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Die Tora als Schriftrolle – Was man noch nicht weiß

Jüdisches Leben ist geprägt von einer Vielfalt an Festen, Bräuchen, Tradition und Glaubenspraktiken. Immer wieder fällt dabei ein zentraler Bestandteil auf, welcher sich durch die gesamte Kultur des Judentums zieht und auf dessen Grund jüdisches Leben auch heute noch sein Fundament findet. Die Rede ist von der Tora, dem Hauptbestandteil der Heiligen Schriften der Juden.

Wer mit dem Judentum vertraut ist, hat sich sicherlich schon mit dem Inhalt der Tora beschäftigt. Dabei handelt es sich um die Sammlung der fünf Bücher Mose. Allerdings gehört zur Tora immer auch die Tora-Rolle im gottesdienstlichen Gebrauch oder zu Studienzwecken, eine Schriftrolle, die in mühevoller Abschrift und Detailarbeit erstellt und so in besonderer Weise gewürdigt wird. Hier gibt es interessantes Hintergrundwissen über die Tora-Schriftrolle sowie ihre religiöse Bedeutung. Nicht alle sind allgemein bekannt, aber sie spiegeln die Frömmigkeit gläubiger Juden wider.

 

  1. Eine Tora-Rolle ist nicht nur von religiöser Gewichtigkeit, sondern auch ganz praktisch legt die Schriftrolle (im gottesdienstlichen Gebrauch oder zu Studierzwecken) mit 10 bis 12 Kilogramm ein

    Die Tora Schriftrolle (ausgerollt) – Foto von Taylor Flowe

    beachtliches Gewicht auf die Waage. Dieses verteilt sich auf eine Höhe von 70 cm. Die sogenannte Erfurt 8 beispielsweise, eine Tora Rolle einer jüdischen Gemeinde des 14. Jahrhunderts aus Erfurt, ist beispielsweise 72 cm groß.

  2. Jede Tora Rolle besteht aus gebundenen Pergamentblättern, welche nicht mit Wolle, sondern ausschließlich mit Sehnen von Tieren zusammengebunden werden. Dabei kommen bis zu 84 Bögen aus der gegerbten Haut eines koscheren Tieres (meist Rind, Ziege oder Schaf) zusammen und fügen sich zusammen zu der Pergamentrolle, die schließlich beschrieben werden kann.
  3. Die Pergamentrollen werden auf zwei Holzstäbe gewickelt namens
    a man in a garment

    Juden tragen die Tora Rolle mit Peter darauf – Foto von Shraga Kopstein

    „Ez Hachajim“, das bedeutet „Baum des Lebens“. Ein Stoffband hält die Pergamente zusammen und ein Samtmantel, verziert mit Stickereien, schützt die Rolle vor äußeren Einflüssen. Eine geschmückte Tora findet ihren Höhepunkt in der Tora Krone (Keter). Sie steht für Gott und die Anerkennung seines Wortes als höchste Macht und Heiligkeit.

  4. Nicht jeder (Jude) ist berechtigt, eine Tora Rolle zu beschreiben. Dieses Privileg obliegt alleinig einem ausgebildeten Schreiber, dem sogenannten Sofer, der sich dem Gesetz und dem Erlernen des Schreibens für mehrere Jahre widmet. Er muss selbst gläubig und als gottesfürchtiger Mann bekannt sein. Bevor die Sofer mit ihrem Dienst beginnen können, muss meistens eine Ausbildung an einer Tora Schule absolviert werden, in der sie über 4.000 jüdische Gesetzesverse kennen lernen.
  5. Der Sofer benutzt zum Schreiben eine Feder oder ein Schilfrohr.
    scroll, feather, ink

    Schreibmaterial – Foto von zofiaEliyahu

    Jeder Buchstabe muss mit Hand geschrieben werden – eine originale Tora gibt es somit nicht in gedruckter Version. Denn auch die schwarze Tinte muss in ihrem Herstellungsverfahren „koscher“ sein.

  6. Die exakte Anzahl der Buchstaben, die man in einer Tora Rolle zählen kann, ist 304.805. Es darf kein einziger Buchstabe hinzu – oder weggenommen werden. Dabei berufen sich die Juden auf 5. Mose 4,2: „Ihr sollt nichts dazutun zu dem, was ich euch gebiete, und sollt auch nichts davontun, auf dass ihr bewahrt die Gebote des HERRN, eures Gottes, die ich euch gebiete.“ (Luth17). Nicht nur die Anzahl, sondern auch die Form hat eine klare Festlegung. Jeder einzelne Buchstabe, das heißt jeder kleine Strich in einer Tora hat heiligen Status. Somit darf eine Tora keinen misslungenen Buchstaben oder gar einen Fehler enthalten, da sonst die gesamte Pergamentrolle als unkoscher gilt und somit für die Verwendung im Gottesdienst als unbrauchbar gemacht gilt. Der Sofer muss dann komplett von vorne Deshalb betet er vor jeder Sitzung um Kraft, das Gesetz Gottes würdevoll niederzuschreiben.
  7. Eine Tora Rolle entsteht immer auf dem Fundament einer anderen
    person holding magnifying glass

    Jeder Buchstabe wird sogfältig gezeichnet – Foto von Mick Haupt

    koscheren Tora Rolle oder einer beglaubigten Kopie, von der der Sofer abschreibt. Das erfordert eine hohe Präzision, da er die 5 Bücher Mose auch nicht aus seinem Gedächtnis abschreiben darf, sondern Buchstabe für Buchstabe übertragen wird, während der Sofer jedes Wort laut vorliest. Die Tora Rollen, die heute in den Synagogen verwendet werden, sollen auf dem gleichen Weg geschrieben werden, wie vor 3.300 Jahren, als Mose selbst zum ersten Mal das Gesetz Gottes verschriftlichte.

  8. In der Abschrift einer Tora-Rolle stecken ein bis zwei Jahre akribischer Arbeit – praktischer wie auch geistlicher Natur. Immerhin hat der Sofer die Aufgabe immer dann einen Segensspruch zu zitieren, wenn der heilige Name Gottes im Text der Tora auftaucht. Er begibt sich somit mehrere hundert Mal ins Gebet und macht den Schreibprozess somit auch zu einem Glaubensakt. Vollendet wird das Werk aber erst in der Synagoge. Die letzten zwölf Buchstaben der Tora von Deuteronomium, nämlich „vor den Augen ganz Israels“, werden vor Ort geschrieben und beschließen somit den Dienst am Wort des Herrn. Dieses Ritual wird begleitet von einer Feierstunde der jüdischen Gemeinde.
  9. Es ist ausdrücklich untersagt, eine Tora Rolle zu illustrieren.
    white printer paper

    Tora ohne Bilder – Foto von Tanner Mardis

    Grundlage dafür ist das mosaische Bilderverbot aus 2. Mose 20,4: „Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist.“ Das Wort Gottes soll für sich stehen und auch nur dieses darf verlesen werden.

  10. Die Tora wird schließlich im Gottesdienst verlesen. Das Pergament darf aber nicht von einem Menschen berührt werden, auch nicht beim Vorlesen der Worte, weswegen ein silberner Stab mit einer kleinen Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger (Jad) beim Lesen dient.

Wenn Sie der beeindruckenden Praxis eines Sofer zusehen möchten, klicken sie hier.

 

 

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