Christliche Mission als Deutscher in Israel
Als Deutsche tragen wir eine schwere Bürde aufgrund des verbrecherischen Umgangs mit dem jüdischen Volk durch die Nazis, die uns bis heute zurecht belastet. Die nationalsozialistische Diktatur und der Holocaust können und dürfen in Deutschland niemals als geschichtlich abhakt behandelt werden.
Angesichts dieser schlimmen Geschichte zwischen Juden und Deutschen, sowie den daraus entstandenen Verletzungen, haben sich einige Christen aus Deutschland die Aufgabe gestellt, das aktuelle Volk Israel zu trösten, um dadurch bei der Heilung der Beziehungen untereinander und bei der Versöhnung der Menschen mitzuwirken. Herausfordernde Fragen dazu lauten: Was treibt Menschen zu so einem Verhalten an? Wie können denn Christen das Volk Israel praktisch trösten? Was ist dabei der Auftrag vom Wort Gottes her?
Ein paar persönlich gehaltene Gedanken und Überlegungen dazu: Ich selbst war ein Jahr lang mit einer solchen christlichen Organisation namens „Zedakah“ (auf Deutsch Gerechtigkeit oder Wohltätigkeit) im Norden Israels unterwegs. Die Organisation versteht sich als ein Werk der Liebe, das Gutes tun will, und verfolgt einen Tröstungsauftrag in Anlehnung an Jesaja 40,1: „Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott.“. Praktisch sieht das so aus, dass Zedakah zwei Häuser für Holocaustüberlebende im Norden Israels unterhält, ein Altenheim und ein Gästehaus. Es handelt es sich dabei nicht um ein klassisches Missionswerk, sondern es dreht sich vielmehr um eine bewusst christlich geprägte diakonische Verantwortung dem jüdischen Volk gegenüber, indem christusgläubige Deutsche sowohl frommen, als auch säkularen Juden praktisch dienen und ihnen helfen wollen. In meinem Jahr, das ich dort verbracht habe, sind mir drei Punkte zum Thema „ Christliche Mission in Israel“ besonders wichtig geworden. Diese möchte ich hier kurz persönlich gehalten darstellen.
Das Zeugnis in der Tat
Wenn man als Deutscher nach Israel kommt, wird man gerade im Dialog mit religiösen Juden sehr schnell merken, dass eine andere Art des Denkens vorherrscht als in Europa: Vom mosaischen Gesetz herkommend, beurteilen sie ihre Mitmenschen sehr stark nach ihrer praktisch gelebten Frömmigkeit und danach, wie „ethisch gut“ oder religiös gottesfürchtig sie wirken und handeln. Sie sind sensibel dafür, wer das Gute sucht unter denen, die ihnen begegnen, und mit welcher Motivation er mit ihnen spricht. Das beginnt mit der äußeren Erscheinung, wie beispielsweise der Kleidung, betrifft aber selbstverständlich auch die Art des Redens und Handelns. Mission in Israel beginnt also nicht mit der Weitergabe des Evangeliums in Worten, sondern damit, sich als authentisch, vertrauenswürdig und liebevoll zu erweisen, in der Regel durch sein praktisches Verhalten. „Lasst euer Licht leuchten vor den Menschen, dass sie eure guten Werke sehen und den Vater im Himmel preisen“ (Mt. 5,16). Genau das macht Mission fruchtbar und ist auch unabhängig vom Thema „Mission“ der bleibende Auftrag Gottes an uns Christen. So spricht Johannes davon, „nicht mit der Zunge zu lieben, sondern in Tat und in Wahrheit“ (vgl. 1.Joh. 5,18). Das Zeugnis durch die Tat ist also gerade in Israel wichtig für Christen und es bekommt noch einmal ein besonderes Gewicht für uns Deutsche, die wir eine so vorbelastete Beziehung zum jüdischen Volk haben. Ein Jude, und ganz besonders ein Holocaustüberlebender, muss zuerst sehen, dass der Deutsche, dem er so skeptisch gegenübersteht, tatsächlich gute Absichten verfolgt und ihm in Demut dient. Ich selbst habe Holocaustüberlebende erlebt, die sich nach zehn Tagen Urlaub im Gästehaus unter Tränen dafür entschuldigt haben, anfänglich so schlecht von uns gedacht zu haben. Die gelebte Liebe macht das Bekenntnis im Wort erst authentisch und bekräftigt das Bekenntnis in einer Art und Weise, die das Herz der Ungläubigen, uns gegenüber skeptisch eingestellten Menschen, wirklich erreicht.
Diese gelebte Liebe hat noch eine weitere Dimension im Kontext der Mission in Israel. Paulus formuliert es so, dass die Christen aus den Nicht-jüdischen Völkern Israel „zur Eifersucht reizen sollen“ (vgl. Röm. 11, 11). Das tun wir, indem wir ihnen zeigen, dass wir nun ebenfalls eine Beziehung zu dem lebendigen Gott haben, der sich dem Volk Israel doch zuerst offenbart hatte. Durch unsere Gottesfurcht und unsere Liebe zu Gott und unserem Nächsten sehen die Juden, dass nun selbst Nationen den Auftrag erfüllen, der doch ihnen gegeben worden war und werden so dazu angespornt, es ihnen gleichzutun.
Die richtige Liebe
Im neunten Kapitel des Römerbriefs schreibt Paulus in den ersten Versen von der besonderen heilgeschichtlichen Stellung Israels. Das nationale Israel nach dem Fleisch hat unter anderem die Bündnisse, die Gesetzgebung und der Abstammungslinie nach sogar den Messias bekommen. Als Gläubige an den Messias Israels aus allen Völkern (vgl. Röm. 1,16; Gal. 3,7-9; Eph. 2,11-22 u.a.) haben wir den Auftrag, dieses Israel, das so viele Privilegien besitzt, auch so einen Eifer für Gott (vgl. Röm. 10,2), und das von Gott nicht verworfen worden ist (vgl. Röm.11,1), zurück zu dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs zu führen, den wir in Jesus Christus kennen dürfen. Mit einem solchen Verständnis bekommen wir eine echte Liebe und große Dankbarkeit diesem Volk gegenüber, weil wir erkennen, was für einen Segen wir durch sie empfangen durften. Es macht uns auch demütig und bringt uns dazu, uns nicht über die ursprünglichen Zweige des Ölbaumes, das Volk Israel selbst, zu erheben (Röm. 11,18-21). Mit dieser Wertschätzung und Anerkennung verstehen wir diesen Auftrag auch als Bestandteil unserer Mission an Israel.
Gleichzeitig müssen wir uns davor hüten, in einen blinden „Israel-Fanatismus“ zu verfallen, gerade als Zeugen Jesu Christi im Land Israel unter den heutigen Juden. Wir brauchen daher ein gesundes Verständnis dessen, was Paulus in 1.Korinther 9 ausführt. Er wird den Juden wie ein Jude, aber nicht einfach deshalb, weil er sie so beeindruckend findet, sondern mit einem konkreten Ziel: „damit ich die Juden gewinne“ (1.Kor. 9,20), was bedeutet, dass sie ihren Messias in dem gekreuzigten und auferstandenen Jesus im Glauben entdecken. Antrieb für „seine“ Mission ist also einerseits die Liebe zu Juden und zu Israel (vgl. Röm. 9, 1-3), andererseits aber auch das, was gleichzeitig das Ziel der Mission Gottes mit dem Evangelium überhaupt ist: das Gewinnen von Menschen in die Nachfolge Jesu Christi! So wird der Apostel zwar den Juden wie ein Jude, verliert dabei jedoch nicht sein eigentliches Ziel aus den Augen: Das Verbreiten der guten Botschaft von Jesus, dem Retter der Welt. Er passt sich sehr gezielt an die vorliegende Kultur an, bleibt sich jedoch sowohl seiner eigentlichen Identität, als auch seines Missionsziels bewusst: „Ich bin (…) denen, die unter Gesetz sind, wie einer unter Gesetz – obwohl ich selbst nicht unter Gesetz bin – damit ich die, welche unter Gesetz sind, gewinne“ (1.Kor. 9,20). Es findet also keine Vermischung mit oder Anpassung der Identität an das Umfeld aus überschwänglicher Liebe zu Israel statt, indem dadurch dann in Ergänzung zum Evangelium entgegengesetzte religiöse Überzeugungen übernommen würden. Vielmehr orientiert Paulus sich an Jesu Worten: „Seht zu und hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer und der Sadduzäer!“ (Mt.16,6) als Jesus von deren Lehre spricht, die für seine Jünger gelten soll (vgl. Mt. 16,12). Bei Paulus ist es eine Art Brückenbau zwischen Personen in ihrem jeweiligen Kontext mit der zentralen Ausrichtung auf den Neuen Bund. Paulus ist getrieben von seiner Liebe zum Evangelium, und er weiß, was für eine wundervolle Botschaft er zu predigen hat und weiß auch, dass der Glaube an Jesus das Eigentliche, Wahre und Bessere ist, im Vergleich zum Alten Bund, in dem seine jüdischen Zuhörer stehen. So schreibt er in 1.Kor. 9,16: „Denn wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht verkündigte!“. Und auch in Apostelgeschichte 28,23b. wird seine Mission so beschrieben: „Er suchte sie zu überzeugen von Jesus, sowohl aus dem Gesetz Moses, als auch aus den Propheten, von frühmorgens bis zum Abend.“ Ich bin davon überzeugt, dass unsere Mission von demselben intensiven Herzensanliegen durchdrungen sein muss, wie bei Paulus, wenn sie fruchtbar sein will.
Es geht also um eine aufrichtige Liebe zum Volk Israel, die die Bedeutung Israels versteht, wohlgemerkt jedoch nicht um eine blinde Euphorie, die Israel glorifiziert.
Das Zeugnis im Wort
Wenn wir uns als Deutsche unserer so vorbelasteten Beziehung zum jüdischen Volk bewusst sind, dabei ein gutes Zeugnis durch echtes und vorbildliches Verhalten ablegen und Israel ehrlich lieben, dann ist es unabdingbar, dass wir auch mit Freude von Jesus Christus erzählen, als dem Retter aller, die glauben. Er ist auch für Israel der einzige Weg zum Vater, und wenn wir uns für Israel, wie es Paulus tat, die Rettung wünschen und Israel segnen wollen, dann erzählen wir freimütig von Jesus Christus, unserem Herrn, als Zeugnis unseres christlichen Glaubens. Unser Wunsch ist es schließlich, dem Missionsauftrag Jesu in Matthäus 28,18-20 auch in Israel unverkürzt nachzukommen. Das ist unser Auftrag vom Wort Gottes.
Dominik von Haeften
Bilder:
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