Kirche an der Seite Israels – ein geistlicher Auftrag in herausfordernden Zeiten

Wer einmal dort war, vergisst es nicht. Israel ist mehr als ein Land mit konfliktreicher Geschichte oder altbekannter biblischer Geschichten. Es ist ein Ort, der eine spirituelle Tiefe auslöst, die sich kaum in Worte fassen lässt – dies wurde gleich zu Beginn der Podiumsdiskussion deutlich, welche durch den von CSI1Christen an der Seite Israels am 11. bis 12. Mai veranstalteten Israel Summit 2025 gerahmt wurde. Unter Anleitung von Karsten Huhn, dem Hauptstadtkorrespondent von IDEA, gaben die eingeladenen Sprecher – darunter der Präses des BFP, Friedhelm Holthuis, der ERF-Vorstand Susanne Thyroff und Reinhardt Schink, der Generalsekretär der Evangelischen Allianz – ihre Erfahrungen und Meinungen zum Thema „Kirche an der Seite Israels“ preis. So erzählten sie beispielsweise von ihren persönlichen Erlebnissen im Land und mit den Menschen in Israel. Während Reinhard Schink von der eindrücklich erlebten Vergebungsbereitschaft der Israelis bei seinem Besuch kurz nach dem 07. Oktober 2023 berichtete, bemerkte Friedhelm Holthuis wie wichtig es sei, sich ein eigenes Bild der biblischen Schauplätze zu machen, um die teilweise naiven Vorstellungen aus der Kinderbibel an die Realität anzupassen.

 

Die Bedeutung Israels – theologische Wurzeln und geistliche Verantwortung

Doch nicht nur historisch und kulturell stellt Israel für uns Christen ein Land mit faszinierender Bedeutung dar, sondern auch theologisch. Denn der Segen, den wir als Christen empfangen, wurzelt in dem Bund, den Gott in Genesis 12,32„Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden“ (Lutherbibel 2017) mit Abraham geschlossen hat.

Gott bleibt nach Römer 11,1 seinem auserwählten Volk treu und die Christen haben Israel nicht in seinem Heilsplan ersetzt, betonte Reinhardt Schink. Susanne Thyroff ergänzte, dass die Wurzeln des Christentums in der jüdischen Geschichte liegen und ein Verständnis der hebräischen Kultur notwendig sei, um Gottes Handeln in der Bibel mehr nachvollziehen und verstehen zu können. Daraus folgt eine Verantwortung unter Christen, Israel nicht nur als politische Größe zu sehen, sondern auch die theologische Dimension des Bundesvolkes Gottes nicht außer Acht zu lassen.

Obwohl das wie selbstverständlich klingt, beschreibt Reinhard Schink das Wissen vieler Deutschen über Israel als deutlich ausbaufähig. Er kritisiert eine verbreitete besserwisserische Haltung, die nicht auf fundiertem Wissen, sondern auf vorschnellen Urteilen beruhe. Oft, so Schink, bilde man sich eine eigene Meinung, ohne wirklich zu verstehen, was in Israel konkret geschieht – und sei dennoch überzeugt, die beste Lösung parat zu haben. Statt solcher Selbstsicherheit sei mehr Demut gefragt: ein aufmerksames Hinhören, ein geistliches Erspüren dessen, was Gottes Weg mit Israel ist – und die Bereitschaft, den eigenen Standpunkt im Licht dieses Plans zu hinterfragen. Dieses Bewusstsein für Gottes Plan mit Israel sei jedoch häufig nicht vorhanden, kritisiert Susanne Thyroff, da in den Gemeinden viel zu oft eine Ersatztheologie3Ersatztheologie lehrt, dass die christliche Kirche das Volk Israel in Gottes Heilsplan erlöst hat. vorherrsche. Das führt zu einem mangelnden Verständnis der Wichtigkeit, sich als Christen über Israel Gedanken zu machen, und dementsprechend zu einem geringen Interesse an Juden und Israel im Heilsplan Gottes.

 

Zwischen Bekenntnis und Realität: Wo steht Deutschland heute?

Gerade vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte und der besonderen theologischen Verbindung zu Israel sind wir als Christen gefordert, klar Stellung zu beziehen, wie Christen sich dem gegenwärtigen Israel gegenüber zu verhalten haben.
Als Moderator Karsten Huhn die Frage aufwarf, ob Deutschland heute noch an der Seite Israels stehe, regte sich deutlicher Widerspruch aus dem Publikum: Mehrere Stimmen betonten, dass die deutsche Politik eher auf der Seite Palästinas zu stehen scheine. Wichtig anzumerken ist hierbei, dass ein Großteil der Kongressteilnehmer sich seit vielen Jahren mit Israel verbunden fühlt und sich offen zu Israel bekennt.
Zugleich betonte Susanne Thyroff: Kritik am politischen Israel sei legitim und dürfe nicht vorschnell als Israelhass gewertet werden. Ein differenziertes Denken bleibe notwendig und erlaubt. Dennoch, so ihre Einschätzung, sei Deutschland von einem ursprünglich positiven Ausgangspunkt schrittweise in eine kritische bis feindliche Haltung gegenüber Israel hineingerutscht. Dieser politische Trend müsse wieder umgekehrt werden.Auch Friedhelm Holthuis warnte eindringlich vor einer wachsenden antisemitischen Tendenz in der Gesellschaft. Besonders hob er hervor, dass Judenfeindlichkeit nicht nur im politisch rechten Spektrum vorkomme, sondern ebenso unter Teilen der intellektuellen Linken sowie innerhalb der muslimischen Bevölkerung – einer Bevölkerungsgruppe, die durch Migration stark gewachsen sei.

Reinhard Schink weitete die Perspektive bewusst über Israel hinaus. Er erinnerte daran, dass auch unsere arabischen Glaubensgeschwister sowie messianischen Juden nicht übersehen werden dürfen. Gleichzeitig wies er auf den oft unsensiblen Umgang mit messianischen Juden in Deutschland hin – auch innerhalb evangelikaler Strukturen.  Zwar seien sie nicht formell von der Evangelischen Allianz ausgeschlossen, doch in der Praxis würden sie oft nicht als gleichwertige Partner anerkannt werden. Für Schink ist klar: Wer sich zu Jesus als dem Messias bekennt, sollte trotz seinem Bekenntnis zum jüdischen Volk in der evangelikalen Gemeinschaft nicht am Rand stehen, sondern als vollwertiges Mitglied angenommen werden.
Gerade angesichts der gesellschaftlichen Entwicklungen wird deutlich: Es braucht heute mehr denn je ein aktives und glaubwürdiges Bekenntnis an der Seite der Juden und Israels – insbesondere unserer jüdischen Glaubensgeschwister. Doch, wie kann dieses Bekenntnis konkret werden? Wie lässt es sich im Handeln zeigen, damit es nicht bei wohlklingenden Worten bleibt?

 

Gebet und gelebte Nächstenliebe – wie Beistand konkret wird

Das stärkste Mittel, das uns als Christen zur Verfügung steht, ist das Gebet – darin waren sich sowohl Susanne Thyroff als auch Reinhard Schink einig. Für sie bildet das Gebet das Wichtigste, was wir für das jüdische Volk und Israel proaktiv tun können. Gebet schaffe eine geistliche Verbundenheit, da mit Gottes Hilfe und Gnade gerechnet werde, von dem weitere Aktionen abgeleitet werden können – Verständnis, Freundschaft, konkrete Unterstützung. Thyroff rief besonders dazu auf, für die Regierung in der Knesset zu beten, dass sie weise Entscheidungen treffen mögen, die dem Frieden in Nahost dienen. Schink ergänzte: Wenn Christen für Juden beten, treffe das häufig auf große Dankbarkeit – es wird wahrgenommen und geschätzt.
Wie dieser Beistand auch praktisch sichtbar werden kann, zeigte Friedhelm Holthuis anhand persönlicher Beispiele. Er schlug vor, gezielt Kontakt zu jüdischen Gemeinden vor Ort zu suchen – etwa durch den Besuch beim Rabbiner oder durch Teilnahme an jüdischen Festen. Es seien oft kleine Gesten, die große Wirkung entfalten würden.
Die Podiumsdiskussion machte deutlich: Christen sind heute mehr denn je aufgerufen, sich an die Seite Israels und der Juden zu stellen – sowohl in Deutschland als auch Israel. Diese Haltung sollte nicht nur wegen der theologischen Bedeutung Israels als Gottes erwähltem Volk um der Väter Willen (Röm. 11,28) eingenommen werden, sondern auch aufgrund gelebter Nächstenliebe als ein Zeichen gegen Antisemitismus, Judenhass und Diskriminierung. Dabei braucht es einen klaren Blick auf die gesamte Situation in Nahost, der nicht in Schwarz-Weiß-Mustern denkt, sondern die Situation aller Betroffenen sieht und für sie eintritt.

In Sprüche 17,17 heißt es: „Ein Freund liebt allezeit, und ein Bruder ist für die Not geboren“. Vielleicht ist diese Zeit der Not jetzt gegeben, insbesondere hinsichtlich der Notwendigkeit, sich für Israel einzusetzen.

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    „Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden“ (Lutherbibel 2017)
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    Ersatztheologie lehrt, dass die christliche Kirche das Volk Israel in Gottes Heilsplan erlöst hat.