Das “ Warschauer Ghetto“ spricht heute noch!
Das jüdische Volk erlebte in seiner Geschichte immer wieder Verfolgung, Unterdrückung und ungerechtfertigten Hass. Das ist keine Neuheit. Seit tausenden von Jahren wurden Juden immer wieder von anderen Völkern und Nationen angegriffen, verfolgt und unterdrückt, doch das hinderte sie nicht daran, an ihrer jüdischen Identität festzuhalten und sich geographisch auszubreiten. Mit seiner Ausbreitung wurde auch Europa über die Zeit ein Schauplatz, der widerspiegelte, wie die jüdische Bevölkerung immer wieder Opfer von ungerechtfertigten Auslöschungsversuchen wurde. Schaut man sich die Ausbreitung jüdischer Familien in Europa an, und das vor allem ab 1900, sticht ein Land mit seiner Bewohnerzahl jüdischer Menschen besonders heraus, und zwar Polen, genauer gesagt die Hauptstadt Warschau. Mit 370.000 jüdischen Einwohnern in Warschau machten die jüdischen Bewohner in den neunzehnhundertdreißiger Jahren 30 % der Gesamtbevölkerung von Warschau aus. Doch mit der Besetzung Warschaus durch das NS-Regime nahm die Geschichte des jüdischen Lebens in Warschau eine drastische Wende.
Dieser Artikel soll aufzeigen, was in der Zeit von 1940–1943 in Warschau, genauer gesagt im „Warschauer Ghetto“, geschehen ist, was aus diesen Zeiten der Unterdrückung und Ermordung für heute nachdenkenswert ist und wie das Warschauer Ghetto noch heute zu uns „sprechen“ kann.
Um zu verstehen, was im Warschauer Ghetto eigentlich passierte und was in der heutigen Zeit noch davon bekannt ist, muss zunächst geklärt werden, was das Warschauer Ghetto eigentlich war. Prinzipiell kann man sagen, dass das Warschauer Ghetto ein riesiger Sammelbezirk war für Juden aus Polen, aus den deutschen Reichsgebieten und auch aus anderen europäischen Ländern. In diesem Sammellager in Warschau warteten die Juden eigentlich nur darauf, bis ihre Deportation in das Vernichtungslager nach Treblinka anstand. Doch wie groß und überfüllt das Ghetto war, ist eigentlich kaum vorstellbar. Ummauert von einer 18 Kilometer langen und drei Meter hohen Mauer wurde die Bevölkerung des Ghettos mit 350.000 Einwohnern mitten im Zentrum von Warschau eingesperrt wie die Tiere im Gehege. Entsprechend dieser bedrängten und eingepferchten Lebensbedingungen war auch die Lebenssituation im Zentrum von Warschau katastrophal.
In dem Werk des Autors Leon Poliakov „Die Stadt des Todes. Im Warschauer Ghetto“ wird ein Bericht von einem, von den Nazis eingepferchten, polnischen Arzt erwähnt, der die Lage im Ghetto mit folgenden Worten beschreibt: „Die Straßen sind so übervölkert, daß man nur schwer vorwärts gelangt. Alle sind zerlumpt, in Fetzen. Oft besitzt man nicht mal mehr ein Hemd. Überall ist Lärm und Geschrei. Dünne, jämmerliche Kinderstimmen übertönen den Krach. […] Auf den Bürgersteigen stapeln Kot und Abfälle sich zu Haufen und Hügeln. […] Ich sehe ungeheuer viele Männer und Frauen, die vom Ordnungsdienst gejagt werden. […] Sie stammen aus den Kleinstädten der Umgebung. Alte, Krüppel und Gebrechliche werden an Ort und Stelle selbst liquidiert. […] Oft liegt etwas mit Zeitungen Zugedecktes auf dem Bürgersteig. Schrecklich ausgezehrte Gliedmaßen oder krankhaft angeschwollene Beine schauen meistens darunter hervor. Es sind die Kadaver der an Flecktyphus Verstorbenen, die von den Mitbewohnern einfach hinausgetragen werden, um die Bestattungskosten zu sparen. […] Tausende von zerlumpten Bettlern erinnern an das hungernde Indien. Grauenhafte Schauspiele erlebt man täglich.“
Umgeben von lauter Armut, Krankheit und unzumutbarer Zwangsarbeit für die „Deutschen“, verloren die Bewohner des Warschauer Ghettos dennoch nicht die Hoffnung auf ein besseres Leben und begannen, in den Hinterhöfen und Dachböden der Häuser geheime Hauskomitees zu gründen. Dort führten sie ebenso Theaterstücke, Literatur und Konzertabende auf, um auch vor allem den Jugendlichen und Waisen das Leben in der Hölle auf Erden für einen Moment lang zu erleichtern. Innerhalb dieser geheimen Komitees knüpften die Leute untereinander auch wichtige Kontakte, von denen sich recht bald viele untereinander zu Hilfsorganisationen wie der Zegota verbündeten und einen Aufstand gegen das Nazi-Regime im Warschauer Ghetto planten.
Mit dem Beginn der Deportationen der Juden nach Treblinka begannen die Nazis, die Bevölkerungsdichte des Ghettos rasant zu verringern. Das Ganze ging soweit, dass schon sehr bald nur noch 40.000 Leute das Ghetto bewohnten – vor allem, wenn man bedenkt, dass insgesamt in einem Zeitraum von vier Jahren rund 500.000 Menschen in das Warschauer Ghetto verschleppt worden waren. Einige junge polnische Männer konnten dieses frevelhafte Vergehen an ihren eigenen Familien nicht länger mitansehen, sodass es 1943, am 19. April, zum Beginn des Aufstands im Warschauer Ghetto kam.
Im Zeitraum zwischen den Deportationswellen startete die Organisation „Zydowska Organizacja Bojowa“ (Jüdische Kampforganisation) den Aufstand gegen die Nazis. Zu Beginn des Angriffs konnten die Aufständischen sogar einen hoffnungsbringenden Erfolg erzielen, indem die Nazis am Anfang auf diese Überrumpelung mit einem Rückzug aus dem Ghetto reagierten. Doch nach mehreren Stunden kamen die Nazis kampfbereit und überzeugt zurück, um mit aller Brutalität den Wohnbezirk wieder unter ihre Kontrolle zu bringen. Vier Wochen lang taten sich die Nazis schwer, gegen eine kleine Menge von kranken und schwachen Juden und Polen die Oberhand zu gewinnen. Die Freiheitskämpfer erwiesen sich als schlaue Köpfe, indem sie immer wieder aus versteckten Ecken des Ghettos die Nazis angriffen, ohne dass diese ihre Angreifer wirklich ausfindig machen und in Gewahrsam nehmen konnten. So blieb den Nazis keine andere Möglichkeit, als mit brutalster Militärmacht den Bezirk für sich zu gewinnen, woraufhin die Nazis alle Aufständischen und auch die restliche Bevölkerung innerhalb und außerhalb des Ghettos hinrichteten und schließlich am 16.05.1943 das größte Ghetto in Europa zur Sammlung von Juden niederbrannten.
Doch trotz aller Brutalität und Zerstörung bleibt der Mut und die Tapferkeit der jüdischen und polnischen Widerstandskämpfer nicht ohne Frucht. Denn viele kleine Kinder innerhalb des Warschauer Ghettos konnten durch den Mut der jüdischen und polnischen Bevölkerung gerettet werden. Daher treten viele derer, die damals noch Kinder gewesen waren, heute als Zeitzeugen auf. Vor allem vor der jungen polnischen Bevölkerung halten die überlebenden Zeitzeugen von damals immer noch bewegende und authentische Vorträge. Dabei setzen sie sich bewusst gegen rechtsradikale Strömungen ein und klären die Jugendlichen auf. Aber nicht nur Zeitzeugen der damaligen Zeit erinnern an die Gräueltaten der Nazis und den Mut der Bevölkerung des Ghettos. Denkmäler wie das „Denkmal der Helden des Ghettos“, welches mitten im Warschauer Ghetto platziert wurde, erinnern an diese schreckliche Zeit. Auch das Museum „Geschichte der polnischen Juden“ erinnert an die Heldentaten der Widerstandskämpfer. So werden wir noch heute damit vertraut gemacht, solche anti-jüdischen Gräueltaten von damals niemals wieder hinzunehmen oder wegzusehen, wenn antisemitische Propaganda neu salonfähig daherkommt. Es gilt, stattdessen mit Mut und Hoffnung auf Gottes Macht und Gerechtigkeit dagegen anzugehen – so wie es die jüdische und polnische Bevölkerung damals getan hat.
Quellen:
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Warschauer_Ghetto (Stand: 4.5.2025)
https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/520068/19-april-1943-aufstand-im-warschauer-ghetto/ (Stand: 4.5.2025)
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