Jom Kippur (jüdischer Versöhnungstag) – Vergangenheit und Gegenwart

Zwischen Mitte September und Anfang Oktober liegt der höchste Feiertag der Juden: Jom Kippur (althebr. Jom Hakkippurim; im Jahr 2021 am 15.-16. September). Der Tag steht für absolute Ruhe, Buße und Versöhnung.

 

Jom Kippur – der „Tag der Versöhnung“

Der 10. Tag des 1. Monats nach dem bürgerlichen Kalender bzw. des 7. Monats nach dem religiösen Kalender  (Tischri = September/Oktober) war gemäß dem mosaischen Gesetz ein Tag der Festversammlung, des Fastens (d. h. der Buße) und der Arbeitsruhe (3Mo 16,29.31; 23,27-32; 4 Mo 29,7). Die zwischen jüdischem Neujahr (d. h. Rosch Haschana; im Jahr 2021 der 6.-8. September) und dem Jom Kippur liegenden Tage dienen der inneren Einkehr und Buße. Juden bekennen in Form eines Beichtgebetes im synagogischen Abendgottesdienst des jüdischen Versöhnungsfestes, was sie vor Menschen und vor Gott „falsch“ gemacht haben (Sünden), und bitten Gott um Versöhnung. Hauptsächlich geht es darum, die Beziehungen zu seinen Mitmenschen in Ordnung zu bringen und Konflikte zu befrieden. Nach der biblischen Überlieferung erwirkte an diesem Tag der Hohepriester für sämtliche Sünden – seine eigenen, die der Priester und die des gesamten Volkes – vom Herrn völlige Versöhnung (3 Mo 16,17.30.33f.; 23,28). An diesem Fastentag, und zwar als dem einzigen im Jahr, durfte der Hohepriester das Allerheiligste der Stiftshütte bzw. des Tempels betreten (3Mo 16,2f.; Hebr 9,7). Eine besondere Bedeutung hatte der Versöhnungstag in jedem 50. Jahr, wenn er nach sieben Sabbatjahren das Erlassjahr einleitete.

 

Jom Kippur – biblischer Ursprung und jüdische Tradition

Gemäß der biblischen Überlieferung wurde der Versöhnungstag eingesetzt, nachdem die beiden Söhne Aarons umgekommen waren (3Mo 16,1f.), als sie ein vom Herrn nicht angeordnetes Räucheropfer darbrachten (3Mo 10,1f.). Während dieser Versöhnungstag im AT nirgends mehr erwähnt wird, nehmen im NT Apg 27,9 und der Hebräerbrief darauf Bezug (s. die Erläuterungen weiter unten).

Der Talmud enthält eingehende Angaben, wie sich der Hohepriester auf den Versöhnungstag vorzubereiten und die verschiedenen Opferhandlungen durchzuführen hatte. Über die Wirkung des Versöhnungstages wird nach der rabbinischen Tradition gesagt: Er sühnt die Sünden gegen Gott; die gegen den Nächsten aber nur, wenn man sich vorher mit dem ausgesöhnt hat, dem man unrecht getan hat. In der kritischen Forschung wurde angesichts der fehlenden kontinuierlichen Erwähnung im AT die Vermutung aufgestellt, dass der Tag erst nach der babylonischen Gefangenschaft eingeführt worden sei. Dagegen spricht jedoch die Tatsache, dass die Opfer des Versöhnungstages als die einzigen unmittelbar mit der Bundeslade verknüpft sind, die nach der Gefangenschaft nicht mehr vorhanden war.

 

Jom Kippur – eine christliche Perspektive

Gemäß des Hebräer-Briefes ist der Versöhnungstag als der Höhepunkt des alttestamentlichen Opferdienstes erfüllt und aufgehoben im Opfertod Jesu am Kreuz. Aus dem stets wiederholten „einmal im Jahr“ (Hebr 9,7.25) des selbst der Vergebung bedürftigen alttestamentlichen Hohenpriesters (Hebr 7,27) ist nun das „ein für alle Mal“ (Hebr 9,12.26.28) des sündlosen, heiligen und ewigen Hohenpriesters Jesus Christus geworden (Hebr 7,26.28) Er ist derjenige, der eine ewig gültige Versöhnung erwirkt hat (Hebr 9,12.28; 10,12.14.18), indem er mit seinem eigenen Blut (Hebr 9,11f.14) in den Himmel einging, um vor dem Angesicht Gottes für die Menschen zu erscheinen (Hebr 9,24; vgl. 7,25). Im Grunde verkörpert und illustriert der gekreuzigte und auferstandene Jesus in Person und durch sein Tun selbst das, was „Jom Kippur“ in Vollendung genannt werden kann, so dass er als ein für Christen zu begehender Feiertag keine Rolle mehr spielt bzw. er mit der Erinnerung an Karfreitag und Ostern abgelöst worden ist.

 

Jom Kippur – jüdische Praxis heute

Bis heute noch wird Jom Kippur von einer Mehrheit der Juden in aller Welt eingehalten – als Fasten- und Gebetstag. Am Vortag des Jom Kippur gibt es reichliches Essen und Trinken in zwei festliche Mahlzeiten, eine am Tage, die andere kurz vor Beginn des Feiertages am Abend.  Dazu gehört unter anderem auch ein Stück Honigkuchen, das mit dem Wunsch für ein gutes (süßes) Jahr verbunden ist. Am Versöhnungstag selbst herrscht strenge Enthaltsamkeit. In der Regel sind Essen und Trinken verboten, auch Baden, Waschen und Kosmetika sind untersagt, ebenso sexueller Verkehr und im Weiteren jede Form von Genuss.

Streng religiöse Juden halten sich darüber hinaus an die Regel, einerseits keine Lederschuhe oder -stiefel zu tragen und andererseits in weißer Kleidung zu erscheinen. Die Regeln werden allerdings nicht von allen Juden in der gleichen strikten Form praktiziert. Sinn und ernster Charakter sind jedoch erhalten geblieben. Der größte Teil des Festes wird in der Synagoge gefeiert. Mehrere Gottesdienste erstrecken sich oft ohne Unterbrechung über den ganzen Tag, wobei zum Abschluss der Gebete mit einem Widderhorn, dem Schofar, noch ein langgezogener Ton geblasen wird. Dieser signalisiert: Jom Kippur ist vorbei. Anschließend versammeln sich die Familien zum gemeinsamen Festmahl und die Gläubigen wünschen sich ein gutes Jahr.

 

Quellen:

Rienecker, Fritz / Gerhard Maier, Lexikon zur Bibel, Witten 2013, 1415f.

BR24, Versöhnungstag – höchster jüdischer Festtag, https://www.br.de/themen/religion/feiertage-jom-kippur-juedisch100.html vom 06.09.2021

Religionenlexikon, Jom Kippur, https://www.religionen-entdecken.de/lexikon/j/jom-kippur vom 06.09.2021

DW, Was ist Jom Kippur, https://www.dw.com/de/was-ist-jom-kippur/a-17086671 vom 06.09.2021

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