Der vielleicht bedeutendste archäologische Fund seit langem

Seit Jahren schon arbeitet der Archäologe Dr. Scott Stripling, Mitarbeiter der Associates for Biblical Research, in Israel und hat u.a. in Silo bedeutende Entdeckungen gemacht. Doch kein bisheriger Fund brachte die heutige Forschung an einen solchen Scheideweg, wie dieser neuste es nun womöglich tut: Bereits 2019 fand Dr. Scott Stripling mit seinem Team eine kleine Tafel auf dem Berg Ebal. Sie arbeiteten an der alten Ausgrabungsstelle, die in den 1980ern schon durch das Team um Dr. Adam Zertal erforscht worden war. Damals wurde jedoch die Methode des Trockensiebens angewandt, die mittlerweile durch die Methode des Nasssiebens in weiten Teilen abgelöst wurde, weil diese sich bei den Ausgrabungen am Tempelberg als besonders effektiv erwies: Einige Funde, die bei der Trockensiebung nicht gesehen wurden, konnten durch die Nässe als archäologische Artefakte identifiziert werden. So nun auch auf dem Berg Ebal: Stripling fand die kleine Tafel aus Blei, die er sogleich als Fluchtafel identifizierte. Diese seien in der Form schon öfter gefunden worden, weshalb die Identifizierung dem erfahrenen Archäologen leicht fiel.

Die Aufnahme zeigt den Berg Ebal mit der archäologischen Ausgrabungsstätte. Foto: Daniel Ventura auf Wikimedia Commons.

Da sich die Tafel, die eine Größe von 2cm x 2cm aufweist, nicht öffnen ließ, schickte Stripling sie an ein Institut in Prag, das eine besondere Scanmethode anwendet und so den Inhalt auch ohne ein Aufbrechen der Tafel offenlegen konnte. Stripling arbeitete in diesem Prozess mit zwei weiteren Wissenschaftlern zusammen: Pieter Gert van der Veen von der Universität Mainz und Gerschon Galil von der Universität Haifa. Nun veröffentlichte Stripling die Ergebnisse, die die Archäologenwelt in Staunen versetzen. Die Tafel enthält die Sätze: „Verflucht, verflucht, verflucht – verflucht vom Gott JHW: Du wirst sterben, verflucht, verflucht, du wirst sicher sterben. Verflucht von JHW – Verflucht, verflucht, verflucht“. Es handelt sich um genau 40 Buchstaben, die einer proto-alphabetischen Keilschirft zuzuordnen sind.

Warum ist dieser Fund mit seinem Inhalt so bedeutend? In der biblischen Erzählung rund um die Landnahme spielt der Berg Ebal eine besondere Rolle (Dtn 11,29, Dtn 27 und Jos 8,30ff.). Als Israel unter Josua in das Land zog, ließ er vom Berg Garizim, der dem Berg Ebal gegenüberliegt, den Segen verlesen, den Gott Israel verhieß; vom Berg Ebal wurde der Fluch verlesen. Bis heute gibt es verschiedene Lager in der Forschung, die sich an dieser frühen Geschichte Israels spalten. Ein Lager verneint eine solch frühe Existenz des Volkes Israel und die Zuverlässigkeit der biblischen Schrift, wenn sie über diese Ereignisse berichtet. Nach dieser Meinung hat sich der jüdische Monotheismus erst im babylonischen Exil entwickelt, ein nennenswertes Volk Israel habe es erst unter den späteren Königen gegeben, demnach habe die Landnahme in der biblischen Form nicht stattgefunden.

Das Foto zeigt den Berg Garizim.

Dass nun eine Fluchtafel, die den Namen JHW(H) erwähnt, auf dem Berg des Fluches aus dem Buch Josua gefunden wurde, wirft nun viele Fragen auf. Dr. Scott Stripling und sein Team schätzen das Alter der Tafel auf das 13. Jhdt. v.Chr. Sollte sich das in den folgenden Monaten als richtig erweisen, würde das bedeuten, dass es ein Volk Israel im israelischen Gebiet schon wesentlich früher gab, als viele Wissenschaftler heute annehmen. Auch bestätigt es, dass die Israeliten durchaus schon in der Lage waren, Texte zu verfassen – was ein anderes Licht auf die Verfassungszeit der biblischen Schriften werfen würde, die von vielen Wissenschaftlern ebenfalls als wesentlich später eingeordnet wird. Der bisher älteste Schriftbeweis im Land Israel ist fünf Jahrhunderte jünger als das geschätzte Alter dieser Tafel. Das Besondere an der gefundenen Fluchformel ist, dass sie in einem chiastischen Parallelismus formuliert ist, was eine weit entwickelte Sprache und Schriftform vermuten lässt. Diese Art von Texten gibt es in der Bibel häufiger – sollte das Alter der Tafel verifiziert werden, würde das auf eine sehr viel frühere Abfassung der biblischen Texte hindeuten, als bisher angenommen.  Außerdem würde es darauf hindeuten, dass der Berg Ebal tatsächlich als Berg des Fluches bekannt war.

Schon durch Dr. Adam Zertal hatte es einen Hinweis in diese Richtung gegeben: Er fand mit seinem Team die Strukturen eines Altars, die er mit der des Altars gleichsetzte, der unter Josua gebaut worden sein soll.

Das Titelfoto zeigt Dr. Scott Stripling bei der Pressekonferenz, bei der er den Fund erklärte. Hier finden Sie die ganze Pressekonferenz, der das Foto entnommen ist.

 

Quellen:

Barschel-Dan, Amanda, https://www.timesofisrael.com/archaeologist-claims-to-find-oldest-hebrew-text-in-israel-including-the-name-of-god/ (Stand 25. März 2022)

Israelnetz, https://www.israelnetz.com/archaeologen-bislang-aelteste-hebraeische-inschrift-entdeckt/ (Stand 25. März 2022)

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