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Gesetzesentwurf: Beschneidung bleibt straffrei – mit Auflagen

„Gelassen beschneiden“, titelte Die Welt heute morgen und deutet damit auf die – aus der Perspektive der betroffenen religiösen Gruppen – positive Richtung des jüngsten Gesetzesentwurfs des deutschen Justizministeriums hin. Dem Eckpunktepapier von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) zufolge soll die nach dem Urteil vom Landgericht Köln (Mai 2012) so heiß diskutierte religiöse Beschneidung nun straffrei bleiben.

Zwar handele es sich bei der Entfernung der männlichen Vorhaut weiterhin um Körperverletzung, doch gilt dies auch für von Kinderärzten durchgeführte Impfungen und Blutabnahmen und so bleiben solche Eingriffe weiterhin im Rahmen der elterlichen Fürsorge für ihr Kind ohne strafrechtliche Konsequenzen. Dementsprechend wird keine Beschneidungsregelung im Strafgesetzbuch erscheinen, sondern lediglich ein entsprechender Paragraph zum Kindschaftsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches hinzugefügt werden, der keine Schadensersatzpflicht nach sich ziehen kann.

Das ist für die betroffenen Religionsgemeinschaften zunächst eine erleichternde Nachricht. Allerdings wird, was zu erwarten und auch zu erhoffen war, die Beschneidung von männlichen Säuglingen und Kleinkindern an Bedingungen gehaftet sein: Sie sei nach „allen Regeln der ärztlichen Kunst“ vorzunehmen, das heißt, sie darf nicht durchgeführt werden, wenn dabei aus medizinischen Gründen das Kindeswohl gefährdet ist, muss in den ersten sechs Lebensmonaten des Jungen geschehen und impliziert eine Aufklärungspflicht bezüglich des Eingriffs, seiner Folgen und Risiken – was jedoch bereits heute geltende Rechtslage ist. Des weiteren sei die Zirkumzision fachgerecht, schonend und möglichst schmerzfrei vorzunehmen, wobei hier Einzelheiten noch zu klären sind.

Positiv aufgenommen wurde weiterhin das Vorhaben, die Straffreiheit nicht von den Motiven der Eltern abhängig zu machen, was auf gut Deutsch heißt, dass die religiösen Gründe für die Beschneidung nicht nachgewiesen werden müssen. Dies wäre insofern eine Sache der Unmöglichkeit gewesen, als es weder im Judentum noch im Islam ein geregeltes Mitgliedschaftssystem gibt und teilweise auch innerhalb der Religionsgemeinschaften umstritten ist, wer dazugehört und wer nicht.

Den Juden kommt diese Regelung weitestgehend entgegen, ist doch die Beschneidung als das Zugehörigkeitssymbol zu Gottes Volk am 8. Tag nach der Geburt vorzunehmen.

Bei den Muslimen ist dies anders, Kinder können dort noch bis zum 13. Lebensjahr beschnitten werden – meist geschieht die mit einem großen Fest verbundene Beschneidung jedoch im frühen Kindesalter. Und so begrüßte zwar Nurhan Soykan, die Generalsekretärin des Zentralrats der Muslime, die vorgesehene Straffreiheit für die Beschneidung, bemängelte aber unter dem Aspekt der Gleichbehandlung die Altersregelung.

Der jüdischen Bevölkerung kommt zudem entgegen, dass in den ersten sechs Monaten die Beschneidung durch den Mohel legal bleiben soll, wenn diese Fachmänner religiösen „dafür besonders ausgebildet sind und, ohne Arzt zu sein, für die Durchführung der Beschneidung vergleichbar befähigt sind“.

Der Gesetzesentwurf ist somit in zweierlei Hinsicht eine Anerkennung der hoch zu haltenden Religionsfreiheit in Deutschland: So darf der Glauben der Eltern sowie deren Inhalt und Intensität nicht geprüft werden und werden jahrtausendealte religiöse Traditionen, die grundlegend sind für die jüdische wie muslimische Identität nicht „mal eben so“ verboten und in einen rechtlichen Rahmen eingebettet, der nicht zuletzt die betroffenen Kinder und ihre Gesundheit schützt.

Lesen Sie hier mehr:

http://www.welt.de/print/welt_kompakt/debatte/article109490740/Gelassen-beschneiden.html
http://www.focus.de/politik/deutschland/leutheusser-schnarrenberger-legt-gesetzesentwurf-vor-beschneidung-bleibt-koerperverletzung-und-straffrei_aid_826688.html
http://www.morgenpost.de/printarchiv/politik/article109491233/Wie-religioese-Beschneidung-straffrei-bleiben-soll.html

(jp)

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