Israel auf dem Katholikentag? Fehlanzeige!

In den vergangenen Tagen wurde der 102. Katholikentag in Deutschland veranstaltet: Vom 25. bis zum 29. Mai 2022 kamen römisch-katholische Christen aus Deutschland und anderen Ländern in Stuttgart zusammen und fanden ein reichhaltiges Programm vor: „Gottesdienste, große und kleine Podien, Werkstätten, Konzerte, Ausstellungen, Theater und vieles mehr erwarten die Besucher:innen.“1https://www.katholikentag.de/ueberuns (Stand 27.05.2022) – so beschreiben es die Veranstalter auf ihrer Website.

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) hat sich auch in diesem Jahr vieles einfallen lassen. Über die ganze Stadt verteilt fanden verschiedene Veranstaltungen statt: Unter dem Motto „Leben teilen“ konnte man in der Stille meditieren und internationale Glaubensweisen von Christen und anderen Religionen kennenlernen, es gab viele Angebote zum Islam, man konnte sich mit Genderfragen, Klimawandel und politischen Themen auseinandersetzen – sogar der Bundeskanzler Olaf Scholz hat an einer Podiumsdiskussion teilgenommen.2https://www.katholikentag.de/programm/suche (Stand 27.05.2022) Doch wie war es mit Diskussionsrunden oder Foren rund um Israel bestellt?

Der WELT-Autor Alain Posener findet deutliche Worte in seiner Vorab-Analyse des Programms auf dem Kirchentag: „Die Katholiken bleiben in Sachen Antisemitismus der Tradition der Kirche treu.“3https://www.welt.de/debatte/article239005159/Antisemitismus-Warum-boykottiert-der-Katholikentag-Israel.html (Stand 27.05.2022) Er bemängelt, dass zwar Antisemitismus thematisiert werde, jedoch nur der aus dem rechtsextremen Lager. Dagegen würden linksradikaler und vor allem muslimisch motivierter Antisemitismus (wieder mal) verschwiegen. Posener beanstandet, dass die Kirchen die „Hauptschuld“ daran trügen, dass „der Judenhass untrennbar Teil der abendländischen Kultur“ sei, und sie deshalb die größten Gegner des Antisemitismus sein sollten. Zwar mag der Vorwurf gegen „die Kirchen“ (können wirklich alle Kirchen in Verantwortung gezogen werden oder nicht viel mehr nur die beiden großen Volkskirchen?) etwas harsch scheinen, doch kann man der Erwartung kaum widersprechen – aus theologischer wie auch historischer und einfach menschlicher Perspektive. Dennoch mag man zusammen mit Posener erstaunt auf das Programm des Katholikentags schauen, das der Israel-Boykott-Bewegung BDS eine öffentliche Bühne zuteilte: Michael Sappir (ein antiisraelischer Blogger), Muriel Asseburger (Kritikerin der Anti-BDS-Resolution Berlins) und Fadi Quran (antiisraelischer Aktivist und Unterstützer der BDS) waren geladene Gäste, während kein Vertreter der jüdischen Perspektive geladen wurde, nicht mal ein deutscher Kritiker der BDS.4https://www.welt.de/debatte/article239005159/Antisemitismus-Warum-boykottiert-der-Katholikentag-Israel.html (Stand 27.05.2022)

Ein weiterer Blick in das Programm5https://www.katholikentag.de/programm/suche (Stand 27.05.2022) offenbart, dass zwar viel Dialog mit dem Islam gesucht und etwa ein palästinensischer Film gezeigt wurde, dass aber das Judentum wenig Raum fand und der jüdische Staat Israel noch weniger. An Ständen schienen nur die der üblichen Kirchen aus Jerusalem vorhanden zu sein sowie einer vom „Netzwerk Ökumenisches Begleitprogramm in Palästina und Israel in Deutschland“, das sich laut eigener Website für ein Ende der „israelischen Besatzung“ einsetzt6http://www.eappi-netzwerk.de/uber-eappi/ (Stand 27.05.2022).

Politisch gibt all das ein klares Statement gegenüber dem jüdischen Staat ab. Peinlich erscheint diese allzu laute Stellungnahme, wenn man bedenkt, dass vor nicht allzu langer Zeit innerhalb weniger Wochen fast 20 jüdische Menschen in Israel von palästinensischen Attentätern ermordet wurden. Und dass sie gerade aus dem Land kommt, aus dem die Vernichtung der europäischen Juden hervorging sowie der Plan, auch im Nahen Osten die jüdische Gemeinschaft auszulöschen in Zusammenarbeit mit führenden palästinensischen und arabischen Personen.

So hallen die Fragen, die Posener in seinem Beitrag stellt, laut in der Stille nach und man sucht vergeblich nach sich erschließenden Antworten: „Warum hat die Kirche Angst vor Diskussionen? Warum wird Israel auf dem Katholikentag boykottiert? Wo erfährt man, wie die von Christen und Muslimen jahrhundertelang diskriminierten Juden in ihrem Staat Demokratie, Religionsfreiheit und Toleranz vorleben?“7https://www.welt.de/debatte/article239005159/Antisemitismus-Warum-boykottiert-der-Katholikentag-Israel.html (Stand 27.05.2022) Fragen, die wir uns an vielen Stellen in der deutschen Gesellschaft stellen müssen und deren Antworten wir nicht ausweichen dürfen. Ein Kirchentag – welcher christlichen Konfession auch immer – dem theologischen Dialog zwischen Juden und Christen und der ausnahmslosen Ablehnung anti-jüdischer, anti-israelischer und anti-semitischer Strömungen verweigert, verdient es nicht, als genuin christliche Veranstaltung, die das „Leben teilen“ will, ernstgenommen zu werden.

 

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    https://www.katholikentag.de/ueberuns (Stand 27.05.2022)
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    https://www.katholikentag.de/programm/suche (Stand 27.05.2022)
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    https://www.welt.de/debatte/article239005159/Antisemitismus-Warum-boykottiert-der-Katholikentag-Israel.html (Stand 27.05.2022)
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    https://www.welt.de/debatte/article239005159/Antisemitismus-Warum-boykottiert-der-Katholikentag-Israel.html (Stand 27.05.2022)
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    https://www.katholikentag.de/programm/suche (Stand 27.05.2022)
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    http://www.eappi-netzwerk.de/uber-eappi/ (Stand 27.05.2022)
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    https://www.welt.de/debatte/article239005159/Antisemitismus-Warum-boykottiert-der-Katholikentag-Israel.html (Stand 27.05.2022)

 

Quellen:

N.N., EAPPI – ein Programm des ÖRK, http://www.eappi-netzwerk.de/uber-eappi/ (Stand 27.5.2022)

Posener, Alan, Warum wird Israel auf dem Katholikentag boykottiert?, https://www.welt.de/debatte/article239005159/Antisemitismus-Warum-boykottiert-der-Katholikentag-Israel.html (Stand 27.5.2022)

ZdK, https://www.katholikentag.de/startseite (Stand 27.5.2022)

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    https://www.katholikentag.de/ueberuns (Stand 27.05.2022)
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    https://www.katholikentag.de/programm/suche (Stand 27.05.2022)
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    https://www.welt.de/debatte/article239005159/Antisemitismus-Warum-boykottiert-der-Katholikentag-Israel.html (Stand 27.05.2022)
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    https://www.welt.de/debatte/article239005159/Antisemitismus-Warum-boykottiert-der-Katholikentag-Israel.html (Stand 27.05.2022)
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    https://www.katholikentag.de/programm/suche (Stand 27.05.2022)
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    http://www.eappi-netzwerk.de/uber-eappi/ (Stand 27.05.2022)
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    https://www.welt.de/debatte/article239005159/Antisemitismus-Warum-boykottiert-der-Katholikentag-Israel.html (Stand 27.05.2022)