Niemals hätte ich gedacht… Ein Kommentar zum aktuellen Stand des Geiseldeals zwischen Israel und der Hamas vom 8. Februar 2025

Niemals hätte ich gedacht, dass ich solche Bilder sehen würde. Nicht in unserer Zeit. Nicht in unserer aufgeklärten Welt, geprägt durch die grausame Erfahrung zweier Weltkriege und der unvergesslichen Schrecken des Holocaust. Aber die Bilder, die mit dem 7. Oktober gekommen sind, gehen nicht wieder. Nein, es kommen immer mehr dazu. Und in diesen Tagen muss jedem, der sie sieht, speiübel werden.

Was haben wir in den letzten zwei Wochen über unsere Bildschirme flackern sehen? Ein alter jüdischen Mann wird durch einen wütenden Mob schreiender, schubsender, drängelnder, fluchender, Gewalt bereiter palästinensischer Zivilisten geschoben. Eine junge jüdische Frau klammert sich an ihre schwer bewaffneten Peiniger des palästinensischen Dschihad, die sie eineinhalb Jahre gefangen gehalten haben, weil sie solche Angst vor der aufgebrachten Menge hat. Jüdische Menschen werden neben bewaffneten und vermummten Männern vor einer Kamera aufgestellt und müssen in Propagandavideos der Hammas mitspielen. Einer jungen Frau fehlen Finger an einer Hand. So sind insgesamt schon 8 Geiseln im Zuge des Deals, den Israel mit der Hammas geschlossen hat, freigekommen.

Der arabisch-israelische Aktivist Yoseph Haddad postete auf Facebook Bilder von den am 8. Februar freigelassenen Geiseln.

Und heute? Heute, am 8. Februar wurden wieder drei Männer freigelassen und was wir heute zusehen bekommen haben, toppt all das noch an Unmenschlichkeit. Die Bilder ähneln erschreckend solchen von vor 80 Jahren: Wir sahen abgemagerte Juden, kaum noch als die Personen zu erkennen, die sie mal waren.

Was eigentlich als Geiselbefreiung Jubel hervorbringen sollte, lässt viele in Israel mit Schrecken zurück. Das kollektive Trauma, das der 7. Oktober gebracht hat, wird nur noch größer, denn das Leid der Geiseln wird jetzt Stück für Stück offenbar. Kein Essen, kein Licht, Gewalt, keine Hygiene, Einsamkeit, Sklavenarbeit. Dies sind nur ein paar Schlagworte und sie können das Leid niemals begreiflich machen.

Und was ist das Verbrechen dieser Menschen, dass ihnen das angetan wurde? Ganz einfach: Sie sind jüdisch. Was nach Mittelalter oder Zeiten des Holocaust klingt, ist die Realität unserer Zeit. Unfassbar. Und was passiert? Nichts. Die politische Weltbühne bleibt erschreckend leer, Verantwortungsträger, die gerne ein Mal im Jahr  zu Gedenktagen “Nie wieder!” in Mikrofone sprechen, bleiben still. Peinlich. Traurig. Beschämend. Stattdessen lese ich Meldungen, dass Israel von den palästinensischen Häftlingen, die im Deal im Gegenzug zu den israelischen Geiseln freigelassen werden, wegen einer schlechten Behandlung dieser angeklagt würde. Was kaum öffentlich angemerkt wird: Bei diesen Menschen, die sich lauthals beschweren, handelt es sich um Mörder, Attentäter, Vergewaltiger. Für einen der Männer, die heute freigekommen sind, wurde unter anderem ein Terrorist freigelassen, der 16 Israelis ermordet hat. Wie kann man da Beschwerden dieser Menschen ernst nehmen? Wieso finden sie überhaupt Eingang in unsere Medien? Und wieso drückt niemand seine Schockierung darüber aus, dass Israel Mörder freilassen muss, um seine unschuldigen Bürger wiederzubekommen?

Mein Gewissen sagt mir, dass ein Mörder, ein Vergewaltiger, ein Attentäter hinter Gittern sein muss, egal ob seine Opfer jüdisch, arabisch oder deutsch waren. Der alte Mann, die abgemagerten Männer von heute, die Frau, der zwei Finger fehlen, sie alle sind keine Straftäter, einfach nur Israelis. Aber ich gebe langsam auf, nach Verhältnismäßigkeit zu fragen, wenn es um den Nahostkonflikt und insbesondere das Geschehen seit dem 7. Oktober geht.

Yoseph Haddad ist nur einer von zahlreichen Israelis, die den Vergleich zum Holocaust ziehen.

Aber müsste man nicht mehr erwarten? Müsste man nicht viel mehr erwarten können von der westlichen Welt? Müsste man nicht viel mehr erwarten müssen von Deutschland – von deutscher Politik und deutschen Kirchen, die sich so grausam an jüdischen Menschen vergangen haben, aktiv mit Gewalt und passiv durch lautes Schweigen, und das über Jahrhunderte hinweg? Der Holocaust ist nicht einmal 100 Jahre her und dieses Land hat nichts gelernt, sondern beginnt zu vergessen und scheint nicht in der Lage zu sein, eindeutig Stellung zu beziehen und klar und moralisch zu handeln. Stattdessen sehen wir wiederholt antiisraelische, propalästininensische Demonstrationen, bei denen die Ermordung von Juden gefordert wird, und das, während in Israel jüdische und arabische Menschen unter dem 7. Oktober und seinen Folgen leiden. Einer der abgemagerten Männer, die heute freigelassen wurden, musste erfahren, dass seine Frau und seine beiden Kinder von palästinensischen Terroristen vor eineinhalb Jahren massakriert wurden. Ein anderer kommt nach Hause zu seinem kleinen Sohn, der seit dem 7. Oktober als Waise gelebt hat, weil seine Mutter ermordet und sein Vater verschleppt wurde. Und die Welt guckt zu. So wie damals.

Was bedeutet das für uns? Diese Frage stellen wir uns mittlerweile täglich als israelisch-deutsche Familie, als jüdisch-christliches Paar. Können wir nach Israel gehen, wo Juden bedroht werden und man sich dafür rechtfertigen muss, dass der Staat seine Bürger verteidigt? Können wir in Deutschland bleiben, wo kaum jemand in der Lage oder willens ist, uns und vor allem unsere Kinder zu schützen? Egal, ob links oder rechts und mittlerweile furchtbar oft muslimisch – Israel- und Judenhass zeigt sich ohne Furcht und Konsequenzen offen auf unseren Straßen.

Ich hoffe und bete, dass sich das ändern kann und wird. Aber die Bilder aus diesen Tagen lassen mich trauernd und ratlos zurück.

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