Die Bedeutung der Mesusa 

Wer schon einmal in einem jüdischen Haushalt zu Gast war, der hat sie vielleicht entdeckt: Einen kleinen, am Türrahmen befestigten Zylinder, die „Mesusa“ (hebräisch für „Türpfosten“ bzw. konkret für eine „Schriftkapsel am Türpfosten“). Sie enthält ein gerolltes Pergamentstück mit Abschnitten aus dem mosaischen Gesetzt, der Tora (Deut. 6,4–9 und 11,13–21) und ist im Idealfall an fast jedem Eingang zu den Räumen des Gebäudes zu finden, in dem Juden leben oder das jüdisch verwaltet wird.

 

Der vielleicht zunächst unscheinbar wirkenden Schriftrolle wohnt eine wichtige, im wahrsten Sinne des Wortes „gehaltvolle“ Bedeutung inne. Auf der Vorderseite des Pergamentpapiers steht das „Sch´ma Israel“ aus Deutoronomium 6 geschrieben:

 

„Höre Israel, der Ewige unser Gott, ist der Ewige der einzige Eine! Und liebe den Ewigen, deinen Gott, mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele (…). Es seien diese Worte, die ich dir heute gebiete, rede davon, wenn du sitzt in deinem Haus und wenn du gehst auf den Weg (…), schreibe sie an die Pfosten deines Hauses und an deine Tore!“

 

brown wooden rolling pin on white textile

Das Schriftstück der Mesusa wird nach den gleichen Regeln, wie zur Erstellung der Torah beschrieben.

Dieser Toratext wird in seiner vollständigen Ausführung in Kombination mit anderen Texten, entsprechend den Vorschriften zum Schreiben der Tora, niedergeschrieben. Außen auf der Kapsel kann man oft den einzelnen hebräische Buchstaben Schin (שׁ) lesen, der in erster Linie für „schaddai“ steht: Allmächtiger, Gott. Häufig werden an dieser Stelle noch das aus dem Mittelalter stammende Kryptogramm (kein Hebräisch) „kosu bemuchsas kosu“ hinzugefügt – „Der Ewige unser Gott ist der Herr“ (hebr. Adonai elohenu Adonai). Die Passagen für die Mesusa, wie auch für andere rituelle Verse, dürfen nur Experten für das Schreiben heiliger Texte übertragen, die Soferim. Mit selbst angespitztem Federkiel und selbst angerührter Tinte arbeiten diese, sowie mit Pergament, das von koscheren Rindern stammt, die koscher geschlachtet wurden. Pergament bedeutet: Es ist kein Papier, sondern es ist eine Tierhaut, die länger haltbar ist. In nicht jüdisch-orthodoxen Gemeinden dürfen heutzutage auch Frauen Mesusot schreiben, eine Tätigkeit, die sonst nur Männern vorbehalten war.

 

Die Hülle, in die der Gesetzestext schließlich hineingelegt wird, kann sich in Form, Farbe und Material unterscheiden. Wichtig ist hier nur, dass durch eine Öffnung das Wort „shaddai“ zu sehen ist. Es ist auch erlaubt, nur eine Kerbe in den Türpfosten zu schneiden und die beschriftete Rolle ohne Hülse hineinzulegen. Das Schriftstück wird stets nach innen eingerollt.

 

Mesusa am Türrahmen befestigt

Angebracht wird sie im oberen rechten Teil des Türrahmens, bei allen Räumen des Hauses, ausgenommen von Badezimmer und WC. Der bestimmte Winkel, in dem die Hülse befestigt ist, soll das Eintreten des Menschen in das Haus nachahmen. Strenggläubige Juden üben dieses Ritual beim Betreten jedes einzelnen Zimmers aus, egal wie oft sie durch ihre Wohnung laufen. Es ist auf jeden Fall sehr, sehr aufwendig das zu machen. Es kann sein, dass Leute, die gleichzeitig irgendwelche Schalen getragen haben, es trotzdem hinbekommen haben, die Mesusa beim Betreten des Wohnzimmers zu küssen. Das ist also schon manchmal eine ganz beachtliche Balanceleistung, das hinzubekommen.

 

Die schräge Anbringung geht auf eine im Talmud (Menachot 33a) angedeutete Auseinandersetzung zurück, bei der sich die Rabbinen über die korrekte Befestigung der Mesusa und verschiedene denkbare Positionen streiten. Resultat der Meinungsverschiedenheit, deren zwei Positionen darin bestanden, ob die Mesusa vertikal oder horizontal befestigt werden solle, war ein Kommentar des Rabbiners Mosche Isserles1Moshe Isserles (Jiddisch ‏משה איסרליס‏‎,  bekannt unter dem Akronym Rema (hebräisch ‏הרמ“א); 1520—1572, Krakau). Rabbi, Talmudist, Jurist und Philosoph., der sich für den Kompromiss einer schrägen Anbringung der Gesetzesrolle ausspricht. Diese Anbringungsart hat sich bis heute in aschkenasischen Haushalten gehalten.

 

Der Mesusa kommt im Judentum eine schützende Symbolik zu. Viele Juden betrachten die Mesusa als eine Art Talisman, der Unheil von ihrer Wohnung fernhält. Dies hat durchaus – in rabbinischer Deutung – einen biblischen Bezug: Als Gott den Ägyptern die zehn Plagen schickte, markierten die Israeliten, die der Pharao versklavt hatte, ihre Türen mit Lammblut und der Todesengel ließ diese Wohnungen unbehelligt. So lassen sich Juden beim Verlassen, beziehungsweise Eintreten in die Wohnung oder Zimmer in der Wohnung förmlich vom Gesetz küssen, indem sie die Mesusa mit den Fingern berühren und diese anschließend küssen. Dann sprechen sie die Worte „Gott schütze mich bei meinem Fortgehen und bei meinem Ankommen, jetzt und in Ewigkeit.“

Das „Sch´ma Israel“ aus Deutoronomium 6

 

  • 1
    Moshe Isserles (Jiddisch ‏משה איסרליס‏‎,  bekannt unter dem Akronym Rema (hebräisch ‏הרמ“א); 1520—1572, Krakau). Rabbi, Talmudist, Jurist und Philosoph.

 

Quellen

M., Isabella: Mesusa, in: http://www.judentum-projekt.de/religion/religioesegrundlagen/mesusa/index.html  (abgerufen am 8.01.2022)

Zentralrat der Juden, Mesusa. Der Segen für die Wohnung, in: https://www.zentralratderjuden.de/judentum/symbole/

Guski, Chajm: Mesusa. Mesusa bezeichnet die von der Tora vorgeschriebene Schriftkapsel am Türpfosten, in: https://www.juedische-allgemeine.de/glossar/mesusa/

Zurück
  • 1
    Moshe Isserles (Jiddisch ‏משה איסרליס‏‎,  bekannt unter dem Akronym Rema (hebräisch ‏הרמ“א); 1520—1572, Krakau). Rabbi, Talmudist, Jurist und Philosoph.