person holding stack of wheat

Sefirat ha Omer – die Tage bis Schawuot

Zu dieser Zeit im Jahr, im Frühsommer, meist zwischen den Monaten April und Juni,  wenn die Tage des Pessachfestes bereits vergangen sind und die ausgelasseneren Tage des Schawuot noch anstehen, findet nach jüdischer Tradition ein wichtiger Brauch statt: das Omer-Zählen. Wie die beiden Feste auf diese besondere Art verbunden werden und was es mit dem Lag ba-Omer, mit Garben im Tempel und mit verbotenen Hochzeiten auf sich hat, darüber lesen Sie in den nächsten Zeilen mehr.

 

49 Tage – 49 Gaben

Zwischen Pessach und Schawuot liegen, genau wie zwischen dem christlichen Oster- und dem Pfingstfest, 49 Tage. Vor der Zerstörung des Tempels wurden zu dieser Zeit im Jahr, die übrigens einen Übergang im jüdischen Kalender von dem alten, hin zum neuen Jahr darstellt, täglich Weizen-Garben im Tempel geopfert. Das „Sefirat ha Omer“ (hebräisch ספירת העומר, „Garbenzählen“) soll an diese Opfergaben im Tempel erinnern.

Seinen Ursprung findet dieser Brauch in der Bibel, bzw. der Tora. Im 3. Buch Mose steht dazu im Kapitel 23, Verse 10 und 15-16:

„Rede zu den Kindern Israels und sage ihnen: Wenn ihr in das Land kommt, das ich euch geben werde, und seine Ernte einbringt, so sollt ihr die Erste Garbe (Omer) von eurer Ernte zum Priester bringen.“

„Danach sollt ihr euch vom Tag nach dem Sabbat, von dem Tag, da ihr die Webegarbe (Omer) darbringt, sieben volle Wochen abzählen, bis zu dem Tag, der auf den siebten Sabbat folgt, nämlich 50 Tage sollt ihr zählen, und dann dem HERRN ein neues Speisopfer darbringen.“

Wir finden diese Anweisungen auch in 5. Mose 16,9-12:

„Sieben Wochen sollst du dir zählen vom ‚Anheben der Sichel am Getreidestand‘ sollst du beginnen, sieben Wochen zu zählen. Dann sollst du das Wochenfest feiern, dem Ewigen, deinen Gott, gemäß der Edelmutsgabe deiner Hand, die du geben magst, je nach dem der Ewige, dein Gott, dich segnen wird. (…) Und du sollst gedenken, daß du Knecht warst in Mizraim, darum sollst du diese Gesetze wahren und üben.“

 

Der Segensspruch am Abend

Ein Abend zur Zeit des Omer-Zählens wird in traditionell jüdischen Haushalten anders begangen als andere Abende. Nachdem die Abenddämmerung sich gelegt hat, wird das Ma’ariw, das reguläre Abendgebet gebetet. Direkt im Anschluss wird ein Segensspruch aufgesagt und direkt danach der Tag gezählt:

„Gepriesen seiest Du, Herr, unser Gott, König des Universums, der uns geheiligt hat mit seinen Geboten und uns geboten hat Omer zu zählen.“

An den ersten 6 Tagen werden jeweils nur die Tage gezählt: „Heute ist der … Tag des Omer“.

Nach sieben Tagen wird dann auch die jeweilige Woche erwähnt: „Heute ist der … Tag des Omer, das ist die / sind … Woche (n) und … Tag (e).“1https://de.chabad.org/holidays/sefirah/omer-count.htm – die täglich aktuellen Segenssprüche zum Omer.

Interessant bei der Zählung ist, dass sie strikt am Abend eines jeden Tages durchgeführt wird und nicht zu einer anderen Tageszeit. Der Talmud (Menachot 66a) weist auf Grundlage der Tora darauf hin, dass stets volle Wochen gezählt werden müssen, die nur nach Abschluss eines Tages vollständig sind.

Zur Zeit von Omer gelten in der jüdischen Tradition besondere Gesetze. Trotz ihres eigentlich festlichen Charakters stellen die Tage zwischen Pessach und Schawuot eher eine ruhige Zeit dar. So dürfen beispielsweise keine Hochzeiten gefeiert werden, da diese Festivitäten früher oft mehrere Tage in Anspruch nahmen, was wiederum die Ernte behindern konnte. Zudem wird mittlerweile während der 49 Tage auch an vergangene Erfahrungen, wie Erlebnisse von Judenhass oder Pogrome erinnert.

 

Die Ereignisse um Lag baOmer – Ein Halbfeiertag zu besonderer Zeit

Der 33. Tag der Omer-Zählung ist ein besonderer, denn an ihm wird das Lag ba-Omer gefeiert.2Der hebräische Buchstabe „L“ (lamed) steht für die Zahl 30 und der hebräische Buchstabe „G“ (gimel) steht für 3. Die Bedeutung dieses Halbfeiertages geht vermutlich auf verschiedene Ereignisse in der jüdischen Geschichte zurück, wie die beiden nachfolgenden Beispiele zeigen:

In den Jahren 132-135 n. Chr. kämpften mehrheitlich aufständische Sklaven im sogenannten „Bar-Kochbar-Aufstand“ gegen die römische Besatzungsmacht und erlangten an diesem Tag laut der Überlieferung einen Sieg. Eine andere Geschichte rankt sich um die Ereignisse im Jahr 135 (nach jüdischer Zeitrechnung). Zu dieser Zeit führte angeblich eine Seuche unter den Schülern des Rabbi Akiva zum Tod vieler junger Männer. Genau am 33. Tag nach Pessach kam die Seuche dann zum Stillstand.

Im Gegensatz zur restlichen, eher ruhigen Stimmung während des Omer-Zählens, ist das Lag ba-Omer ein fröhliches Fest. An diesem Tag gelten also keine einschränkenden Gebote, und auch Hochzeiten dürfen wieder gefeiert werden.

 

Zeit ist vergänglich

Die Zeit während Omer wirkt sicherlich verschieden auf die Menschen, die sie begehen. Zum einen bieten sie nach Pessach eine innerliche Vorbereitung auf Schawuot (das jüdische Erntedankfest, 50 Tage nach dem Pesach-(Passa)-Fest), das symbolisch für das Empfangen des Gesetzes steht. Sie machen durch das tägliche Zählen der Tage jedoch auch die Vergänglichkeit von Zeit deutlich. In einem Interview beschreibt der Rabbiner Andreas Nachama3Andreas Nachama (* 27. November 1951 in Berlin) deutscher Historiker, Publizist und Rabbiner., dass die Bräuche des Omer zu dieser fröhlichen Zeit, die gefüllt ist mit dem Warten auf das neue Jahr und die neue Ernte, eine gewisse Besinnlichkeit mit sich brächten. Diese Tage seien eine „Aufbruchszeit, zu der man sich eben auch bewusst wird, wie die Zeit dahingeht.“

 

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    https://de.chabad.org/holidays/sefirah/omer-count.htm – die täglich aktuellen Segenssprüche zum Omer.
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    Der hebräische Buchstabe „L“ (lamed) steht für die Zahl 30 und der hebräische Buchstabe „G“ (gimel) steht für 3.
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    Andreas Nachama (* 27. November 1951 in Berlin) deutscher Historiker, Publizist und Rabbiner.

 

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    https://de.chabad.org/holidays/sefirah/omer-count.htm – die täglich aktuellen Segenssprüche zum Omer.
  • 2
    Der hebräische Buchstabe „L“ (lamed) steht für die Zahl 30 und der hebräische Buchstabe „G“ (gimel) steht für 3.
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    Andreas Nachama (* 27. November 1951 in Berlin) deutscher Historiker, Publizist und Rabbiner.