Die 20. und letzte Sächsische Israelkonferenz Glauchau, den 20.-22.05.2016 – ein Rückblick

Nach einer feierlichen Einleitung des Erev-Schabbat von Johannes Gerloff am Freitagabend wurde der Samstag von ihm mit einer Bibelauslegung über Psalm 2, dem Motto der Israelkonferenz „Warum toben die Heiden“ begonnen. Gerloff betonte dabei, dass Bibelarbeit harte Arbeit sei, dass man nie genug studieren kann, um herauszustellen, was man generell und für jeden Tag damit betonen will. In der Bibellektüre befinden wir uns im Gespräch mit Gott.

Zunächst fragte er, ob man bei dem Wort „Heide“ nur an Menschen aus polytheistischen Religionen denkt oder ob der deutsche Christ zum Beispiel nicht auch gemeint sein könnte. Jedenfalls meint es aus biblischer Sicht zunächst einmal jeden Nichtjuden. Psalm 2 könne in mehreren Ebenen angewendet werden, wobei nach rabbinischer Auslegung die 1. Ebene die Handlung auf die Geschichte von David in den Philisterkriegen beziehe. Die 2. Ebene liege in Apostelgeschichte 4, in der der Aufruhr der Heiden auf die Verschwörung zwischen Pilatus und Herodes deute, während die Gemeinde Jesus, dem Messias, in heiliger Ergriffenheit und Ehrfurcht zujubeln solle. Die 3. Ebene umschreibe das Tobens der Völker gegen Israel, das Volk Gottes, und die 4. Ebene reflektiere die persönliche Ebene des Gläubigen, des Christen, auch hinsichtlich dessen, was „Gesalbter“ bedeute, der von Feinden bedrängt wird und der einmal nach Offenbarung 2,26ff., wie auch nach Psalm 2, wie Tongefäße behandelt werde. Diese verschiedenen Auslegungen in demselben Heiligen Geist seien wie die verschiedenen Seiten einer Münze. (Eine Anfrage wäre hier ob es sich um eine Wiedergeburt des vierfachen Schriftsinns handelt)

OlivenbaumAls Journalist möchte Johannes Gerloff nun einen besonderen Bezug von Psalm 2 zur heutigen globalen Unruhe hervorheben. In Syrien seien in den letzten Jahren mehr Menschen getötet worden als in allen Konflikten des Staates Israel seit 1948 zusammen, und Brasilien habe in den letzten Jahren unbeachtet mehr als eine halbe Million Ureinwohner ermordet. Die durch Islamisten verursachte Unruhe komme nun auch zu uns nach Mitteleuropa, und die UNO, wie auch die meisten Nationen der Welt hätten ungeachtet dessen dennoch nicht Besseres im Sinn, als gegen Gott und seinen Gesalbten Israel zu toben.

In der Bibel gebe es viele Gesalbte, Könige und Priester Israels, und der Gesalbte oder Messias wäre der „besonders Gesalbte“ für die Gläubigen, eben der Christus Jesus. Zugleich trage das Volk Israel ebenfalls diese Funktion eines von Gott Gesalbten. Der Aufruhr gegen den Herrn und seinen Gesalbten richte sich – so Gerloff – gegen die Tora, gegen die Bibel, besonders aber gegen diejenigen, die sie umsetzen, wie der Aufruf im Psalm 2 es anzudeuten vermag: Lasst uns ihre Stricke und Fesseln von uns reißen! Gottes Ordnungen für die Menschen- und Tierwelt, bei Geschlechterrollen, der praktizierten Sexualität und im Umgang mit Alten – das alles werde rebellierend, respektlos und unverschämt angegriffen. Gott, der Vater im Himmel, lache jedoch über dieses Ansinnen, weil er alles fest in der Hand behält, und ein Gläubiger dürfe wie ein Kind sein, das beim Autofahren seines Vaters nur darauf achtet, ob er alles im Griff habe. Deshalb hätten Christen keinen Grund angesichts der Flüchtlingsströme Angst zu haben, Gott selbst habe beim Turmbau zu Babel absichtlich das „Multikulti“ initiiert – als Reaktion Gottes, um den Hochmut der Menschen zu demütigen. Bundeskanzlerin Merkel habe daher im Grunde recht mit ihrem Handeln angesichts der hierher kommenden Flüchtlinge, weil Gott wolle, dass alle Menschen zur Erkenntnis der Wahrheit finden, wo es doch statistisch in der arabischen Welt weniger Missionare als in Alaska gebe.

Wenn Gott auf die Rebellion der Völker mit Zorn antworten werde, dann werde er in Zion, das heißt im genannten politischen Kontext Jerusalems, Israels Parlament, sich zu seinem ‚ersten Sohn‘, hier Israel, bekennen. Die Herrschaft Israels gehe aber in Psalm 2 in erster Linie bis zu den Enden des Landes und nicht der Welt, denn Israel wolle gar keine Weltherrschaft, habe aber den Auftrag zu einer politischen Leitungsaufgabe in der Welt zu der man es ermutigen sollte, wie man Eltern ermutige, die Familie zu führen.

sunset-953203_1280Gott selbst komme aber als Weltenrichter wieder, und sein Wiederkommen werde bewirken, dass alle Knie sich vor ihm beugen. Israel ist wie im Buch Josua Werkzeug des Weltgerichts, müsse aber dafür auch selbst eine Läuterung durchmachen. Korruption und Übergriffe an Palästinensern dürften nicht in falscher Parteilichkeit für Israel gutgeheißen werden, denn das Gericht müsse im Haus Gottes anfangen. Deshalb kämen diese Dinge an die Öffentlichkeit und würden abgestraft; Psalm 2 gebiete trotzdem eine Liebe zu dem Sohn Israel, egal, ob er diese Liebe verdiene oder nicht.

Gerloff fragte zum Schluss, wie man diese Zeit einigermaßen zufrieden und glücklich überstehen könne. Das Ende des 2. Psalms hat dieselbe Formulierung wie in Psalm 1, die in rabbinischer Auslegung als ein Psalm angesehen werden. Das bedeutet: Psalm 1 und 2 preisen im Grunde denjenigen glücklich, der in dieser Welt auf Gott ausgerichtet bleibe, eine Ausrichtung, die Eltern ihren Kindern mitgeben sollten. Um nicht als Spötter oder Sünder, der sein Ziel verfehlt, zu enden, sei der erste Schritt zum Gelingen eines solchen Lebens, dass man lerne, „Nein!“ zu sagen, „Nein!“ zu allem, was nicht auf das biblische Ziel ausgerichtet sei, und stattdessen eine Liebe zum Wort, zur Unterweisung der Tora erstrebe, die helfe, das Leben präziser auf das Ziel auszurichten. Luthers negatives Gesetzesverständnis sei falsch, denn die Tora gebe wie bei Pfeil und Bogen eine Ausrichtung auf das Ziel hin, zum Maschiach (Gesalbten, Messias) Jesus, und deshalb sei auch das Judentum als Gnadenreligion zu identifizieren.

Es gäbe heute aber viele andere Toras, andere Zielsetzungen und Unterweisungen, wie die des Zeitgeistes oder der „political correctness“, oder das Denken: „Die Bibel sei nicht das Wort Gottes, sie enthalte es nur!“ – ein Denken, das Ursprung des Chaos sei, weil es Gott selbst einem Prinzip unterordne.

Gläubige aber stünden gemeinsam unter Gottes Wort, hätten Gefallen an der Tora, und träfen eine Entscheidung zu einem erarbeitenden Lebensstil. Sie sollten mit ihren Kindern das Wort Gottes lernen und eine Kultur des Wortes Gottes als Alternative zur heutigen medialen Kultur schaffen, so dass Menschen als wandelnde Tora, durchtränkt mit dem Wort, auf das richtige Ziel ausrichtet leben. Auf diese Weise erfülle man das, was wertvoll sei, und habe Erfolg in Ehe und Arbeit – sofern man das Geforderte praktisch umsetze!

wheat-field-640960_1280Gottlose demgegenüber würden hin und hergetrieben wie Spreu im Wind. Der Gläubige aber solle fest bleiben, korrigierbar, nicht labil, und wo nötig müsse er auch anderen das Gericht Gottes predigen. Der Herr kenne den Weg der Gerechten, derjenigen also, die mit der Tora als Lebensstil gezielt auf den Himmel zugingen. Man könne währenddessen die Bibelinhalte auf kreative Weise weitergeben, mit Mitteln wie dem Internet oder durch WhatsApp-Messages, egal wie, aber man solle sich Zeit für Gott nehmen. Denn selbst im Beruf müsse man seine Aufgaben und Ziele an Gott ausrichten, um sich von ihnen nicht knechten zu lassen oder seine Prioritäten zu verlieren. Für Israel sei es ebenso wichtig, in Beziehung zu IHM Zeugnis, Mauer und Wort Gottes zu sein und dementsprechend zu leben.

Ein paar abschließende Bemerkungen zur Bibelarbeit insgesamt: Der Vortrag hatte viele wichtige und gute Anregungen, insbesondere im Hinblick auf die hohe Bedeutung der Bibel als Orientierung im Alltagsleben, dass Gerloff ermutigte, sie viel intensiver zu gebrauchen als dies in den meisten christlichen Familien der Fall sei. Es ist wichtig, die Schrift als Wort Gottes an uns persönlich gerichtet wiederzuentdecken und sich von ihr im Denken und Verhalten prägen zu lassen und zugleich sich von fragwürdigen, anderen Prägungen zu distanzieren. Auch das positive Verhältnis zum nationalen Israel und zum Volk der Juden, das bei Christen immer überwiegen sollte, selbst dann, wenn berechtigte Kritik angebracht sein kann, ist ein wohltuendes Gegengewicht zu einem rein kritischen und negativen Verhalten, das in den Medien viel zu oft im Mittelpunkt stehe.

In Bezug auf die Auslegungsmodelle, die Gerloff anwendete, sollte man allerdings den mehrfachen Schriftsinn, ob er nun rabbinisch zu verstehen ist oder vielleicht aus dem sogenannten klassischen Modell des vierfachen Schriftsinns entlehnt wurde, mit etwas Vorsicht umgehen, da er in der christlichen Theologie nicht unproblematisch und berechtigt nicht unumstritten ist. Auch die Kritik an Martin Luthers Umgang mit dem Gesetz sollte man biblisch etwas genauer untersuchen, weil Luther nach Vorgabe der paulinischen Theologie des Neuen Testaments nicht nur auf einen falschen Umgang mit der Tora reagiert, sondern auch konkret das Gesetz des Mose selbst (Tora, Pentateuch) für den christlichen Gebrauch begrenzt. Beispiele dafür finden sich in Römer 7,1-6 oder in 2. Korinther 3, um nur einige zu nennen. Über einige Gegenwartsbezüge in der Auslegung von Psalm 2 kann man geteilter Meinung sein, ob sie wirklich sachlich angemessen gewesen sind. Dennoch bleibt festzuhalten, dass das biblische Zeugnis von Gerloff in den Mittelpunkt gerückt wurde, und ein moderater, vernünftiger Umgang von Christen mit dem nationalen Israel und dem Judentum ans Herz der Zuhörer gelegt wurde, was seine Bibelarbeit sehr wertvoll erscheinen lässt.

jerusalem-1314895_640Die Sächsische Israelkonferenz in Glauchau vom 20.-22.05.2016 war die letzte Konferenz ihrer Art, in der sie seit 20 Jahren bestanden hat. Nun aber ist es ein verstärktes Anliegen der Sächsischen Israelfreunde, in dieser Zeit der gesellschaftlichen Veränderung wieder etwas mehr in verschiedene Gemeinden Deutschlands vor Ort hineinzukommen um dort israelspezifische Vorträge zu halten und für mehr Engagement für Israel zu werben. Als Beauftragte zur Umsetzung dieses Anliegens sind die jungen Vorsitzenden des CFFI (Christliches Forum für Israel) vorgestellt worden: Tobias Krämer, Theresia Ebert, Benjamin Schnabel und Franziska Tofaute. In diesem Zusammenhang wurde auf die geplante gesamtdeutsche Israelkonferenz für 2018 in Berlin hingewiesen.

Den Abschluss der letzten Israelkonferenz bildete eine kurze Podiumsdiskussion, in der Rogel Rachmann als Sprecher der Israelischen Botschaft zur gegenwärtigen Flüchtlingssituation ein interessantes Statement gab, das hier zum Schluss im Rückblick auf die Sächsische Israelkonferenz wiedergegeben werden soll: „Nehmt die Flüchtlinge in Deutschland auf, und gebt ihnen dabei Folgendes mit: Antisemitismus gehört nicht zu Europa!“

(cl)

Bilder:

sg/privat

pixabay.com (gemeinfrei)

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