Passa – spannende Einblicke in das ‚Fest der Befreiung‘
Das Passafest im Alten Testament
Im Alten Testament wird von vielen Geschichten, Ereignissen und Erlebnissen berichtet, welche das Volk Israel durch die Jahrhunderte mit ihrem Gott stark verbunden hat (Lev. 26,12; Jer. 30,22). Jedoch gibt es nur wenige Momente, die so einen hohen Stellenwert haben und auf die so oft angespielt wird, wie ihr Auszug aus Ägypten: ein versklavtes Volk Israel in fremdem Land, Gott, der Mose im Dornbusch erscheint, und der ihn mit seinem Bruder zum Pharao schickt, die Sturheit des Pharao, die zehn Plagen und dann schließlich der triumphale Durchzug durch das rote Meer (man denke an das Lied „Go down Moses“ oder an den Ausspruch „Let my people go!“).
Es wird zudem klar, dass dieses Ereignis im Alten Testament einen leicht höheren Stellenwert haben muss, als andere Geschichten von Wundern oder Siegen in Konflikten, die dort erzählt werden. Gott selbst identifiziert sich dort als „der Herr, euer Gott, der euch aus dem Land Ägypten geführt hat“ – und zwar nicht nur in einer bestimmten Zeit der Geschichte Israels, sondern immer und immer wieder, quasi im ganzen Alten Testament (vgl. Ex 20,1; Lev 19,36; Am 9,7; Mic 6,4; u.v.a.).
Heute ist diese Geschichte im kollektiven Gedächtnis von Juden und Christen stark verankert und gehört wohl zu den weltweit bekanntesten Geschichten des Alten Testaments. Aber auch innerbiblisch wird dafür gesorgt, dass das Volk Israel diese Zeit niemals vergessen darf. Diese Nacht, welche in Exodus 12 beschrieben wird, in welcher die Israeliten in Ägypten gegürtet und gepackt mit Stock und Stab das Blut eines Lammes über die Türpfosten streichen sollen, um den Todesengel Gottes vorbeiziehen zu lassen, in der sie ungesäuertes Brot essen bis das Signal kommt und alle Israeliten Ägypten für immer verlassen werden, an diese Nacht sollen sich alle künftigen Generationen erinnern. Und am besten erinnert man sich dadurch, dass man diese Nacht jedes Jahr „nochmals durchlebt“ – und das tun Juden im Passafest. Das Wort Passa (heb. פֶּסַח Pesach) hängt im hebräischen mit der Wortwurzel פסח („pasach“) zusammen, welche soviel bedeutet wie “vorübergehen” oder „verschonen“ (das wird im Wort „passover“, dem englischen Namen des Festes gut wiedergegeben). In der Exoduserzählung wird auf diese Wortbedeutung auch direkt angespielt; dort sagt Gott: „Es ist des Herrn Passa. (…) Dann aber soll das Blut euer Zeichen sein an den Häusern, in denen ihr seid: Wo ich das Blut sehe, will ich an euch vorübergehen (וּפָסַחְתִּי „u-pasach-ti“), und die Plage soll euch nicht widerfahren“ (Ex 12,11.13 LUT17).
Vom Alten Testament zu den heutigen Traditionen
Obwohl das Alte Testament unmissverständnlich beschreibt, wann dieses Passa-Fest zu feiern ist, nämlich am 14. Tag des Monats Nissan, welches dem ersten Vollmond im jüdischen Jahr entspricht (vgl. Ex 12,6; Lev 23,5; Num 9,3; Jos 5,10), so gibt es jedoch nur eine Handvoll an Informationen, wie dieses Fest zu feiern ist. Soweit ist klar: es wird gefeiert, es wird gegessen und es darf nichts Gesäuertes gegessen werden.
Über die Jahrhunderte und Jahre haben sich in der jüdischen Tradition viele feste Abläufe und Symbole für die Passawoche etabliert. Mein Mann und ich hatten im Jahr 2017 das Privileg, das Passafest in Israel mit einer befreundeten jüdischen Familie zu feiern. Wir bekamen live die Vorbereitungen, das Passafest und die Festwoche danach mit. Auch der Hohepriesterliche Segen an der Klagemauer zu Beginn der Woche war ein echtes Highlight.
Der etwas andere Frühjahrsputz vor dem Passafest
Die Vorbereitungen auf das Passafest beginnen schon weit vor dem eigentlichen Passaabend. Denn bei jüdischen Familien steht noch ein etwas anderer Frühjahrsputz an. Es müssen nämlich alle gesäuerten Lebensmittel aus dem Haus geschafft werden. Das sogenannte Chametz findet sich in verschiedenen Getreidearten, die mehr als 18 Minuten mit Wasser in Berührung kamen. Dafür müssen nun sämtliche Vorräte aussortiert, Geschirr gespült und das ganze Haus gereinigt werden. Vorräte von Gesäuertem dürfen auch für die Zeit der Passawoche an nichtjüdische Bürger verkauft und am Ende der Zeit zurück gekauft werden. In Supermärkten werden ganze Abteilungen, die Chametz enthalten, über diese Zeit mit Folien abgedeckt und nicht verkauft.
Während der Passawoche gibt es dann nur ungesäuertes Brot (Mazzen). Dieses Brot erinnert an Knäckebrot und wird ohne Hefe, nur aus Mehl und Wasser hergestellt. Bei der Zubereitung darf es nicht mehr als 18 Minuten mit dem Wasser in Berührung kommen, bevor es gebacken wird.
Ein Teller, sechs Vertiefungen und eine Menge Symbolik
Der Sederteller findet sich auf jeder Passatafel. Meistens wird ein speziell dafür angefertigter edler Teller mit sechs Vertiefungen verwendet. In der Vorbereitung auf das Passafest werden sechs symbolische Speisen darauf angerichtet, die an den Auszug aus Ägypten erinnern (Seder – hebr. סדר, „Ordnung“ – also ein Teller für eine gängige Anordnung einer Abfolge):
- Bitterkraut (Maror) – besteht aus Meerrettich und erinnert an die „bittere“ Sklavenzeit in Ägypten
- Knochen (Sroa) – entweder eine Lamm- oder Hühnerkeule, diese weist auf das Passalamm hin, welches am ersten Abend des Auszuges aus Ägypten geopfert wurde.
- Lehm (Charosset) – kein tatsächlicher Lehm, sondern eine Mischung aus Früchten und Nüssen. Dabei wird an die Ziegel gedacht, die sie in Ägypten aus Lehm herstellen mussten.
- Kraut (Chaseret) – ein weiteres bitteres Kraut, symbolisiert die Zeit des Exils, welche in erniedrigender Sklaverei endete.
- Gemüse (Karpas) – rohes Gemüse (z.B. Sellerie, Radischen, Kartoffel), erinnert als Frucht der Erde an die harte Sklavenarbeit
- Gekochtes Ei – Das Ei weist auf das Festtagsopfer hin, welches bei der Wallfahrt nach Jerusalem am Passafest dargebracht wurde.
Neben den Speisen auf dem Sederteller gibt es noch eine Schale mit Salzwasser, damit werden Tränen der Trauer über die Zerstörung des Tempels in Jerusalem symbolisiert. Dort wurde das Passalamm geschlachtet. Darüber hinaus findet sich eine Menge ungesäuertes Brot (Mazzen) auf dem Tisch. Beim Auszug aus Ägypten wurde in der Eile schnell Brot zubereitet, welches keine Zeit hatte aufzugehen – daran erinnert das knusprige Brot.
Zu Gast bei einer Passa-Feier
Der Sederteller ist gerichtet, der Tisch festlich gedeckt und wir kommen erwartungsvoll in das Esszimmer der messianisch-jüdischen Familie. Für den Festabend sollten wir eine Suppe mit Mazzen-Bällchen zubereiten. Diese sollte es zur Vorspeise geben. Doch bis dahin sollte es noch länger dauern, da zuvor noch einige Lieder, Gebete und Rituale auf uns warteten.
Ein kleines Büchlein mit dem Namen Haggada enthält die Regieanweisungen für diesen besonderen Abend. Der Familienvater beginnt mit einem Segen und geht dann Schritt für Schritt auf die symbolischen Speisen des Sedertellers ein. Alle Familienmitglieder und Gäste lauschen gespannt den Erklärungen und nehmen die einzelnen Speisen zu sich. An einer bestimmten Stelle steht die jüngste Tochter der Familie auf und fängt mit ihrer piepsigen Stimme an zu singen. Sie stellt vier Fragen, die Ma Nischtana. Die erste Frage lautet „Was unterscheidet diese Nacht von allen anderen Nächten?“. Danach beginnt das eigentliche Festmahl und unsere Suppe wird serviert. Ich muss zugeben, dass die Bällchen doch noch etwas hart sind, jedoch scheint es den anderen zu schmecken und kurz darauf wird auch schon der Hauptgang aufgetischt. Im Laufe des Abends werden an bestimmten Stellen dazu noch vier Becher Wein getrunken, die Gottes Verheißungen wiederspiegeln.
Zum Passafest an der Klagemauer
Eine sehr eindrückliche Erfahrung unserer Zeit in Israel war der Tag nach dem Passafest 2017. Dort sind wir noch im Morgengrauen mit dem Bus nach Jerusalem gefahren, um zusammen mit den ersten Sonnenstrahlen des Tages die Klagemauer zu erreichen. Je weiter dann die Sonne am Himmel aufstieg, desto mehr füllte sich der Platz vor der Klagemauer bis zum Bersten mit Menschen. Viele versuchten sich verzweifelt noch durch die Menge zu drücken, um noch einen Platz direkt an der Mauer zu erhaschen. Dann legten viele Männer ihren Gebetsschal (heb. talit) komplett über den Kopf, so dass sich vor uns ein Meer von weißen Leinen auftat – ein sehr besonderer Anblick. Und dann warten alle. Aber auf was?
Nach dem Alten Testament gehört das Passafest zu den drei „Pilgerfesten“, zu welchem die Israeliten aus dem ganzen Land nach Jerusalem ziehen sollten, um dort das Passa zu feiern. Und im Talmud gibt es Berichte, dass schon zur Zeit des zweiten Jerusalemer Tempels (um 515 v. Chr. bis 70 n. Chr.) sich die Menschen am Tempelberg versammelten, um den hohepriesterlichen Segen (Num 6,24ff) zugesprochen zu bekommen. Und nach dieser Weise verläuft das in Israel auch heute noch. Juden aus aller Welt reisen für die Feiertage nach Jerusalem und drängen sich an die Klagemauer. Und auch an diesem Morgen gab dann 2017 ein Rabbi – den man nicht sehen, sondern nur hören konnte – den Segen in Liedform wieder. In seiner sephardischen Aussprache („adoinoi“ statt „adonai“) sang dann der Menge mit ausgefeilter Melodie, jedes Wort des hohepriesterlichen Segens für sich separat zu. Und nach jedem Wort antwortete die Menge in derselben Melodie.
Christen gedenken jedes Jahr auch an ein einmaliges, besonderes Passa-Passover Gottes. Sie deuten das Passa der Israeliten als Vorbild auf die Kreuzigung ihres HERRN Jesus hin, der das Lamm Gottes ist, das die Sünde der Welt trägt (Joh. 1,29), und der stellvertretend für alle Menschen sein Blut vergießt (1Joh 1,7; Hebr 7,27; Kol 1,20), so dass die Menschen, die dieses Blut Jesu für sich und ihre Sünden im Glauben in Anspruch nehmen, nicht vom Todesengel Gottes gerichtet werden, sondern mit ewigem Leben beschenkt werden (vgl. das Vorbild im AT: Ex 12,5-7 und 13).
Exkurs – Kombinationsmöglichkeiten für Mahlzeiten mit Mazzenbroten während der Passawoche:
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JB
Bilder privat.
https://www.israelmagazin.de/israel-juedisch/judische-feiertage/pessach/sederabend
https://www.juedische-allgemeine.de/religion/was-gehoert-auf-den-sederteller/
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