Was mir fehlt – ein Israeli in Deutschland berichtet
veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des IDEA-Verlags
Asaël Weisman ist angespannt. Jede halbe Stunde checkt der 41-Jährige die israelischen Nachrichten. Gibt es neue Angriffe? Seine Schwester lebt im Norden Israels mit ihren zwei Kindern in einem Kibbuz in der Jesreel-Ebene. Das macht ihm Angst. Ohne seinen jüdischen Glauben wäre diese Angst noch größer, erzählt der Musiker: „Ich singe jetzt jeden Tag Psalmen für mein Volk und für unser Land Israel.“
Keiner fragt nach
Asaël Weisman ist der Liebe wegen nach Deutschland gezogen: Seit fünf Monaten lebt er mit seiner deutschen Ehefrau Kristina (31) in einem kleinen niedersächsischen Dorf bei Wolfenbüttel. Das Ehepaar ist dankbar, dass sie dort bislang keine Anfeindungen erlebt haben. Was ihnen dennoch fehlt: Mitgefühl. Die Menschen gingen ihrem normalen Alltag nach, angesprochen hat ihn keiner, sagt Asaël Weisman: „Die Nachbarn wissen, dass ich Israeli bin. Keiner hat mich bis heute gefragt: Wie geht es dir? Lebt deine Familie?“ Viele Israelis in Deutschland hätten in den sozialen Netzwerken von ähnlichen Erfahrungen berichtet, sagt er. Es gebe natürlich die großen Kundgebungen, etwa in Berlin. „Aber ich habe das Gefühl, dass die Deutschen politisch korrekt sein möchten und Angst haben, eine der Seiten zu verärgern.“ Er findet, dass es möglich sein sollte, „eine klare Position zu dem Angriff zu beziehen und gleichzeitig Empathie für Israelis und Palästinenser zu empfinden“. Seine schwangere Frau beurteilt die Situation ähnlich. Die freikirchliche Theologin wünscht sich von den Kirchen in Deutschland noch mehr Solidarität mit Israel. Die Stellungnahmen der Kirchen seien häufig zu diplomatisch formuliert und die Konsequenzen, die jetzt aus dem Angriff folgen müssten, nicht klar genug benannt.
Sicherheitsvorkehrungen treffen
Das Ehepaar beobachtet auch die antisemitischen Vorfälle in Deutschland. Zwischen dem 7. und 15. Oktober hat die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) über 200 verzeichnet. Mittlerweile treffen sie kleinere Sicherheitsvorkehrungen. Vor einigen Tagen nutzten sie den Wagen von Kristina Weismans Vater. Auf dem Auto klebten bislang israelische Flaggen und Symbole wie zum Beispiel der Davidstern. Diese proisraelische Sichtbarkeit machte sie plötzlich unruhig: Was, wenn sich dadurch Menschen provoziert fühlen? Nach langen Überlegungen entschieden sie sich, die Aufkleber zu entfernen. „Auch mein Vater hat uns dazu geraten“, sagt Kristina Weisman. Und ihr Ehemann ergänzt: „In mir ist etwas zerbrochen, als wir den Schriftzug ,Am Israel Chai‘ – Das Volk Israel lebt – entfernten. Aber wir wollen weise handeln.“
Was sollte die israelische Regierung tun?
Zwischendurch steigt in ihm die Wut hoch – nicht auf die palästinensische Bevölkerung, aber auf die Hamas und andere Terrororganisationen, die „als Feinde Israels agieren und gegen einen gemeinsamen Frieden arbeiten“. Gegen sie müsste die israelische Regierung vorgehen. Deswegen unterstützt er auch die Bodenoffensive im Gazastreifen: „Anders kann die Hamas nicht ausgeschaltet werden.“ Sobald der Krieg beendet ist, wünscht er sich für Israel eine neue Regierung: „Diese muss sich dann mit einer Lösung für den Konflikt befassen. Das haben die vorangegangenen Regierungen nicht getan.“ Er hofft, dass es eines Tages Frieden geben wird. Aber das wird lange dauern, sagt er – und verweist auf die Wüstenwanderung der Israeliten. Auf ihrem Weg ins Gelobte Land musste Gott die Generation zurücklassen, die aus Ägypten auswanderte, um mit der nachfolgenden etwas Neues zu beginnen. „Eine wirkliche Veränderung braucht Zeit“, sagt Asaël Weisman. Es klingt nachdenklich. Die Hoffnung will er nicht aufgeben.
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