Das Israel der Juden und Deutschland – alte Feinde, heute Freunde?

Woran denken Sie, wenn Sie „Israel“ hören? Welche ersten Assoziationen verbinden Sie mit dem Land und den Leuten, mit dem Israel der Juden?  Wie stehen Sie zu Israel?

 

Um die deutsch-israelische Beziehung zu ergründen, bleibt es nicht aus, sich ganz persönlich zu fragen, welche innere Einstellung man zu dem Land im Nahen Osten mitbringt. Dabei gibt es sicherlich unterschiedliche Auffassungen, wie Deutsche ganz individuell über Israel urteilen, und doch zeigt eine statistische Auswertung der deutschen Meinungen, wie es um die momentane Einstellung zu diesem geschichtsträchtigen Land der Juden insgesamt bestellt ist.

Deutschland und Israel stehen schon lange in bilateralen und freundschaftlichen Beziehungen zueinander. Dieses Verhältnis war aber nicht immer von nationaler Freundschaft oder gegenseitiger Wertschätzung geprägt. Durch die Katastrophe des Holocaust im Nazi-Deutschland blieben die Beziehungen von Deutschen und Juden über Jahre hinweg zutiefst gestört, auch nach der Staatsgründung seit 1948, insbesondere in der Wahrnehmung der Juden bzw. Israels der Deutschen. Doch auch die Israelis selbst müssen sich erneut fragen lassen, wie sie zu dem eigenen Land stehen, welches nach der israelischen Geschichte weit in biblische Zeiten zurückreicht und das ihre ethnische Herkunft begründet.

Zu diesem brisanten Thema, wie Deutsche Israel und wie Israelis die Deutschen sehen, wurde 2021 eine landesinterne Umfrage sowohl unter Deutschen als auch unter Israelis gestartet. Im September 2022 wurde daraus eine weitere Studie der Bertelsmann Stiftung mit dem Titel „Deutschland und Israel heute: Zwischen Verbundenheit und Entfremdung“ veröffentlicht, die einen interessanten Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt der jeweils kontaktierten Bürger und Bürgerinnen ermöglicht.

Im Folgenden geht es um eine komprimierte Darstellung der Ergebnisse dieser Untersuchung, mit einem Resümee hinsichtlich der heutigen Beziehung zwischen Deutschland und Israel.

 

Die Eigen- und Fremdwahrnehmung der Länder

Wenn man wissen möchte, wie Länder übereinander denken, lohnt es sich zu erforschen, was die jeweiligen Länder eigentlich über sich selbst denken. Die Eigenwahrnehmung eines Staates offenbart interne Werte und zeigt auch wie positiv oder negativ das Bild vom eigenen Heimatland ist.

Beginnend mit Israel lässt sich vorwegnehmen, dass kein durchweg positives Selbstverständnis vorherrscht. Etwa 1.400 israelische Bürger wurden befragt, welches Assoziation sie mit dem Begriff und Land  „Israel“ verbinden. Die häufigste Assoziation war mit großer Mehrheit „Heimat“. Darauf folgen Begriffe wie „jüdischer Staat“, „Demokratie“ und „schön“, die den Begriffen „Rassismus“ oder „Besetzung“ als negativ konnotierte Worte gegenübergestellt sind. Auch „Judentum“ wurde häufiger genannt, seltener auch „heiliges Land“ oder „auserwählt“.

Bei der Auswertung der Ergebnisse fällt auf, dass der Gottes-Glaube und die Religiosität des Judentums/ Israels nicht so sehr im Fokus stehen, wie man das vermutet hätte. Das liegt wohl daran, dass die Israelis vor Ort ihr Land in einer religiösen, ethnischen und kulturellen Pluralität erleben, die man von außerhalb nur begrenzt mitbekommt.

 

Beim Blick auf die deutsche Eigenwahrnehmung begegnet uns das gleiche Wort auf dem ersten Platz: „Heimat“. Dieses wird dicht gefolgt von „Demokratie“, „Bürokratie“, „Sozialstaat“ und „Wohlstand“. Auch die Deutschen sind nicht durchweg positiv überzeugt vom eigenen Land, sodass auch Begriffe wie „Chaos“, „Rentenarmut“ und „Katastrophe“ häufiger genannt wurden.

Interessant werden diese Betrachtungen im Licht der gegenseitigen Fremdwahrnehmung. Die erste gedankliche Verknüpfung der Israelis mit Deutschland ist der „Holocaust“. Weitere Begriffe, die mit der schmerzhaften Geschichte zwischen den Volksgruppen einhergehen sind „Nazis“ und „Antisemitismus“. Die Betonung dieser Begriffe überrascht nicht. Auffälliger sind neben typisch deutschen Dingen wie „Ordnung“ und „System“ vor allem positiv bewertete Begriffe wie „Qualität“, „entwickelt“ und „wunderschön“.

Wie zu vermuten war, lässt sich schlussfolgern, dass die alten Wunden noch tief sitzen und Menschen in Israel eine erste positive Assoziation fernab von der gemeinsamen Vernichtungs-Geschichte noch nicht zulassen kann. Auffällig und vielversprechend für eine künftige bessere Verständigung sind daher die positiven Assoziationen und der gewürdigte „gute Charakter“ des heutigen Deutschlands zu sehen, die nicht unbemerkt an Israel vorbeigegangen sind.

Deutschlands erste Assoziation „Krieg“ ist ähnlich negativ behaftet. Allerdings denken die Deutschen fast gleichermaßen an religiöse Termini wie „Judentum“, „Glaube“ und generalisierte „Religion“. Da kaum Begriffe aus einem anderen Bereich als „Krieg“ und „Religion“ genannt wurden, lässt sich schlussfolgern, dass die Deutschen fast nur binär über Israel denken und urteilen. Es scheint vorherrschend in den Köpfen der deutschen Bürger zu sein, dass sich die Facetten des Israels der Juden auf diese zwei Gesichtspunkte reduzieren lassen und sie sich der ethnischen, religiösen und kulturellen Pluralität des Landes nicht wirklich bewusst zu sein scheinen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die heutigen Israelis Deutschland vielschichtiger betrachten und somit trotz einiger negativen Assoziationen ein positiveres Gesamtbild haben. Deutschland sieht Israel als ein Land der Extreme, entweder militärisch oder eben religiös, was den Anschein einer nicht allzu positiven Gedankenvielfalt über Israel widerspiegelt.

 

Deutsch-israelische Beziehung heute

Beim Streben nach einer gesunden deutsch-israelischen Beziehung wird öffentlich oft von ehemals gemeinsamen Werten und teilweise gemeinsamer Geschichte gesprochen. Dabei wird vor allem Deutschland eine besondere Verantwortung zugeschrieben, in diese Beziehung der Völker zu investieren und angerichtete emotionale und soziale Schäden zu heilen.

Das Fundament der bilateralen Beziehung bilden zum Beispiel Städtepartnerschaften, gemeinsame Sportveranstaltungen, Jugendaustausch und der gegenseitige Tourismus mit besonderem Augenmerk auf christliche Pilgerreisen nach Israel. Diese Kontaktmöglichkeiten bieten immer wieder eine Schnittstelle und unterschiedliche Begegnungsflächen für die Bevölkerungen beider Länder und schafft somit ein neues Aufeinanderzugehen.

Trotz aller Bemühungen zeigt die Statistik der gegenseitigen Besuchsquoten auch eine Diskrepanz zwischen den Ländern. Fast 93% der befragten Deutschen waren noch nie in Israel. Dem gegenübergestellt waren nur 58% der befragten Israelis noch nie in Deutschland. Zwar sind Besuche in den Ländern nicht allein ausschlaggebend für sachgerechte Rückschlüsse über die Qualität ihre Beziehung zueinander, doch scheint die anfangs vermutete Verbundenheit doch nicht so hoch zu sein wie erwartet.

Bemerkenswert daran ist allerdings, dass die Deutschen angaben, ein grundsätzliches Interesse an Israel zu haben – auch wenn es sich in der Umsetzung anders widerspiegelt. Denn sowohl berufliche als auch private Kontakte nach Israel haben die befragten Deutschen sehr wohl, sogar prozentual mehr als Israelis mit Deutschen. Religiös geprägte Menschen und Gläubige haben zudem ein sehr viel stärkeres Interesse an Israel, insbesondere am Israel der Juden und der biblischen Geschichte, als der Durchschnitt der restlichen Befragten. Das ist nicht verwunderlich, da ja die Deutschen Israel als ein religiöses Land wahrnehmen, das auch mit der eigenen christlichen Tradition verbunden bleibt.

Wie also das gegenseitige Interesse zu bewerten ist, muss insgesamt gesehen offenbleiben. Vermutlich herrscht ein gegenseitiges Interesse am jeweils anderen Land und an der dazugehörenden Bevölkerung. Dieses Interesse bleibt aber noch getrübt von der gemeinsamen Schreckensgeschichte des Holocausts, was sich auch in der israelischen Berichterstattung zeigt, die hauptsächlich über landesinterne Zustände informiert, nicht aber über die politisch-kulturelle Lage Deutschlands. Die befragten Israelis fühlten sich dementsprechend auch weniger informiert, wohingegen Deutsche sich gut informiert fühlen.

 

Zum Schluss noch ein paar Hard Facts über die bilateralen Meinungen:

46% der Deutschen denken positiv über Israel, 34% positionierten sich hingegen zurückhaltend bis ablehnend.

63% der Israelis denken positiv über Deutschland und nur 19% haben eine schlechte Meinung über Deutschland. Eine Skepsis gegenüber dem Staat Israel ist vor allem den religiösen Juden abzuspüren.

 

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die Deutschen im Schnitt eine negativere Meinung über Israel vertreten als Israel über Deutschland.

Auch wenn das zunächst ein nicht erfreulicher Status ist, bleibt die Hoffnung auf eine heilende Beziehung der zwei Völker und ihrer Bevölkerungen. In diesem Zusammenhang ist es auch als erfreuliche die Tendenz zu werten, dass eine positive Meinung zunehmend ist. Eine positiv geprägte Wahrnehmung Israels unter Deutschen nimmt demnach immer mehr zu, wie sich in einer Studie der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahr 2007 zeigt, in der damals nur 11% der Deutschen positiv über Israel dachten.

 

Diese Studie hält uns als Deutschen einen Spiegel vor. Gerade wegen der gemeinsamen geschichtlichen Vergangenheit im 20. Jahrhundert sind Israel und Deutschland auf unterschiedlichen Ebenen miteinander verbunden. Es gilt nun, diese Beziehung zu klären, zu überarbeiten und zu vertiefen.

Dazu braucht es immer wieder Berührungspunkte der Menschen, die vor allem die junge Generation miteinander vereint und aus alten Feinden Freunde werden.

 

Quellen:

https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/deutschland-und-israel-heute-zwischen-verbundenheit-und-entfremdung

Zum Weiterlesen:

Lothar Mertens (Hg.): Deutschland und Israel. Ausgewählte Aspekte eines schwierigen Verhältnisses, Schriftenreihe der Gesellschaft für Deutschlandforschung 88, Berlin 2006.
https://www.duncker-humblot.de/_files_media/leseproben/9783428520497.pdf

Bundeszentrale für politische Bildung: Israel und Deutschland. 65. Jg. 6/2015
https://www.bpb.de/system/files/dokument_pdf/APuZ_2015-06_online.pdf

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