„Riviera des Nahen Ostens“? Der neue US-Präsident und sein umstrittener Gaza-Vorstoß
33 Sekunden lang ist der Videoclip, der einem internationalen Publikum seit seiner Veröffentlichung am 25. Februar 2025 größtenteils ungläubiges Augenreiben beschert: Donald J. Trump, der frisch ins Amt gewählte 47. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, postet ein KI-generiertes Gaza-Video auf seiner sozialen Medienplattform „Truth Social“, welches seitdem in gewohnter Weise weltweit die Gemüter erhitzt.
Das Video scheint die derzeitige Vision Trumps für das zu mehr als 60 Prozent zerstörte und kriegsversehrte Gebiet des Gaza-Streifens sehr eindrücklich darzustellen: Die USA übernehmen das Land, befreien es von Schutt und Trümmern und betreiben vollständigen Wiederaufbau – in geradezu paradiesischer Weise. Konsequent werden im Video an Monaco oder Dubai erinnernde Straßenzüge, Palmen, Wolkenkratzer und Strände gezeigt, ergänzt um (unerwartet bärtige) Bauchtänzer, einen Hummus essenden Elon Musk, der später in einem Regen von Dollarscheinen tanzt, sowie glückliche Kinder zeigend, die zum angenehm raschelnden Fall von Dollarscheinen tanzen. Eine riesige, goldene Statue vom US-Präsidenten höchstpersönlich darf dabei natürlich nicht fehlen. Das, was die neue US-Administration sich als fundamental bessere Zukunft für die Palästinenser und das von ihnen bewohnte Land vorzustellen scheint, geht also weit über eine nüchtern-technokratischen Ansatz hinaus – ganz konsequent der Linie und dem in den letzten Wochen für alle Welt offen gelegten Denken Trumps entsprechend.
Im Grunde ist dieser überraschende Video-Post auf Truth Social aber lediglich eine logische Folge der offiziellen Ankündigung von Trump während einer Pressekonferenz mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu am 4. Februar. Dort hatte Trump seinen Vorschlag erstmals im großen Rahmen verkündet, und mitgeteilt, die USA stünden bereit den Gaza-Streifen zu „übernehmen“, ja ihn zu „besitzen“, und dort einen „Job“ zu erledigen, wie er bisher niemals dagewesen sei. Wenig überraschend wurde dieser Vorstoß insbesondere seitens der arabischen Staaten aber auch vonseiten großer Teile der Weltöffentlichkeit wenig warmherzig aufgenommen; lediglich der israelische Premier äußerte seine klare Unterstützung.
Der weitaus umstrittenste Aspekt dieses Vorschlags ist jedoch Trumps Antwort auf die Frage, was mit der palästinensischen Bevölkerung während dieses möglichen Wiederaufbaus und der Umwandlung Gazas in eine „Riviera des Nahen Ostens“ geschehen solle. Trump sprach von einer Umsiedelung der annähernd zwei Millionen Menschen in die benachbarten Länder Jordanien und Ägypten. Diese stellten sich jedoch, wenig überraschend, öffentlich und deutlich gegen die Idee einer Umsiedelung der Palästinenser; damit sind sie im Nahen Osten nicht allein, denn auch Patriarchen und Bischöfe Jerusalemer Kirchen äußerten sich äußerst kritisch und sprachen von Bedrohung und Ungerechtigkeit, die von den Umsiedelungsplänen der US-Administration ausgingen.
Als Reaktion auf den US-amerikanischen Vorschlag berief der ägyptische Staatschef Abd al-Fattah as-Sisi ein kurzfristiges Treffen der arabischen Liga ein, mit dem Ziel, eine arabische Antwort auf den Vorstoß Trumps zu erarbeiten und der Weltöffentlichkeit vorzulegen; dabei sollte der erarbeitete Plan bewusst auch westlichen Akteuren, Israel und den USA, sowie der Europäischen Union und der UN vorgelegt werden. Das Ergebnis dieses Gipfeltreffens vom 4. März ist ein Wiederaufbaukonzept, welches ebenfalls mit einer Beseitigung der Trümmer beginnen und dann mit dem Bau hunderttausender Wohnungen, eines Flug- und Seehafens, sowie von Parks, Industriegebieten und Hotelanlagen zur Ankurbelung und Wiederbelebung des Tourismus – bis 2030 – zum Abschluss kommen soll. Der erforderliche finanzielle Aufwand wird dabei auf ca. 50 Milliarden Euro geschätzt.
Doch auch dieser Plan ist mitnichten für alle Seiten zufriedenstellend. Denn einige grundlegende Fragstellungen bleiben unbeantwortet. Insbesondere die Frage, wie die Finanzierung gesichert werden soll bleibt offen, sowie die insbesondere für Israel zentrale Frage, was mit der Hamas geschehen soll. Zwar wird eine sechsmonatige Übergangszeit unter Verwaltung des Gaza-Streifens durch ein palästinensisches Gremium aus Technokraten ohne Einfluss der Hamas ins Feld geführt, was dabei jedoch aus der Terrorgruppe selbst werden soll, bleibt unerwähnt. Die Hamas wird nicht beim Namen genannt.
Im eigenen Land wurde der Vorschlag des amerikanischen Präsidenten zur nachhaltigen Verbesserung der Lebensumstände der Palästinenser und einer möglichen Befriedung der Region mit weniger Begeisterung aufgenommen, als er sich (vermutlich) erhofft hatte. Die Reaktionen evangelikaler Führungspersonen fielen eher verhalten aus, selbst unter jenen evangelikalen Stimmen, die den Präsidenten sonst eindeutig unterstützen und seiner politischen Basis zugehörig sind. So scheint der Eifer mancher christlicher Strömungen in den USA, die sonst darauf bestehen, dass im Grunde keine eigenen palästinensischen Gebiete existieren, und die in einer Ausbreitung des israelischen Staates eine notwendige Vorbereitung auf die zweite Ankunft Jesu Christi und damit eine Erfüllung endzeitlicher Prophetie sehen, nach Trumps Vorstoß nicht überall entflammt zu sein. Möglicherweise erschien Trumps Vision selbst dem „MAGA-Movement“ nahestehenden Evangelikalen als zu extrem; mindestens jedoch vielen christlichen Leitern, welche sich nicht oder nicht direkt als Trumps Unterstützer betrachten. Nicht unerwähnt soll an dieser Stelle bleiben, dass jedoch ein Zusammenschluss aus konservativen, christlichen und jüdischen Leitern sich in einem offenen Brief positiv über die Pläne äußerte, und sie u.a. als mutig, mitfühlend und gerecht beschrieb. Klar ist, dass theologische und insbesondere eschatologische Standpunkte bei der Bewertung des Handelns des Präsidenten eine entscheidende Rolle spielen und maßgeblich dafür sind, ob Christen eher positiv oder eher negativ darauf blicken.
Es bleibt schlussendlich zu hoffen, dass ein aufmerksames Anschauen des zum Zeitpunkt der Verkündigung der US-Amerikanischen Pläne noch unveröffentlichten Videoclips zu mehr Widerstand und kritischer Betrachtung christlicher Protagonisten im Land geführt hat. Denn eine Textzeile des Liedes, welches den Clip und seine visuelle Pracht begleitet („[…] Donald is coming to set you free, […]“) sowie die dort sichtbaren Regalreihen goldener Trump-Büsten und die vormals benannte goldene Heldenstatue des mächtigsten Mannes der Welt machen vor allem Eins hinsichtlich der Aussage dieses Videos unmissverständlich klar:
Für Trump und seine Unterstützer scheint es nur einen „Sheriff“ in Gaza zu geben, der rettet, von Qual und Leid erlöst und dafür auch Anbetung, Preis und Ehre verdient.
Christen und Juden sollten sich nicht täuschen lassen und die eindeutige Bildersprache für das nehmen was sie zu sein scheint, denn sie ist nicht komplex zu interpretieren.
Ebenso sollten die Worte eines jeden mächtigen Mannes für das genommen werden, was sie sind: Worte von Männern; von Geschöpfen vor dem Angesicht eines Gottes, von dem alle Macht kommt und zu dem alle Macht zurückkehrt. Heute, morgen und bis in alle Ewigkeit.
Quellen:
- https://www.mena-watch.com/gazastreifen-kein-arabischer-plan/ (Stand 06.03.2025)
- https://www.dw.com/de/gaza-kairos-wiederaufbauplan-als-alternative-zur-riviera/a-71830745 (Stand 06.03.2025)
- https://edition.cnn.com/2025/02/26/world/trump-promotes-gaza-plan-ai-video-intl (Stand 06.03.2025)
- https://edition.cnn.com/2025/03/04/middleeast/egypt-gaza-plan-draft-hamas-war-israel-arab-summit-intl/index.html (Stand 06.03.2025)
- https://www.timesofisrael.com/aiming-to-stymie-trumps-riviera-vision-arab-leaders-gather-to-endorse-gaza-plan/?status=Active (Stand 06.03.2025)
- https://www.youtube.com/watch?v=PslOp883rfI (Stand 06.03.2025)
- https://baptistnews.com/article/evangelical-leaders-appear-to-have-no-comment-on-trumps-plan-to-take-over-gaza/ (Stand 06.03.2025)
- https://aleteia.org/2025/02/19/holy-land-christian-leaders-respond-to-trumps-plans-for-gaza (Stand 06.03.2025)
- https://www.christiantoday.com/news/jerusalem-patriarchs-oppose-trump-resettlement-plan-in-gaza (Stand 06.03.2025)
- https://www.youtube.com/watch?v=3qIK2Y5W8Fg (Stand 06.03.2025)
- https://www.nbcnews.com/news/world/trump-says-wants-clean-gaza-move-palestinians-jordan-egypt-rcna189317 (Stand 06.03.2025)
- https://www.reuters.com/world/egypts-alternative-trumps-gaza-riviera-aims-sideline-hamas-2025-03-03/ (Stand 06.03.2025)
- https://www.dw.com/de/wiederaufbau-in-gaza-zweistaatenl%C3%B6sung-statt-riviera/a-71793416 (Stand 06.03.2025)
- https://www.timesofisrael.com/arab-leaders-set-to-huddle-in-cairo-over-alternative-to-trumps-gaza-plan/ (Stand 06.03.2025)