Vernichtung Israels zu fordern. Noch vor wenigen Tagen habe beispielsweise Ajatollah Ali Chamenei das „zionistische Regime“ als zu entfernendes „Krebsgeschwür“ bezeichnet. Dies mache deutlich, dass das eigentliche Problem im Nahen Osten nicht in erster Linie eine angriffslustige und „angebliche unkontrollierbare Bulldogge aus Jerusalem“ sei.

Tatsache sei, und damit schließt der Kommentar, dass Israel in jüngster Zeit einen solchen Militärschlag keineswegs angekündigt habe. Ob Deutschland das Bild vom gefährlichen Israel deshalb zeichnet, um wiederum den Iran vor einem Angriff auf Israel zu warnen, könne er nicht sagen. In jedem Fall, darin stimmt Gerloff mit dem erfahrenen amerikanischen Nahostexperten Dennis Ross überein, gebe es keinerlei erkennbaren Grund für die neue deutsche Hysterie.

(jp)

Quelle: http://www.israelnetz.com/themen/hintergruende/artikel-hintergrund/datum/2012/02/16%20/kommentar-wer-vom-krieg-redet/

 

 

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