Gottes Wege mit Israel als „Vorbild“ für Christen (1.Kor. 10)
Es gibt Geschichten im Alten Testament, die wir gut kennen. Meistens haben wir sie als Wege Gottes mit Israel gelesen, ohne uns in jedem Fall tiefere Gedanken darüber zu machen. Doch immer wieder gibt es solche Momente, in denen wir einen Text erneut lesen und eine völlig neue Dimension des Textes in seinem gesamtbiblischen Bezug entdecken, so, als würde uns jemand die Decke von den Augen nehmen.
In 1.Korinther 10 legt Paulus eine alttestamentliche Geschichte aus und schafft genau einen solchen Moment einer Neuentdeckung. Er schreibt über das Volk Israel in der Wüste und zeigt: Wie Gott damals an Israel als Vorbild handelte, so handelt er „heute“ an Christen in der Gemeinde. Der Fels, der sie damals begleitete und durch sein Wasser am Leben hielt, war in der Deutung des Apostels der Herr Jesus selbst! So schafft Paulus einen Bezug von der Zeit Israels zur Zeit der Gemeinde Jesu.
Auf der Grundlage dieser Vergleichsebene zwischen dem Volk Israel und uns als der Gemeinde Jesu ermahnt Paulus nun die Korinther (und über sie auch uns Christen heute), nicht so zu handeln, wie Israel es in der erwähnten Situation tat. Was können wir davon lernen, wie Paulus an dieser Stelle mit Bezug auf Israel und das Alte Testament an die Korinther schreibt?
Paulus benutzt an dieser Stelle eine damals übliche rhetorische Figur, die sogenannte „typologische Deutung“ von Texten, indem er in 1Kor. 10. Israel als ein Vorbild, einen Typus, beschreibt. Damit wird auch darauf hingewiesen, wie der Gott der Geschichte im hebräischen Kanon auch der Gott der Gemeinde Jesu ist.
Fünf Mal fällt zu Beginn des Kapitels der Begriff „alle“ und so wird klar, dass es hier um das nationale Israel als Ganzes geht, wie es im AT beschrieben wurde. Indem er Gottes Wege mit Israel als Exempel benutzt, verdeutlicht Paulus, wie das Bundesvolk Gottes, Israel, im Alten Testament in Fragen des Glaubens und Gehorsams Gott gegenüber auf das Leben in der Gemeinde Jesu bezogen werden darf, auch wenn das streng wissenschaftlich-exegetisch eigentlich gar nicht geht, sind die Christen ja nicht die unmittelbaren Adressaten der alttestamentlichen Perikope. Dennoch: Wenn wir an Gottes Wirken am Volk Israel denken und davon lesen, sollen wir im Hinterkopf behalten: „Alles dies widerfuhr jenen als Vorbild und ist geschrieben worden zur Ermahnung für uns, über die das Ende der Zeitalter gekommen ist“ (V. 11).
Gott hat dieses Volk Israel aus der Sklaverei gerettet, um sich an ihnen zu verherrlichen, hat sie durch das Meer hindurch „auf Mose getauft“ (V. 2) und speist sie nun, er versorgt sie und bringt sie in das verheißene Land. Doch das Volk war oft widerspenstig, murrte gegen Mose und sehnte sich zurück zu den Fleischtöpfen Ägyptens. Sie ließen sich zu heidnischen Göttern hin verführen und trieben somit Götzendienst. Doch das erstaunliche war: Gott blieb trotzdem seinem untreuen Volk treu. Mit solchen Vorbildern malte Gott ein Bild vor Augen, er offenbarte seinen Charakter und sein Wirken am Volk Israel. Paulus will nun verdeutlichen, wie wir dieses Bild in großen Teilen (direkt oder indirekt) auf die christliche Gemeinde übertragen können, auch gerade als Warnung und Ermahnung, aber auch als Trost.
Im übertragenen Sinn hat Gott Menschen aus den Juden und den Nationen aus der Sklaverei unter der Sünde gerettet, um sich an uns zu verherrlichen. Christen sind auf den Vater, den Sohn und den Geist Gottes getauft. Jesus selbst ist unser „Brot des Lebens“ (Joh. 6,35 u.a.), er versorgt uns, heiligt uns und führt uns zu unserem verheißenen Erbteil im Himmel (1. Petr. 1,4). Auf dieser Grundlage der Verheißung und des Zuspruchs werden wir Christen nun ermahnt: „Werdet nicht Götzendiener, wie einige von ihnen! (…) Auch lasst uns nicht Unzucht treiben, wie einige von ihnen Unzucht trieben (…). Lasst uns auch den Christus nicht versuchen (…) murrt auch nicht, wie einige von ihnen murrten“ (V. 7-10), damit wir nicht wie das Volk Israel untreu werden. Und gleichzeitig zeigt Paulus, dass uns ebenfalls, wie auch dem Volk Israel in der Wüste, seine Treue gilt: „Gott aber ist treu“ (V.12).
So wird wahr, was Paulus an anderer Stelle über die Schrift sagt: „Denn alles, was früher geschrieben ist, ist zu unserer Belehrung geschrieben, damit wir durch das Ausharren und die Ermunterung der Schriften die Hoffnung haben.“ (Röm. 15,4) Wir dürfen, wie Paulus mutig sein, das im Alten Testament Geschriebene als Vorbild für heute zu lesen, um am äußerlichen Handeln Gottes am Volk Israel Wegweisung für das Gemeinde- und Christenleben abzuleiten.
Dominik von Haeften
Beitragsbild: book-1210030__340.jpg
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