Kongress „Antisemitismus heute“

Vor einigen Tagen bekamen wir als Mitarbeiter des Israel-Instituts in Gießen die Möglichkeit, an dem christlichen Kongress „Antisemitismus heute“ vom 24. – 26- September im Schönblick in Schwäbisch Gmünd teilzunehmen, welches zum 2. Mal stattfand. Innerhalb von vollgepackten und sorgfältig geplanten drei Tagen sollte sich alles um die Frage der Facetten des Antisemitismus drehen: Wie zeichnet er sich heute aus? Von welchen Seiten kommt er? Warum gibt es immer noch Antisemitismus? Wie können wir uns als Christen positionieren und begründet dagegenstellen?

Der Stand des Instituts beim Kongress

Mit Aufregung und großem Interesse kamen wir also am Sonntag gegen 14 Uhr als ein Team von drei Mitarbeitern des Instituts auf dem großen Anwesen des Schönblicks an. Es sollte darüber hinaus auch das erste Mal seit längerer Zeit sein, dass das Institut für Israelogie auf einer Konferenz einen eigenen Stand haben sollte, was natürlich ebenfalls Aufregung mit sich brachte. Schon beim Aufbau unseres Standes kamen wir mit anderen Kooperationspartnern des Kongress ins Gespräch. Mit der Zeit kamen dann auch bereits die ersten Teilnehmer des Kongresses und begutachteten auch unseren Stand. Die meisten der Teilnehmer waren bereits im fortgeschrittenen Alter, sodass wir als junge Mitarbeiter zusätzlich auffielen und einige spannende Gespräche führen konnten. Viele Besucher waren bereits mit der Hochschularbeit der Freien Theologischen Hochschule in Gießen vertraut, aber das Institut für Israelogie war doch für viele noch etwas Neues oder Unbekanntes.

Nachdem etwas Zeit vergangen und literweise Kaffee bereits geflossen war, begaben sich alle Teilnehmer ins Forum, um an der Eröffnungsveranstaltung teilzunehmen. Diese wurde mit einer musikalischen Einlage eines schweizerischen Ehepaares begonnen, die Lieder auf Deutsch und Hebräisch darboten. Danach hörten wir ein paar einleitende Worte zum Kongress, welche auf der Bibelstelle aus dem Buch Levitikus „Du sollst deinen Nächsten lieben, ich bin der Herr“ basierten, bis dann dem württembergischen Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl die Möglichkeit zu einem Grußwort an die Kongressteilnehmer erteilt wurde.

Mit Gesang wird der Kongress offiziell eröffnet

Gohl sprach vor allem darüber, wie sich der Antisemitismus in der Moderne abzeichne und nannte auch einige Aspekte, die wir als Christen in dieser Situation nicht richtig machen würden, wie die Beschuldigung der Juden an dem Tod Jesu,  wobei – seiner Überzeugung nach – allerdings auch missionarische Konversionsbemühungen von Juden dazuzählten. Anschließend bekam der Bürgermeister von Schwäbisch Gmünd das Wort erteilt, welcher vor allem die vorgeschobene Israelkritik sowie die Wichtigkeit von Jugendarbeit in diesem Bereich betonte.

Der Antisemitismusbeauftragte Dr. Michael Blume berichtete darüber hinaus über die häufige, sinn- und grundlose Beschuldigung von Juden für gesellschaftliche Probleme, und Aras-Nathan Keul gab zum Abschluss noch einige „Hardfacts“ anhand von Statistiken bekannt, benannte dabei die Gefahr, die durch die abgemilderte oder sehr subjektive Darstellung von Nachrichtendiensten ausgeht. Der Vortrag erinnerte mich an einen Vortrag einer Islamforscherin, den ich erst vor einigen Wochen gehört hatte, in welchem es um den Nahostkonflikt zwischen Israel und dem Gazastreifen ging. Diese hatte sich vor allem mit der palästinischen Seite auseinandergesetzt und war zu dem erschreckenden Forschungsergebnis gekommen, dass besonders in Nachrichten oder auch linken Gruppierungen in der westlichen Welt massiv Falschinformationen zum Nachteil Israels über den Konflikt verbreitet und damit auch geglaubt werden.

Die Faktenlage sieht tatsächlich ganz anders aus, als dass, was man rein aus den Nachrichten oder von politisch-gefärbten Verlautbarungen mancher Parteien entnehmen kann. Auch solche Wahrnehmungen wurden in dem Vortrag von Aras-Nathan Keul reflektiert, der betonte, dass die meisten Menschen nicht „hart gesottene“ Antisemiten seien, sondern eher naiv un- bzw. falschinformierte Träger von Stereotypen seien.

Direkt nach dem Vortrag wandte sich mein Sitznachbar zu mir um und zeigte mir eine Nachricht, die die von Aras-Nathan Keul genannten Punkte in Bezug auf Nachrichtenberichterstattung bestätigte. Die Nachricht berichtete von einem Angriff von Israel auf die Hamas, wobei besonders in der Schlagzeile der Angriff von Israels Seite aus betont wurde, auch wenn es sich, wie sich später herausstellen sollte, eigentlich um einen Gegenangriff auf einen Angriff von der Hamas handelte. Zutiefst berührt und geschockt davon gingen wir zurück an unseren Stand und unterhielten uns mit anderen Personen über das Gehörte.

Pfr. Laepple in seinem Vortrag „Theologie nach Auschwitz“

Nach dem Abendessen ging es weiter mit einer Podiumsdiskussion zwischen den vorherigen Sprechern, bei denen die Teilnehmer auch die Möglichkeit bekamen, ihre Fragen loszuwerden, wobei es sich abzeichnete, dass sämtliche Sprecher die Überzeugung vertraten, dass Antisemitismus bereits im Jugendalter thematisiert werden müsse, beispielsweise in der Schule oder durch Begegnungen und offenen Austausch zwischen Juden und Nichtjuden, um schon früh Vorurteile abzubauen und gegenseitige Verständigung zu fördern.

Mit Abschluss der Diskussion war der erste Tag des dreitägigen Kongresses zum Antisemitismus abgeschlossen, währenddessen neben dem in Auswahl Erwähnten ein auch sonst umfangreiches Programm durchgeführt wurde. Die Teilnehmer bekamen am zweiten Tag die Möglichkeit, sich in einer Vielzahl von Seminaren über Themenbereiche ihrer Wahl mehr zu informieren, durften außerdem noch anderen Vorträgen lauschen, wie zum Beispiel über Antisemitismus in der Bibel (und wie er fehlgedeutet wird) von Tobias Krämer. In den Pausen und während der Mahlzeiten sowie an den Ständen konnten sich alle informieren, Gespräch führen, sich kennenlernen und Kontakte aufbauen, um noch mehr über andere und deren Ansichten zu erfahren.

Am Dienstag fand der Kongress ein Ende mit einem gemeinsamen Gottesdienst, in welchem alle durch eine Predigt von Gottfried Bühler ermutigt und auf Gottes Pläne ausgerichtet wurden.

Während der Abreise vom Schönblick, dessen Aufenthalt mit einer geradezu überschwänglichen Masse an Informationen verbunden war, ließ ich vieles noch einmal Revue passieren. Ich hatte von Wundern hören dürfen, wie Gott Menschen auf unterschiedlichste Art und Weise zu sich rief, von Erweckungen, aber auch von Hass und Abscheu gegenüber, Juden, Israel und Christen, der in vielen Menschen und Kulturen tief verankert sei und weltweit immer wieder in Erscheinung trete. Was alle Beiträge einte, das war die Aufforderung, angesichts antisemitischer Tendenzen nicht passiv zu bleiben, sondern dagegen Position zu beziehen, nicht zu schweigen und Tendenzen einfach still hinzunehmen. Wenn andere Menschen Hass produzieren und publizieren, insbesondere erneut gegen Juden und Israel, gelte es, dagegen aufzustehen, von seiner Stimme Gebrauch zu machen, ein Licht in der Finsternis zu sein, gegen den Strom zu schwimmen. Luwai Vargo sagte in einem Vortrag, dass ihm die heutige Christenwelt häufig zu feige erscheine, da sie viel Hass und sich immer weiter aufsteigende Bedrängnisse gegen Juden oder auch gegen Christen einfach dulde oder still hinnehme. Wir als Nachfolger Christi sollten durch unsere Werke der Liebe öffentlich bekannt sein, auch durch unsere Liebe gegenüber Feinden. Doch bedeute das nicht, dass wir deren Verhalten, wie sie gegenüber Juden agieren, schweigend hinnehmen dürften.

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