Harald Eckert: Deutschland auf dem Weg in das „Tal der Entscheidung“

Deutschland auf dem Weg in das „Tal der Entscheidung“

Harald Eckert

9. November 2013

In seinem Schlussvortrag greift Harald Eckert, Vorsitzender von „Christen an der Seite Israels e.V.“, das viel bewegte Thema der aktuellen Situation Deutschlands und der sich daraus ergebenden Verantwortung auf. Deutschland sei auf dem Weg in das „Tal der Entscheidung“ – was Eckert damit meint, ist zwar nach den vorherigen Vorträgen recht einfach zu schlussfolgern, macht er selbst aber durch eine ausführliche Vorrede deutlich:

Nach Lektüre der Endzeitworte Jesu vom Weltgericht (Mt 25,31ff.) folgt ein – sehr simplifizierter – geschichtlicher Abriss. Wie für viele andere Redner des Kongresses ist für Eckert die von Augustinus so extrem vertretene Ersatztheologie das Anfang vom Ende: Wegen ihr wurde die katholische Kirche zu einer Diktatur und Ideologie, die mit Gewalt das Paradies auf Erden durchsetzen wollte. Auch die Kreuzritter wären ohne diese Theologie nicht denkbar gewesen. Zu einfach darf man sich die geschichtliche Analyse allerdings nicht machen. Doch für Eckert ist klar: Weil auch Luther Augustinermönch war und letztlich die Kirche nicht nur zum Neuen Testament, sondern auch zu Augustinus hin reformiert habe, stand am Ende der Reformation der 30-jährige Krieg. Dieser wiederum habe die pietistischen Erweckungen des 17. Jahrhunderts hervorgebracht, die aufgrund ihrer Betonung der individuellen Erlösungsbedürfigkeit den Blick für das große Ganze verloren – so auch das Schicksal ganzer Völker (wie Deutschlands).

Es ist also laut Eckert auch das Erbe Martin Luthers, der mit Röm 11,25ff. zu kämpfen hatte, dass die Vorstellung der kollektiven Erlösung in der evangelikalen Welt immer noch ein Stolperstein ist. Dabei seien die Individualgeschichte (beschrieben in Römer 1-8) und die Heilsgeschichte (Römer 9-11) mit Israel im Zentrum nur zwei Seiten einer Medaille, das heißt, des Evangeliums. Eckert möchte also den Blick seines Publikums für das Schicksal ganzer Völker – vor allem seines eigenen – neu schärfen. Deshalb hat für ihn Mt 25,31ff. besondere Bedeutung, werde doch hier die Erlösung der Völker (und nicht der Individuen) thematisiert.

Dies passt für ihn in den roten Faden der Bibel: Gott habe bereits im Alten Testament deutlich gemacht, dass er Völker als ganze segnen will (vgl. Gen 12). Es wird deutlich, dass Eckert das „in dir sollen gesegnet werden alle Völker“ nicht auf die Menschen in den Völkern, sondern die Völker als ganze bezieht. Das Neue Testament weise hier Kontinuität auf, so spreche noch das letzte Buch der Bibel von der „Heilung der Völker“ (Offb 22,2). Ob dieser Vers genügt, um zu begründen, dass Gott ganze Volksgruppen richtet und damit erlöst bzw. verdammt, ist zu hinterfragen.

Weil nun aber das Neue Testament doch wenig zu dieser Thematik enthält, müssten wir uns eher mit dem Alten Testament behelfen, so Eckert. Eine seltsame Aussage nach der vorangegangenen These der Kontinuität. Als Bekräftigung seiner These der kollektiven Erlösung bzw. Verwerfung dient Eckert nun Joel 4, aus dem auch der Begriff des „Tals der Entscheidung“ stammt: „Es werden Scharen über Scharen von Menschen sein im Tal der Entscheidung; denn des Herrn Tag ist nahe im Tal der Entscheidung. Sonne und Mond werden sich verfinstern, und die Sterne halten ihren Schein zurück.“ (Joel 4,14f.) Die Erfüllung dieser prophetischen Darstellung, die das Strafgericht über die Heiden beschreibt, sieht Eckert in naher Zukunft erfüllt. Bei der in diesem Kapitel beschriebenen Verfinsterung der Himmelskörper handele es sich um die für 2014/2015 von Naturwissenschaftlern vorausgesagte Sonnen- und Mondfinsternis. (Meint er die für den 20. März 2015 angesagte (partielle) Sonnenfinsternis und die für den 28. September 2015 angekündigte Mondfinsternis, die von Deutschland aus zu sehen sein werden? Die nächste totale Sonnenfinsternis ist für 2081 angekündigt.) In der Konsequenz hieße dies, dass das Ende der Welt für dieses bis nächstes Jahr bevorstünde – denn nichts anderes als dieses wird in Joel 4 mit dem Begriff „Tag des Herrn“ beschrieben.

Für den Redner passt das zu Mt 25,31ff. Wie sich in Joel 4 das Schicksal der Völker daran entscheidet, wie es mit Israel umgegangen ist, komme es Jesus darauf an, wie seine „geringsten Brüder“ (für Eckert die Juden) behandelt wurden. Diese Auslegung ist allerdings nur eine von vielen – andere gehen davon aus, dass die geringsten Brüder die Jünger (die Christen) sind.

Eckert fragt das Publikum provokativ und als läge es in ihrer Hand: „Wo wird Deutschland sein, wenn die Schafe von den Böcken unterschieden werden?“ Im Tal der Entscheidung stehe unser Volk zwischen zwei Möglichkeiten: Entweder leben die Mächte des Antisemitismus wieder auf oder aber die Mächte der Versöhnung und Erlösung setzen sich durch. Diese Entscheidung werde spätestens dann fällig, wenn die UN militärisch aktiv wird, um über den Status von Jerusalem zu urteilen. Wo wird Deutschland dann stehen? Werden wir unsere zweite Chance nutzen?

Für Eckert sind dabei – wie er es selbst formuliert – „die Gläubigen als Deutschland der entscheidende Faktor“ und hauptverantwortlich dafür, was in der Politik passieren wird. Damit legt er den Kongressteilnehmern eine große Last auf, die sie wohl kaum zu tragen imstande sind.

Benjamin Berger

Als er zum Ende kommt und die Zeit schon weit überzogen ist, meldet sich Benjamin Berger mit einem prophetischen Eindruck zu Wort: Er ist überzeugt, dass Gott während dieses Kongresses viel Offenbarung geschenkt hat, auf die wir nun reagieren müssen. Wir sollten unsere Hermeneutik korrigieren lassen – auch wenn es uns nicht gefällt, denn das Alte und das Neue Testament seien nicht voneinander unterschieden. Für Berger ist es eine Frage von „Leben und Tod“, ob Deutschland seine Gnadenzeit nutzt oder verpasst. Deshalb lädt er ein, als Christen den priesterlichen Dienst (siehe sein Vortrag) vermehrt wahrzunehmen und zu beten – davon hänge ab, ob Deutschland errettet wird. Doch nicht nur das: Auch die Rettung der Juden hänge von uns ab. Benjamin Berger sagt: „Gott hat einen Plan: Er will das jüdische Volk erretten. Aber bei der Erfüllung kommt es darauf an, ob Deutschland mitmacht oder nicht.“

Mit dieser Verantwortung für die Erlösung des gesamten deutschen wie des jüdischen Volkes werden die Kongressteilnehmer – nach Empfang des Segens – nach Hause geschickt.

Interview mit Harald Eckert

Lieber Herr Eckert,

Sie haben anhand von Stellen wie Gen 12,3; Röm 9-11 und Offb 22,1-2 die große Bedeutung von Kollektivität in der Bibel betont und dass Gott ganze Völker segnen will. Was impliziert dieser Segen für Sie und wie unterscheidet er sich vom Heil? Meint Gott mit „alle Völker/Geschlechter“ nicht eher „alle Menschen“ aus den Völkern als die Völker als ganze?

Ich glaube tatsächlich, dass die Erlösungsabsichten und –Dimensionen Gottes biblisch mehrere Ebenen aufweist: Eine persönliche, eine familiäre, sowie die Ebene von Städten/Regionen und auch Völker und Nationen. Das AT handelt mehr von Gottes Heilsgeschichte auf kollektiver Ebene, das NT mehr auf individueller Ebene. Aber beides ist bis heute relevant. Beispielsweise im Römerbrief geht es m.E. in Röm. 1-8 primär um das persönliche Heil, Römer 9-11 mündet, jedenfalls, was Israel betrifft, in die Ebene des kollektiven Heils. Was Segen und Fluch betrifft, ist 5. Mose 28 sehr aufschlussreich, was Israel betrifft – gemessen an ihrem Verhalten gegenüber der Thora. Was die Völker betrifft gilt zumindest im AT eine vergleichbare Gesetzmäßigkeit, nach 1. Mose 12,3 aber mit Israel als dem entscheidenden Maßstab. Ich sehe keinen biblischen Grund, warum sich das im NT geändert haben soll, im Gegenteil.

Wie ordnen Sie Mt 24,40 ein, wenn das Volk Israel als ganzes gerettet werden soll? Sind hier nur Individuen aus den Nationen gemeint, die „angenommen“ oder preisgegeben“ werden?

Mein Verständnis ist, dass „ganz Israel“ nicht automatisch heißt, alle Personen aus Israel. Aber eben Israel in kollektiver Dimension und Größenordnung, so dass die Heilsgeschichte Israels in Kontinuität von Abraham bis Offb 21,12 immer auch eine kollektive Dimension hatte und haben wird. Auf der individuellen Ebene bleibt diese Ebene von persönlicher Rettung und individueller Entrückung uneingeschränkt wirksam.

Für Sie stellen die „geringsten Brüder“ aus Mt 25,31ff. die leiblichen Brüder Jesu, also die Juden, dar und am Umgang mit ihnen entscheidet sich, wer Gottes Reich erbt. Wie verhält sich dies zu Texten wie Mt 12,48ff., in denen Jesus explizit die, die ihm nachfolgen, als seine Brüder bezeichnet?

Beides ist in unterschiedlicher Weise relevant. Die Rede über Johannes den Täufer um Matt. 11,11 herum gibt dazu wichtige Hinweise. Johannes der Täufer wird als der Größte nach dem AT-Kontext bezeichnet, der kleinste unter NT Ägide ist jedoch größer als Johannes. Das Gottesvolk aus dem NT hat einen anderen Status als das Gottesvolk aus dem AT. Aber auf der Basis von 1. Mose 12,3, Joel 4,3, etc. ist das Verhalten der Völker gegenüber dem AT Gottesvolk für die Völkerwelt immer noch ein Kriterium für Gericht.

Das „Tal der Entscheidung“ ist ein Zitat aus Joel 4, das im Kontext des göttlichen Gerichts über die Heiden steht. Die dort beschriebene Verfinsterung von Sonne und Mond bringen Sie mit der für 2014/15 angekündigten Sonnen- und Mondfinsternis in Zusammenhang. Jesus verbindet in seinen eschatologischen Reden diese Zeichen mit seiner Wiederkunft, bei der außerdem Sterne vom Himmel fallen und die himmlischen Kräfte ins Wanken kommen werden (Mt 24,29f.). Werden diese Zeichen für 2014/15 ebenfalls erwartet und steht somit Jesu Wiederkunft kurz bevor?

So möchte ich dies nicht verstanden wissen. Ich glaube, dass diese Zeichen von Bedeutung sind. Aber nicht in letzter Endgültigkeit. Eher im Sinne einer endzeitlichen Eskalationsstufe, der noch weitere folgen werden – im Sinne der „Wehen“ von denen Jesus in Matth. 24 spricht.

Wir sind Ihnen zufolge auf dem Weg in das „Tal der Entscheidung“, aus dem entweder die Mächte des Antisemitismus oder die der Versöhnung und Erlösung als Gewinner hervorgehen werden. Die Gläubigen aus Deutschland sind Ihrer Ansicht nach der „entscheidende Faktor“ dafür, wie die Entscheidung ausfällt. Warum?

Weil wir von Gott eine besondere, eine einzigartige Aufgabe zugewiesen bekommen, als ein priesterliches Volk (1. Pet. 2,9), als „Salz und Licht“ und eine „Stadt auf dem Berge“, als eine betende Gemeinschaft, als eine vor Gott und Menschen verantwortungsbewusste Gemeinschaft. Wie Mose im Gebet für Sodom und Gomorrah. Wie die Urgemeinde im Gebet für die Obrigkeit (1. Tim. 2,1ff). Wir sind nicht der einzig relevante Faktor. Jeder hat seine Verantwortung. Aber geistlich sehe ich uns tatsächlich in der gegenwärtigen Konstellation der deutsch-israelischen Beziehungen als ein maßgebliches „Zünglein an der Waage“.

Herzlichen Dank für das Interview!

 
 

(jp)

 
 
 
Fotos:
 
Augustin: wikimedia; Weltgericht: Axel Huber: Das Millstätter Fastentuch@wikimedia (PD-old-70); Sonnenfinsternis: Michael Zapf@wikimedia; Eckert: © 2013 Gemeinde und Israel; Berger: privat
 
 
 
 
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