Undiplomatische Diplomatie

Für Diplomaten ist es in der Regel eher ungewöhnlich, in dieser Funktion ein eindeutig gefärbtes Meinungsbild auf Social Media Kanälen abzugeben. Tobias Tunkel ist derzeitiger Abteilungsleiter der Region Naher Osten und Nordafrika im Auswärtigen Amt. Als solcher fühlte er sich anscheinend verpflichtet, Israel öffentlich in einer historisch und politisch durchaus diskutierten Sachlage zu kritisieren: „Wir lehnen die Entscheidung ab, es israelischen Staatsbürgern zu erlauben, sich dauerhaft in Homesh niederzulassen. Siedlungen sind nach internationalem Recht illegal und bedrohen die Durchführbarkeit der Zwei-Staaten-Lösung und die Bemühungen, Spannungen abzubauen. Die Verlegung des Außenpostens um ein paar Meter ändert nichts an diesen Tatsachen.“ (Übersetzung aus dem Englischen nach Jüdische Allgemeine) Die Frage nach den Themen „Besatzung“ und „Siedlung“ ist eine von Experten lang diskutierte und nicht eindeutig gelöste. Umso überraschender ist es, dass Tunkel diese sehr offene, einseitig gewichtende politische Stellungnahme auf Twitter gegenüber einem Staat formulierte, mit dem Deutschland historisch in besonderer Weise verbunden ist und heute politisch gesehen freundschaftliche Kontakte pflegt. Direkt im Anschluss rügte er in einem weiteren Tweet die zunehmende Gewalt von israelischen Siedlern gegen Palästinenser. In gewohnter Diplomatenmanier wurde hier noch eine im Grunde ungerechtfertigte und unsachliche pauschale Formulierung angefügt, wenn auch erwähnt wurde, dass man aber jede Art von extremistischer Gewalt verurteile. Unter dem Tweet fanden sich zahlreiche Kommentare, in denen jüdische Menschen sich über diese Art deutscher Diplomatie echauffierten und sie diese undiplomatische Einmischung ablehnten, da Deutsche nicht dazu aufgerufen seien, Israelis vorzuschreiben, wie und wo sie zu leben hätten.

Doch der wirkliche diplomatische Fauxpas, den Tunkel sich erlaubte, scheint ihm erst nach seinen Tweets klar geworden zu sein: Kurz vorher war nämlich ein israelischer Siedler (ein junger Familienvater) von palästinensischen Terroristen in seinem Auto niedergeschossen worden. Nach seinen Tweets, in denen er ein anderes Bild gezeichnet hatte, blieb dem deutschen Diplomaten nun also nur noch übrig, einen weiteren Tweet hinterherzuschicken, in dem er eine Verurteilung dieses „Angriffs“ auf einen israelischen Bürger verurteilte. Doch konnte er nicht davon ablassen, die West Bank als von Israel „besetzt“ zu deklarieren, sodass in seiner Bekundung eine politisch unqualifizierte einseitige Parteinahme nicht wegzureden ist.

Die israelische Botschaft in Berlin ließ es sich nicht nehmen, auf Tunkels Worte zu reagieren: „Warum wird ein Terroranschlag gegen einen israelischen Fahrer nicht als solcher definiert??? Und wenn man dies in den Kontext des vorherigen Tweet stellt, könnte man es so verstehen, als würde man diesen Terroranschlag rechtfertigen oder einen linkage [sic] mit der israelischen Politik herstellen. Das ist nicht das, was wir von Freunden erwarten.“ Wenn diplomatische Vertreter eines Landes undiplomatisch ein befreundetes Land auf Social Media Kanälen verurteilen, zieht das nun mal diplomatische Reaktionen nach sich. Die pikierte Antwort des israelischen Botschaft ist verständlich und voll berechtigt.

 

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