Israel als gefräßiges Monster: Ein Schelm, wer Böses dabei denkt?
Es hat einen großen Kopf, ein breites Maul mit Raffzähnen und Hörner auf dem Kopf, mit Messer und Gabel in der Hand wartet es gierig und finsteren Blickes auf das gedeckte Tablett, das ihm serviert wird: Ein solches Wesen, besser gesagt „Monster“, bildete die Printausgabe der Süddeutschen Zeitung gestern in ihrer Rubrik „Das politische Buch“ ab. Es ging um Israel. Die Bildunterschrift: „Deutschland serviert. Seit Jahrzehnten wird Israel, teils umsonst, mit Waffen versorgt. Israels Feinde halten das Land für einen gefräßigen Moloch. Peter Beinart beklagt, dass es dazu gekommen ist.“
Das Bild, eine Zeichnung des Cartoonisten Ernst Kahl, diente als Illustration für den Artikel „Der Niedergang des liberalen Zionismus“, in welchem Heiko Flottau zwei jüngst erschienene Publikationen über den jüdischen Staat rezensiert: Die amerikanischen Juden und Israel: Was falsch läuft von Peter Beinart sowie Staatsraison? Wie Deutschland für Israels Sicherheit haftet von Werner Sonnes.
Doch die Doppelrezension und ihr Inhalt an sich sind nicht das Problem. Vielmehr lässt das Bild in Verbindung mit dem Artikel und vor allem der Bildunterschrift solch unmissverständlich antisemitische Assoziationen zu, dass sich so mancher an das visuelle Repertoire des Stürmer, der von Julius Streicher im Dritten Reich herausgegebenen NS-Zeitung, erinnert fühlt. Darunter Henryk M. Broder, der den Vorfall in der Online-Ausgabe der Welt postwendend kommentierte. Für ihn setzt die Süddeutsche da an, wo der Stürmer 1945 aufhören musste, indem sie den hässlich dargestellten, dicken, gefräßigen Juden, der sein Umfeld ohne Rücksicht auf Verluste ausbeutet – damals ein weit verbreitetes Motiv -, einfach durch Israel ersetzt. Dabei weiß Broder sehr wohl, dass Karikaturen, um ihre Wirkung zu entfalten, übertreiben und damit an Sachlichkeit einbüßen müssen. Doch ein solch auffälliges „Remake“ von bereits einmal im Umlauf gewesenen Zeichnungen hält er für völlig deplatziert.
Dazu komme, dass der Zeichner selbst in keiner Hinsicht Israel oder die Juden im Sinn hatte und somit sein harmloses, vor vielen Jahren für die Zeitschrift Der Feinschmecker entworfenes Bild in Kombination mit der Unterschrift für antijüdischen Hetze instrumentalisiert werde. „Ich bin entsetzt“, habe Ernst Kahl erwidert, als er durch Anrufer erfahren hatte, in welchem Kontext seine Zeichnung benutzt worden war. Die Süddeutsche verfüge über einen Fundus seiner Bilder, auf den sie immer wieder zurückgreife, doch hier wendet der Cartoonist ein: „Ich wäre gern vorher gefragt worden. Dann hätte ich mit Sicherheit Nein gesagt.“
Es ist neben der animalischen Darstellung des jüdischen Staates vor allem die erläuternde Bildunterschrift, deren drei Aussagen es in sich haben:
„Deutschland serviert. Seit Jahrzehnten wird Israel, teils umsonst, mit Waffen versorgt.“ Ein Satz, der in Verbindung mit der auf dem Bild dargestellten Hausangestellten, die dem Monster gehorcht, das alte Klischee bedient, nach dem die Juden sich die Welt untertan machen. „Wenn Jerusalem anruft, beugt sich Berlin dessen Willen“. Mit dieser Aussage hatte sich Jakob Augstein von Spiegel Online 2012 einen Platz unter den Top Ten der Antisemiten des Simon Wiesenthal Centers verdient. Die SZ-Redakteurin, die für diesen Beitrag inklusive Bildwahl verantwortlich ist, heißt Franziska Augstein und ist seine Halbschwester.
„Israels Feinde halten das Land für einen gefräßigen Moloch.“ Die ausdrücklichen Feinde Israels sind laut Broder „solche ehrenwerten Sozietäten wie die Hamas, die Hisbollah und die iranischen Mullahs“. Den judenfeindlichen Ansichten dieser zum Teil terroristisch agierenden Organisationen wird allein durch diesen Satz Raum gegeben und ihrer Meinung durch das gewählte Bild Ausdruck verliehen. Damit, so ist auf einem Blog zu lesen, suggeriere die Süddeutsche, „dass Israels Feinde Recht haben (eine andere Deutung scheidet hier schlichtweg aus, weil auch der Artikel selbst sie bestätigt)“ und reihe sich „dezidiert in die Phalanx dieser Feinde“ ein. Dabei war es die Süddeutsche, die sich dagegen entschieden hatte, auch nur eine der Mohammed-Karikaturen des dänischen Zeichners Kurt Westergaard abzudrucken, die wochenlang in den Medien waren – aus Angst vor Islamisten. Deshalb zeugt die Entscheidung der SZ in Broders Augen nicht nur von einem nun ans Licht gekommenen niederträchtigem Antisemitismus, sondern auch von Feigheit. Denn die Zeitung wisse, dass von den Juden keine gewaltsame Reaktion oder gar terroristische Anschläge zu erwarten sind.
„Peter Beinart beklagt, dass es dazu gekommen ist.“ Mit diesem Satz aus der Bildunterschrift wird zwar eigentlich nur die Meinung eines der rezensierten Bücher wiedergegeben. Doch besagter Autor kritisiert nicht die Feinde, was nicht anderes schließen lässt, als dass Israel selbst Schuld ist, dass es so weit gekommen ist, ja für die Ressentiments gegenüber Juden selbst verantwortlich sei. Hierbei handelt es sich wiederum um einen alten antisemitischen Mythos, der unterschwellig wieder hervorgekramt wird.
Auch Dieter Graumann, der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, findet klare Worte, wenngleich er auch die SZ nicht sofort des Antisemitismus bezichtigt und sich im Gegensatz zu Broder, für den der der Antisemitismus „zum europäischen Kulturerbe wie das Oktoberfest zu Bayern“ gehört, darüber vor allem erstaunt gibt: „Ich bin absolut schockiert, dass in einer so renommierten und seriösen Zeitung wie der SZ offenbar derart fahrlässig mit Ressentiments gespielt wird. Es wundert mich sehr, wie es möglich ist, dass antisemitische Assoziationen hier so leichtfertig zugelassen werden.“
Der Autor selbst kann wohl für die Bildwahl wenig, und die zuständige Redakteurin, Franziska Augstein, ist sich keiner Schuld bewusst. In einer Stellungnahme auf der Internetseite der Süddeutschen Zeitung schrieb sie nach der entbrannten Diskussion bereits am Nachmittag: „Ernst Kahls gehörntes, hungriges Monster hat mit den antisemitischen Klischees nichts zu tun.“ Man müsse das Bild in Verbindung mit seiner Unterschrift sehen. Dass gerade diese das Problem darstellt, scheint Augstein nicht zu sehen. „Nachdem das Bild aber zur Missverständnissen geführt hat“, räumt die Redakteurin immerhin ein, „wäre es besser gewesen, ein anderes zu wählen.“
Ja, das wäre es allerdings.
(jp)
Quellen:
http://www.welt.de/kultur/article117655895/Die-Sueddeutsche-macht-es-wie-der-Stuermer.html
http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/16410
http://www.sueddeutsche.de/politik/bebilderung-der-seite-das-politische-buch-ist-ein-gehoerntes-gieriges-monster-antisemitisch-1.1710600
http://lizaswelt.net/2013/07/03/das-arschgeweih-des-feuilletons/
http://www.spiegel.de/politik/ausland/u-boote-fuer-israel-wie-deutschland-die-sicherheit-in-nahost-gefaehrdet-a-836816.html
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