Weihnukka

Im Dezember 2003 lief in den USA die 13. Folge der Fernsehserie „O.C., Calfornia“. In dieser bemerkenswerten Episode stellt einer der Hauptdarsteller, Seth Cohen (Adam Brody) seiner Familie ein neues Fest vor, das er „Chrismukkah“ – in der deutschen Übersetzung „Weihnukka“ – nennt. Seitdem ist dieser Begriff in den USA regelmäßig zu hören – 2004 war „Chrismukkah“ ein Buzzword of the Year des TIME-Magazins.

Weihnukka“ steht für die Vermischung des jüdischen Chanukka- mit dem christlichen Weihnachtsfest. Immer mehr säkulare Juden und jüdisch-christliche Familien vermengen diese Traditionen; Weihnukka ist ein riesiger Trend, besonders in den USA. Zuletzt, im Dezember 2015, feierten wahrscheinlich bereits zehntausende Familien in Amerika, Europa und Israel dieses Mischfest.

Weihnukka will dabei kein religiöses Statement setzen. Ganz im Gegenteil: die meisten Juden, die dieses Fest begehen, sind vollkommen säkularisiert. Es geht um die Art des Feierns, nicht um den Inhalt des Festes.

Die Vermischung der Traditionen hat selbst eine lange Tradition. Typisch weihnachtliches Brauchtum (Weihnachtsschmuck, Weihnachtsbaum, Weihnachtsmann usw.) wurde in Europa und Amerika schon immer auch von Juden übernommen. So gab es schon im 19. Jahrhundert auch „Chanukkageschenke“ (statt Weihnachtsgeschenken) und „Chanukkageld“ (statt Weihnachtsgeld). Da Chanukka und Weihnachten immer etwa in dieselbe Jahreszeit fallen, lag es nahe, die traditionell „christlichen“ Bräuche in das jüdische Weihefest einzugliedern; denn diese Bräuche selbst haben ja nur wenig mit dem Grund des Weihnachtsfestes – der Geburt Jesu, der Menschwerdung Gottes – zu tun.

Schon im 19. Jahrhundert gab es in Mitteleuropa „Chanukkabäume“ (in Anlehnung an die „christlichen“ Weihnachtsbäume) und „Chanukkakalender“ (ähnlich wie Advents-kalender, allerdings mit acht Klappen). Heute wird Weihnukka besonders gern von Familien gefeiert, in denen einer der Ehepartner jüdisch und der andere christlich geprägt ist (und solche Ehen machen immerhin die Hälfte aller Ehen von Juden in Amerika und Europa aus). So lassen sich die liebgewonnenen traditionellen Weihnachtsbräuche ohne religiöse Implikationen fortführen. Vor allem für die Kinder, die zwischen jüdischer und christlicher Tradition aufwachsen, ist Weihnukka eine Gelegenheit, am Geschenkaustausch und der typischen „Weihnachtsstimmung“ teilzuhaben, ohne christlich werden zu müssen. Weihnukka hat den Sinn, den unter Juden sprichwörtlich gewordenen „Weihnachtsneid“ auszugleichen – und verzichtet bewusst auf eine religiöse Konnotation. So kann der STERN schreiben: „Die Annäherung beider Feste ist eine Folge von Säkularisierung und Kommerzialisierung.“ (Jahn, Daniel-Karl, Die Mischung macht’s) Wenn es für die meisten traditionell „christlichen“ Familien bei Weihnachten nur um Familie und Geschenke geht, färbt sich das auf „Namensjuden“ ab. Denn, wie Monika Richarz in dem Buch „Weihnukka“ schreibt: „Zu Weihnachten haben es die Juden schwer, denn Weihnachten ist ein Fest, wie sie es gerne mögen: mit Religion, Einladungen, gutem Essen, Geschenken für die Kinder…“ Dass die Übernahme von Weihnachtstraditionen in das jüdische Chanukka-Fest attraktiv ist, ist verständlich.

Von christlicher Seite wird diese auf formaler bzw. äußerlicher Ebene praktizierte Vermischung von Judentum und Christentum – die eine latente Gefahr des Synkretismus (Religionsvermischung) in sich birgt – nicht in der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen. Im Judentum dagegen wird Weihnukka kontrovers diskutiert. Fromme Juden üben scharfe Kritik an der Vermischung der Feiertage; sie fürchten den Synkretismus hinter dieser neuen Form des Festes. Immer mehr ultraorthodoxe Juden feiern deshalb in den letzten Jahren „Nittel“, eine Art Anti-Weihnachten. Im 17. Jahrhundert entstanden, ist Nittel die Angewohnheit, sich am christlichen Weihnachtsfest bewusst von religiösen Dingen fernzuhalten und stattdessen weltlichen Angelegenheiten nachzugehen. Damit verbindet sich im ultraorthodoxen Judentum der Glaube, dass zu Weihnachten die „bösen Mächte“ besonders aktiv seien.

Weihnukka ist also ein Familienfest für säkulare jüdisch-christliche Familien. Es ist unreligiös und vermischt lediglich die Festtraditionen von Weihnachten und Chanukka miteinander. Wie Seth Cohen in „O.C., California“ sagt: „Willst du eine Menorah oder eine Zuckerstange? Weihnachten oder Chanukka? Keine Sorge, mein Freund, in diesem Haus brauchst du dich nicht zu entscheiden!“

(sg)

Weiterführende Links zum Thema:

Sahm, Ulrich W., „Nittel“, auf: http://www.hagalil.com/archiv/2005/12/weihnachten.htm, abgerufen am 04.01.2016

Jahn, Daniel-Karl, Die Mischung macht’s, auf: http://www.stern.de/panorama/gesellschaft/-weihnukka—die-mischung-macht-s-3750630.html, abgerufen am 04.01.2016

Universität Freiburg (Hg.), Weihnukka: https://www.orient.uni-freiburg.de/judaistik/projekte_juda/uniseum/tafel10_wihnukka, PDF, abgerufen am 04.01.2016

Förner, Stefan, „Weihnukka“ – oder: Weihnachten jüdisch-christlich, auf: http://www.deutschlandradiokultur.de/weihnukka-oder-weihnachten-juedisch-christlich.1124.de.html?dram:article_id=176979, abgerufen am 04.01.2016

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