Ist die Freiheit, Zeugnis von Jesus abzulegen, in Israel in Gefahr? – Ein Gesetzesentwurf lässt aufhorchen

Das aktive Zeugnis von Jesus Christus und dem Evangelium unter Juden in Israel ist an sich schon ein hochsensibles Thema. Nicht alle Christen, und auch die Allgemeinheit, stehen diesem Thema zustimmend gegenüber. Der Großteil der evangelikalen Welt sieht die weltweite Verbreitung des Evangeliums für notwendig und wichtig an, auch unter Juden. Gemäß dem biblischen Missionsauftrags Jesu, der an alle Christen geht, sollen diese immer und überall dazu bereit sein, von ihrem Glauben Zeugnis abzulegen, und Anderen von Jesus Christus zu erzählen.

Evangelisation, wie sie aussehen sollte

Evangelisation ist für Christen alles andere als eine Überredungskunst, eine religiöse Indoktrination oder gar ein Überstülpen der eigene Religion auf andere Menschen. In der Kirchengeschichte konnte es gelegentlich dazu kommen, dass das Evangelium unter Zwang verbreitet wurde. Von dieser Vorgehensweise lässt sich im Neuen Testament jedoch nichts finden, sie unterlag missbräuchlichen Machtverhältnissen und sie ist leider verwerflichen Abschnitten der Kirchengeschichte zuzuordnen. Lediglich das Weitergeben des Evangeliums von der erlösenden Botschaft Jesu Christi als dem gekreuzigten und auferstandenen Herrn in verschiedenen Formen und der damit verbundenen Taten der diakonischen Liebe können ein authentisches Zeugnis für Jesus selbst sein, zu dem Hörer im Glauben eingeladen werden, daran zu partizipieren.  Außerdem ist es angemessen, für den eigenen Glauben einzustehen, auch apologetisch verteidigend, um dadurch den christlichen Glauben weiterzugeben.

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Das politische System Israels ist das einer parlamentarischen, repräsentativen Demokratie.

Die aktuelle Lage in Israel

In Israel gilt grundsätzlich erst einmal – demokratisch-rechtlich verbürgt – die Meinungs-, Rede- und Religionsfreiheit. Für das einzig demokratische Land im Nahen Osten gehören diese grundlegende Werte zur politischen Identität, die Israel aus machen. Evangelistische Unternehmungen sind dadurch bislang offiziell erlaubt gewesen. Lediglich ein Gesetz zum Schutz der Freiheit der Religionswahl von 1988 ist in Kraft, welches klar verbietet, unter Drohungen oder durch materielle Anreize jemanden zum Religionswechsel zu bewegen, was eine sehr wichtige und schützende Maßnahme im religiös-spannungsreichen Israel darstellt.

Gegenüber Juden sollte das Thema Evangelisation in Israel so oder so mit erhöhter Sensibilität behandelt werden. Unter einigen orthodoxe Juden herrscht ein Verbot in ihren Kreisen über Jesus zu sprechen, geschweige denn, das Neue Testament zu lesen. Jesus wird bei manchen von ihnen nicht mit seinem richtigen Namen „Yeshua“ (hebr. = Jesus) genannt, sondern durch ein Wortspiel in ein Schimpfwort verwandelt, „Yeshu“, was bei den Juden für jemanden steht, dessen Name und Erinnerung ausgelöscht werden sollte. Auch durch den Holocaust und die Geschichte der schlimmen Anfeindungen gegenüber den Juden (Geschichte der anti-jüdischen Pogrome), in der Kirchengeschichte leider auch von christlicher Seite praktiziert, sollten alle Bemühungen beim Weitergeben der Nachricht von Jesus, hohes Einfühlungsvermögen, Respekt und Begegnung auf Augenhöhe zur Grundlage haben. Letztlich wurde der Staat Israels, aufgrund dieser tragischen, anti-jüdischen Geschichte, zum Schutz der Juden gegründet.

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Gegenüber Christen nehmen gläubige Juden das Neue Testament der Bibel nicht als Wort Gottes an.

Das Zeugnis von Jesus Christus und dem Evangelium wird zurzeit in Israel auf verschiedene Weise weitergegeben: Bewegungen, wie  Jews for Jesus, 1973 von einem messianischen Juden gegründet, oder wie One for Israel, gehören zurzeit wohl zu den bekanntesten Organisationen, die sich u.a. durch persönliche Berichte und TV-Sendungen online, einsetzen, um Juden mit der Botschaft von Jesus zu erreichen und anzusprechen. Auch messianische YouTube-Kanäle finden online vermehrt Anklang, wie z.B. der Kanal „So bei it!“, welcher von zwei messianischen Juden betrieben wird, die im Heiligen Land öffentlich Zeugnis von Jesus ablegen, den sie als Messias im Glauben angenommen haben, und dadurch in persönlichen Begegnungen mit Menschen im Land ins Gespräch kommen. Auch christliche Fernsehsender sind mittlerweile in Israel vorhanden. Letztlich sind alle evangelistisch ausgerichteten Organisationen und viele Projekte auf christlicher Seite auf die offizielle Freiheit der Religionsweitergabe im Land angewiesen.

Ein neuer Gesetzesentwurf lässt aufhorchen

Durch einen kürzlich eingereichten, neuen Gesetzesentwurf könnte diese Freiheit möglicherweise stark gefährdet und in Frage gestellt werden. Dieser Entwurf wurde von zwei ultraorthodoxen Mitgliedern der israelischen Knesset, Moshe Gafni und Yaakov Asher, vorgelegt. Dieses Gesetz – wurde es offiziell ratifiziert – würde es offiziell zur Straftat machen, andere Menschen in jeglicher Form dazu anzuregen, zur eigenen Religion zu wechseln. Dem Entwurf nach würde jeder annähernde Verstoß gegen das Verbot mit einer Haftstrafe von einem Jahr, bei Evangelisation von unter 18-Jährigen sogar mit einer Strafe von zwei Jahren Gefängnis bestraft werden.

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Ein Gesetzesentwurf ist der vollständig ausformulierte Gesetzestext, der den gesetzgebenden Körperschaften zur Beratung und Abstimmung vorgelegt wird.

In den vergangenen Tagen wurde diskutiert, wie ein solches Gesetz und seine Konsequenzen überhaupt konkret umsetzbar wären. Das vorgeschlagene Gesetz verurteilt jede Art der evangelistischen Verkündigung, ganz egal, ob persönlich, digital (per E-Mail), online oder per Direktwerbung. Letztlich könnte nach dieser Regelung alles, was man über die eigene Religion mit anderen teilt, als Evangelisationsversuch ausgelegt werden und damit strafbar sein.

Der israelische Rechtsexperte, David Benjamin, der sich CBN-News gegenüber diesbezüglich erläuternd äußerte, hält ein solches Gesetz, wie das vorgeschlagene, für problematisch, da es gegen die Freiheit der Meinungsäußerung, welche zu den Grundpfeilern jeder Demokratie gehört, verstoßen würde, und welche den freien Redefluss, auch in persönlichen Gesprächen, unmöglich machen würde.

Sam Brownback, der ehemalige US-Sonderbotschafter für internationale Religionsfreiheit, warnte davor, dass ein solches Gesetz Israel schaden würde. Außerdem verstoße es gegen die UN-Menschenrechtscharta, die Israel, wie auch alle anderen beteiligten Länder, unterzeichnet haben. Die Freiheit den Glauben in Israel offen zu auszuleben und auch zu wechseln, pries er als „Leuchtfeuer einer offenen Gesellschaft“, im Kontrast zu den umliegenden Ländern im Nahen Osten.

Ähnliche Gesetzesentwürfe hat es in verschiedenen Varianten in den vergangenen 30 Jahren tatsächlich immer wieder gegeben. Dieser kürzlich vorgelegte Entwurf hob nun neben anderen Religionen, erstmals Christen besonders hervor und warf christlichen Organisationen vor, dass ihre Versuche der Evangelisation angeblich vermehrt mit versprochenen materiellen Gefälligkeiten verbunden seien, was, den Verfassern nach, negative Folgen wie psychische Schäden zufolge haben könnte und deshalb unterbunden werden müsse.

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Schon seit der Staatsgründung 1948 stehen viele Christen weltweit unterstützend hinter dem Staat Israel.

Bislang kam es immer zur Ablehnung solcher Vorschläge. Doch durch die erstmals stark rechtspolitische Regierung Israels stand zuletzt für einige Beobachter echte Befürchtungen im Raum, dass das Gesetz dieses Mal parlamentarische Zustimmung finden könnte. Andere vermuteten hingegen, dass der aktuelle Premierminister, Benjamin Netanyahu, durch seine langjährigen, engen Freundschaften mit evangelikalen Christen, ein solches Gesetz nicht zulassen würde. Die enorme Unterstützung Israels und des Judentums durch Christen seit der Staatsgründung wie auch der christliche Zionismus schätzt Netanyahu hoch ein und er sieht die Christen als wichtiges unterstützendes Organ für Israel.

Vorläufige Entwarnung lässt erst einmal aufatmen

Benjamin Netanyahu bezog zu den Befürchtungen nun per twitter Stellung und wies diese zurück. Ein Gesetz, dass sich gegen die christlichen Kirchen und Gemeinschaften im Land richten könnte, werde es seiner Vorstellung nach nicht geben. Diese entwarnende Nachricht lässt fürs Erste aufatmen.

Dennoch bleiben weiterhin Befürchtungen, dass durch die Verabschiedung der Justizreform das Evangelisationsrecht als Bestandteil der freien Religionsausübung langfristig noch nicht als gesichert gilt. Nach ihr könnten mit einer Mehrheit von 61 von 120 Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes außer Kraft gesetzt werden. Diese Reform sorgt in Israel zurzeit für heftige Unruhe, die sich in aggressiven Demonstrationen auswirkt, da etliche liberal-politische Israelis sie als ernstzunehmende Gefahr für die Demokratie im Lande ansehen. Durch die stark theologische Weltanschauung der ultraorthodoxen Mitglieder in der gegenwärtigen Legislaturperiode wäre es möglich, dass Netanyahu es sich auf Dauer nicht leisten könne, die Stimmen dieser Mitglieder zu verlieren. Warten wir es ab, was politisch für Israel entschieden wird, und beten wir, dass mit Weisheit und Gerechtigkeit für alle im Land Gesetze erhalten oder erlassen werden.

 

 

 

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