Ausgrabungen in Hazor – auf der Suche nach dem Ursprung der Israeliten als Stammesvolk

In den kommenden drei Jahren will ein Team von der Universität Oldenburg neue Erkenntnisse zum Ursprung des Volkes der Israeliten gewinnen. Dabei steht die antike Stadt „Hazor“ im Fokus. Unter Leitung von Benedikt Hensel, Archäologe und Professor für das Alte Testament, ist das Ziel mehr darüber herauszufinden, wie die Stadt Hazor verlassen und durch das israelitische Volk wiederbesiedelt wurde. Hazor, das nördlich des Sees Genezareth lag, ist nicht nur eine beliebige Stadt der Antike. Vielmehr gilt sie als eine der größten antiken Siedlungen im östlichen Mittelmeerraum. Für das Forscherteam stellt sich die Frage, wie diese Ereignisse die Identitätsbildung der Israeliten beeinflusst haben.

Hazor in der Bibel

In der Bibel begegnet uns Hazor im Buch Josua. Das Volk Israel befindet sich mitten im Prozess der Landnahme. Kanaan bestand während dieser Zeit hauptsächlich aus mehreren Stadtstaaten, welche von Israel besiegt werden mussten, um das Verheißene Land beziehen zu können. Dabei taucht Hazor im Kontext der Feldzüge gegen kanaanäische Könige im Norden auf. Hazor war laut biblischem Zeugnis eine Art Hauptstadt, über die sich mehrere Könige unter einem König zusammen vereinigten. In Josua 11,1-3 heißt es:

„(1) Als aber Jabin, der König von Hazor, das hörte, sandte er zu Jobab, dem König von Madon, und zum König von Schimron und zum König von Achschaf (2) und zu den Königen, die im Norden auf dem Gebirge und im Jordantal südlich von Kinneret und im Hügelland und auf den Hügeln von Dor am Meer wohnten, (3) zu den Kanaanitern im Osten und Westen, den Amoritern, Hetitern, Perisitern und Jebusitern auf dem Gebirge, dazu den Hiwitern am Fuße des Hermon, im Lande Mizpe.“

 Es versammelten sich also die Truppen mehrerer Könige als ein Heer, um sich gemeinsam dem Volk Israel entgegenzustellen. Es kommt zu einem Showdown am Berg Har-Merom, bei dem Israel alle feindlichen Truppen erfolgreich schlagen kann. Weiter heißt es in Vers 10-11:

„(10) Und Josua kehrte um zu dieser Zeit und nahm Hazor ein und erschlug seinen König mit dem Schwert; denn Hazor war vormals die Hauptstadt aller dieser Königreiche. (11) Und sie erschlugen alle, die darin waren, mit der Schärfe des Schwerts und vollstreckten den Bann an ihnen, und nichts blieb übrig, was Odem hatte, und Hazor verbrannte er mit Feuer.“

Es wird also deutlich, dass das israelische Volk erfolgreich die Gegend rund um Hazor einnehmen konnte. Doch inwiefern gestalteten sie diese Orte um und wohnten dort? Später taucht Hazor erneut auf, in Richter 4; hier schlägt Israel unter der Führung von Deborah ebenfalls einen König, der Jabin heißt und in Hazor residierte. In welchem Zusammenhang beide Texte stehen und ob beide Könige dieselben sind ist nicht endgültig geklärt.

 

Hazor als Linse

Da Hazor vermutlich bereits Anfang des 3. Jahrtausends vor Christus erstmals besiedelt wurde, ist die Besiedlungsgeschichte seitdem vielschichtig und komplex. Spätestens ab dem 18. Jahrhundert vor Christus schien Hazor eine Großstadt gewesen zu sein. Es bestanden wohl unter anderem Beziehungen zur mesopotamischen Stadt Mari. Dies belegen Texte aus jener Stadt, die Hazor erwähnen. Später wurden auch in Hazor selbst Texte gefunden, die Opfertierlieferungen nach Mari belegen.

Auch die Ägypter erhoben zwischenzeitlich Anspruch auf Palästina und damit auch auf Hazor. Die Stadt diente den Ägyptern wohl als wichtiger Umschlagplatz für den Warenhandel.  Aufgrund der langen Geschichte und Relevanz der Stadt, versteht das Forscherteam rund um Professor Hensel Hazor als „Linse“, die dabei helfen soll, die Wechselwirkungen zwischen den Umsiedlungsprozessen und der Erinnerungs- und Identitätsbildung des frühen Israels zu verstehen. Welche kulturelle und ethnische Identität hatte das israelische Volk und wie verhielten sie sich gegenüber den Ruinen der Metropole? Die Forscher wollen Hazor und die Kanaaniter innerhalb der biblischen Tradition rekonstruieren und nachvollziehen, wie die Ereignisse mit der Vorstellung vom Ursprung des Volkes Israel als frühe Stammeskultur verbunden sind. Hensel verfolgt die These, dass die Stadt Hazor den Israeliten als Gegenbild diente, durch das mit literarischen Mitteln das Selbstverständnis und die Identität des biblischen Israel geformt wurden.

Um die Forschungsziele zu erreichen, stellte die Universität Oldenburg ein multidisziplinäres Team zusammen. Neben Archäologen und Bibelwissenschaftlern, arbeiten auch Forscher aus den Bereichen der Sozial- und Kulturgeschichte und der Anthropologie mit am Projekt. Weitere Projektpartner sind die Universität Regensburg und die Hebräische Universität in Jerusalem.

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