Rosch HaSchana – ein süßes Neujahr mit Äpfeln, Honig und Hörnerschall

Wenn ich an das jüdische Neujahrsfest Rosch HaSchana denke, schwelge ich in süßen Erinnerungen, Erinnerungen an die Rosch HaSchana Feier 2019 in Israel. Mein Mann und ich waren damals in den Semesterferien in Israel und haben in einem Gästehaus gejobbt. Auf kitschigen Postkarten, auf riesigen Plakaten vor der Jerusalemer Altstadt und auf Werbe-Wimpelketten im Supermarkt – überall entdeckte man in Israel die gleichen Symbole: Honig, Äpfel, Granatäpfel, Fisch und Schofarhörner. Doch was haben all diese Symbole mit dem jüdischen Neujahrsfest zu tun? Wie ist es biblisch einzuordnen und warum läuft das jüdische Jahr schon seit September? Welche Traditionen gibt es und wie sieht die Neujahrfeier in Israel aus?

Der Tag des Posaunenschalls als Anfang des Jahres

Das jüdische Neujahrsfest heißt Rosch HaSchana (רֹאשׁ הַשָּׁנָה) was übersetzt „Kopf“ oder „Anfang des Jahres“ bedeutet. Dieses Neujahrsfest ist offiziell eines der sieben großen Feste des Judentums, die in den fünf Büchern Mose (Lev 23 und Num 29) für das Volk Israel angeordnet wurden.

„Schana Tova Biruschalayim“ ein gutes Jahr in Jerusalem (Schild am Jaffa Tor)

Jedoch wird jeder aufmerksame Bibelleser merken, dass von „Neujahrsfest“ dort gar nicht die Rede ist. Wie passt das zusammen? In den Kapiteln wird als fünftes der sieben Feste der Yom Teruah (יוֹם תְּרוּעָה) erwähnt, der „Tag des Posaunenschalls“. Dieser war am ersten Tag des Monats Tischri zu feiern, welcher der siebte Monat im jüdischen Kalender ist. Und dennoch entwickelte sich im späteren Judentum die Tradition, dieses Fest als Neujahrsfest herauszuheben und das Jahr sozusagen mit dem siebten Monat zu beginnen. Bis heute gibt es also eine Unterscheidung zwischen einer „religiösen/biblischen“ und einer „bürgerlichen“ Zählweise der Monate. De facto beginnt aber im heutigen Judentum und im Staat Israel das Jahr mit dem siebten Monat und auch der Name Rosch HaSchana hat sich eindeutig für dieses Fest durchgesetzt. In unserem westlichen Kalender fiel im letzten Jahr Rosch HaSchana auf den 18. September und im Jahr 2021 wird er auf den 6. September fallen.

Bußgebete und ausgeschüttelte Taschen

Wie bei allen jüdischen Festen, beginnt auch Rosch HaSchana am Vorabend des Feiertages. Das Schofar-Blasen ist ein wichtiger Bestandteil des Festes. Ein Schofar wird aus dem Horn eines Widders gemacht und erzeugt als Naturhorn beeindruckende Klänge. Am Neujahrstag sprechen sich Juden gegenseitig einen interessanten Wunsch aus: „Mögest du im Buch des Lebens eingeschrieben sein“. Nach rabbinischer Tradition beurteilt Gott an Rosch HaSchana jeden Menschen und das Urteil wird dann 10 Tage danach am Versöhnungstag (Yom Kippur) besiegelt. Daher sind diese Tage eine Zeit der Sühne, in der vermehrt Buße für eigene Vergehen getan wird. In der Gebetsliturgie werden Bußgebete ergänzt und um die Gnade Gottes gebeten. Zu den Traditionen gehört auch das Ausschütteln der Taschen an einem fließenden Gewässer. Dabei sollen symbolisch die Sünden am Jahresanfang weggeschüttet werden, um wieder mit reinem Gewissen vor Gott stehen zu können.

Neujahrswünsche auf dem Speiseplan

Die Speisen an Rosch HaSchana sind nicht zu unterschätzen: die Wünsche für das neue Jahr werden symbolisch durch die verschiedenen Leckereien dargestellt. Gemeinsam werden Apfelstücke in Honig getaucht, dahinter steht der Wunsch nach einem süßen, positiven und fruchtbaren Jahr. Der Granatapfel erinnert mit seinen vielen süßen Kernen an die zahlreichen Gebote, die man im kommenden Jahr halten möchte. Typisch ist auch das Challa-Brot, welches auch am Schabbat als länglicher Zopf gegessen wird – an Rosch HaSchana wird es jedoch rund geflochten. Das neue Jahr soll eine „runde Sache“ werden, mit Hoffnung und Kontinuität des Guten. Oftmals gibt es Fisch als Hauptgericht, dabei nehmen manche den Kopf des Fisches mit der Bemerkung, an der Spitze und nicht am Schwanz sein zu wollen (diese Tradition passt zu der Bedeutung von „Rosch“ als „Kopf“ oder „Anfang“). Neben den unterschiedlichen Hauptspeise-Möglichkeiten gibt es reichlich süßes Obst und süße Honig-Nachspeisen. Der Speiseplan am Neujahrstag unterstreicht den Wunsch nach einem „guten und süßen Jahr“ (schana tova umetuka שנה טובה ומתוקה).

Rosch HaSchana mit 40 Gästen in Israel

Und wo wir schon beim Thema „Essen“ sind. Das durften wir bei der zu Beginn erwähnten Rosch HaSchana Feier im Gästehaus zubereiten. Der Speiseplan war flexibel, passend zu Neujahr und süß sollte es sein. Auch bei der Dekoration hatten wir freie Hand und so saßen wir schon bald mit Schere und Stift da und bekritzelten kleine Blättchen mit „Schana Tova“ (gutes neues Jahr) und klebten die Blätter an gut aussehende Äpfel. Jeder der anfangs 30 angemeldeten Gäste, die dann kurz vorher doch 40 wurden, bekam einen dieser Äpfel auf den Platz. In die Mitte der Tische stellten wir gläserne Teller mit Granatäpfeln, Apfelstücken und Honig. Der Gästehausleiter besorgte kurz vor Beginn noch die billige Plastikvariante von Schofarhörnern, die er dann an jeden Gast verteilte. Als moderne Interpretation von Äpfeln und Honig kreierten wir Apfel-Blätterteig-Rosen mit Honig-Senf-Dressing als Vorspeise. Wir wollten mit allem fertig sein, um dann entspannt an den Feierlichkeiten teilzunehmen. Die Realität sah jedoch anders aus, und so standen wir während den Segnungen, Gebeten und Erzählungen noch in der Küche. Doch der Klang der echten Schofarhörner war auch von dort aus sehr gut zu hören, die Plastikschofarhörner waren glücklicherweise etwas leiser. Wir kamen dann aber pünktlich zum Hauptgang, wo die Gästehausleiter uns einen Platz bei ihrem Familientisch freigehalten hatten und wir konnten die ausgelassene Stimmung miterleben und gemeinsam mit diesen wundervollen Menschen in ein neues, süßes Jahr starten.

Vergangene Woche wurde auch hier Silvester und der Start ins Jahr 2021 gefeiert. Auch wenn unsere Neujahrsbräuche oft anders sind und dieses Jahr größere Feiern nicht möglich waren, lohnt es sich doch, sich von Rosch HaSchana inspirieren zu lassen. Warum tauchen wir in den nächsten Tagen nicht auch einmal Apfelstücke in Honig und bitten Gott, dass er uns ein gutes und süßes Jahr schenkt. Nicht umsonst steht in Psalm 34,9 „Schmecket und sehet, wie freundlich der HERR ist. Wohl dem, der auf ihn trauet!“. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen Gottes Segen im neuen Jahr und dass er Sie mit Gutem und Süßem dieses Jahr überrascht.

 

JB

Bilder: Privat

https://embassies.gov.il/berlin/AboutIsrael/Feiertage/Pages/Rosh-ha-Shana.aspx 02.01.2021

https://www.deutschlandfunkkultur.de/neujahrsfest-rosh-hashanah-granatapfel-fuer-die.1079.de.html?dram:article_id=330746 02.01.2021

http://arilipinski.de/rosch-haschana/ 02.01.2021

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