Was bedeutet der Begriff koscher?

Der Begriff koscher bedeutet „angemessen“, oder „brauchbar“ und wird von der hebräischen Wurzel k-sch-r abgeleitet. Vermutlich hat unser heutiger Gebrauch des Wortes über das Jiddische Eingang in unsere Sprache gefunden.

Jiddisch in der deutschen Sprache

In erster Linie bezieht sich dieser Begriff auf die Speisegesetze. Somit stellt sich ein gläubiger Jude die Frage: „Sind die Lebensmittel zum Verzehr tauglich?“ oder „Kann ich als Jude, der die Gebote hält, dieses Nahrungsmittel essen? Entspricht es den rabbinischen Anforderungen?“

Auch umgangssprachlich verwenden wir heute diesen Begriff, jedoch meinen wir damit häufig nicht, dass eine Speise brauchbar ist. Für uns bedeutet koscher eher „in Ordnung, akzeptabel, legal, einwandfrei“. Ein Beispiel hierfür wäre, wenn Ihnen jemand ein unglaublich lukratives Geschäft anbietet, das zu gut zu sein scheint, als dass es wahr sein könnte, so könnten Sie fragen: „Ist das koscher?“ Jedoch würden Sie damit nicht ausdrücken wollen: „Wurde das von den Rabbinern genehmigt?“

Der Begriff ist viel umfassender, als dass damit nur das Verbot des Verzehrs von Schweinefleisch, Garnelen oder Hummer ausgedrückt werden soll. Die Koscher-Vorschriften sind viel umfassender, als nur die soeben Genannten. Im Laufe der Geschichte hat sich das Judentum dahingegen verändert, dass sich die Koscher-Vorschrift sozusagen zu einer eigenen Lebensart weiterentwickelt hat. Der christliche Alttestamentler John Hartley schreibt, indem er auf die enorme Erweiterung der Speisegesetze durch die Rabbiner verweist:

„Indem sie diese Speisegesetze befolgten, gehorchten die Israeliten Gottes Anweisungen mehrmals täglich und entwickelten so tief in ihrem Bewusstsein eine Gesinnung des ‚Gottesgehorsams’. Dass das ganze Volk diese Vorschriften bei jeder Mahlzeit befolgte, war eine gewaltige Kraft der Solidarität, welche das Volk als Gottes besonderen Schatz (2. Mose 19,5) vereinte. Das grenzte die Israeliten von ihren polytheistischen Nachbarn ab und wurde zu einem Unterschiedsmerkmal ihrer nationalen Identität. Diese Speisegesetze gewannen noch an Bedeutung, als die Juden unter die Völker versprengt wurden. Sie wurden zu einer signifikanten Kraft dabei, die jüdische Identität zu wahren. Sie errichteten eine hohe Barriere gegen die Anpassung und Verschmelzung des jüdischen Volkes, die zum Verlust ihrer Rassenidentität geführt hatten. Koscher bleiben ist heute ein Unterscheidungsmerkmal eines sehr strenggläubigen Juden und vermittelt das Verständnis, dass diese Person zum erwählten Volk Gottes gehört.“

Grundlegende Bibelstellen, die diese Thematik kurz umreißen sind 3. Mose 11 und 5. Mose 14,3-21. Der genannte Bibeltext aus 5. Mose folgt direkt nach folgender Aussage aus 5. Mose 14,1-2: „Da ihr Kinder des Herrn, eures Gottes, seid, sollt ihr euch niemals wegen eines Toten die Haut einritzen oder die Haare über der Stirn abrasieren. Ihr seid für den HERRN, euren Gott, heilig.“ Die Speisegesetze sollten dazu dienen, dass das Volk Israel vor Gottes Angesicht heilig und abgesondert lebt.

Mahlzeiten haben mit verschiedensten Angelegenheiten zu tun. Wir essen beispielsweise mit unserer Familie, mit Freunden, geschäftlich, in der Gemeinde oder wir bauen dadurch Beziehungen auf. Durch die Speisegesetze waren manche solcher „sozialen Funktionen“ für einen gläubigen Juden nicht mehr möglich, wenn das Essen nicht koscher war. Eine Absicht Gottes war es, dass sein Volk sich durch die Speisegebote von „paganer Unreinheit“ abgrenzte. Manche argumentieren, dass die Gesetze aufgrund von gesundheitlichen Gründen erlassen wurden (wegen hygienischer Fragen beim Essen von Schweinefleisch, von Schalentieren usw.), andere argumentierten mit weiteren Beweggründen aus Gottes Sicht, weshalb er sich für genau diese Auswahl von Nahrungsmitteln, die gegessen werden dürfen, entschieden hat.

Im Laufe der Geschichte wurde die rabbinische Interpretation der Speisegesetze immer komplexer. Somit wurden Bibelstellen wie 2. Mose 23,19; 34,26 und 5. Mose 14,21 zur Begründung hinzugefügt, bei denen verboten wird, ein Ziegenböcklein in der Milch seiner Mutter zu kochen, und in 5. Mose 12,21 soll es angeblich darum gehen, wie Gott sich eine rituelle Schlachtung vorstellt. Später waren sich die Rabbis bezüglich der „Reinheit“ der genannten Tiere unsicher. Das führte dazu, dass eine Liste mit Tiernamen herausgegeben wurde, auf der der Verzehr von weiteren Tieren verboten wurde. Dies geschah zur Absicherung, damit es zu keiner Fehlinterpretation kommen konnte und man aus Versehen unreine Tiere verzehrte. Heute gibt es speziell ausgebildete Personen, unter anderem in Israel, die Betriebe, Metzgereien, Küchen und öffentliche Einrichtungen kontrollieren, ob dort auch wirklich alles koscher hergestellt wird. Als Bestätigung bekommt man ein Koscher-Zertifikat oder darf ein Siegel auf seinen Lebensmittel abdrucken lassen, sodass ersichtlich ist, dass das Produkt koscher  ist.

Wenn in öffentlichen Gebäuden zum Beispiel Lebensmittel im Speisesaal verteilt werden müssen, man aber merkt, dass der Milchreis im fleischigen Kochtopf gekocht wurde, so muss das gemeldet werden und das Essen muss weggeworfen werden. Umgangen wird solch eine Situation manchmal, indem man der Küche erst im Nachhinein sagt, dass sie die Kochtöpfe vertauscht hat. Denn den meisten Menschen ist es zu schade, wegen eines Fehlers das ganze Essen fortzuwerfen.

Auch weist die Geschichte viele komische oder schmerzliche Erfahrungen im Umgang mit den Koscher-Gesetzen auf. Beispielsweise haben Christen versucht, die Rechtgläubigkeit und geistliche Freiheit neu zum Glauben gekommener Juden zu „testen“, indem sie sie baten – oder sogar von ihnen verlangten – ein Brot mit Schweinefleisch zu essen! Begründet wurde dies durch das Aufheben der Speisegesetze im Neuen Testament. Im Mittelalter wurden auch Taufformeln verwendet, worin Juden bekennen sollten, dass sie lernen würden, eine Vorliebe für Schweinefleisch zu entwickeln. Selbst wenn sie ihr ganzes Leben koscher gelebt hatten. Können Sie sich vorstellen, wie lieblos und überheblich sich Christen dadurch verhalten haben (vgl. 1Kor 8,1f.)?

 (mr)

 
Quellen:
Brown, Michael L., Handbuch Judentum. Antwort auf die wichtigsten Fragen aus christlicher Sicht, Witten 2009, S.64-71
http://www.hagalil.com/kovar/avi3.htm

 

 

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