„Es geht nicht mehr darum, ob ich angespuckt werde, sondern wie oft am Tag“ – Gewalt von radikalen Juden gegen Christen in Israel

Der heutige Artikel befasst sich mit einem ungemütlichen und unerfreulichen Thema, über das wir aber auch berichten möchten, ohne damit oberflächlichen Pauschalisierungen zu verbinden: die Gewalt von radikalen Juden gegen Christen in Israel.

Dass Israel, und vor allem seine Hauptstadt Jerusalem, aufgrund religiöser und gesellschaftlicher Spannungen einem brodelnden Schmelztiegel gleicht, ist keine neue Information. In den vergangenen Jahrzehnten ist es in Israel immer wieder zu Anfeindungen von Juden gegenüber Christen gekommen. Erfahrungsgemäß haben diese meistens glücklicherweise an Intensität eher ab-, denn zugenommen. In letzter Zeit jedoch gewannen die Häufigkeit und Qualität von Angriffen auf Christen im Heiligen Land durch radikale Juden wieder an Häufigkeit.

Vandalismus gegen christliche Gedenkstätten und Angriffe auf Christen sind eine unbequeme Realität

Seit Jahresbeginn 2023 gab es bereits mindestens sechs schwerwiegende Angriffe von radikal-jüdischer Seite gegen christliche Gedenkstätten oder Gebäude wie auch gegen Christen selbst.

Im Januar war der evangelische Friedhof in Jerusalem durch zwei junge radikale Juden geschändet worden, indem sie mehr als 30 Gräber umgestürzt oder stark beschädigt hatten. In einer maronitischen Kirche in der Stadt Ma’alot-Tarshiha im Norden Israels waren schon um die Weihnachtstage herum religiöse Gegenstände und Geräte, wahrscheinlich durch extreme jüdische Aktivisten, zerstört worden. Mit Hassgraffiti mit der Aufschrift „Tod den Christen“ wurden die Mauern des armenischen Klosters in der Jerusalemer Altstadt verunglimpft. Im Februar drang ein jüdisch-amerikanischer Tourist in die Verurteilungskapelle in der Jerusalemer Altstadt ein, um dort die Christusstatue von einer Säule zu stoßen und ihr Gesicht zu zerstören.

Auch sorgten im Februar vermehrte Angriffe auf jugendliche Christen, u.a. die Gäste eines christlich geführten Restaurants in der Altstadt, durch jüdische Männer, für Aufruhr. Die Anspannung der Situation für Christen in Israel verursacht durch diese Art der Anfeindungen Unruhe.

Nikodemus Schnabel ist bereits seit 2004 benediktinischer Mönch in einem Kloster mitten in Jerusalem und teilte einer ORT Radio-Nachrichtensendung (dem Ö1 Morgenjournal), am 24.02.2023 mit: „Es geht nicht mehr darum, ob ich angespuckt werde, sondern wie oft am Tag“. Durch seine Ordenstracht ist der Mönch unschwer als Christ zu identifizieren. Er vermeidet es mittlerweile sogar, das jüdische Viertel in Jerusalem überhaupt zu betreten.

Auch armenische Priester sind in der Altstadt der heiligen Stadt zunehmenden Übergriffen wie Bespuckung, Verfluchungen und Anrempelungen ausgesetzt, die oft durch Gruppen jüdisch-orthodoxer Jungen ausgeübt werden, und die schon seit Jahren zu einer Art trauriger Routine für die Gottesmänner in der Stadt geworden sind. Leider reagiert selbst die Polizei auf solche Vorfälle bisher nur zurückhaltend. Innerhalb der Polizei scheint es offensichtlich bislang keine ernsthaften Bemühungen gegeben zu haben, Vorfälle dieser Art zu ahnden, einzudämmen oder gar zu bestrafen. Obwohl grade das armenische Viertel der Jerusalemer Altstadt für Christen sicher sein sollte, haben mittlerweile viele Priester die Hoffnung aufgegeben, seitens der Polizei intensivere Unterstützung zu erhalten.

Hinter den Anfeindungen stehen radikale jüdisch-orthodoxe Strömungen

Die Hintergründe für die zunehmenden Angriffe auf Christen von jüdisch-ultraorthodoxer Seite liegen anscheinend in der Zunahme des Einflusses von Haredi-Rabbis, welche in ihren antichristlichen Ansichten immer extremer werden. Diesen Sachverhalt erklärte kürzlich ein Rabbi der Jerusalemer Post, der namentlich ungenannt bleiben wollte. Der Haredi-Judaismus ist eine Strömung innerhalb des ultra-orthodoxen Judaismus, welche sich selbst besonders streng den jüdischen Gesetzen verbunden sieht, vielen modernen Werten und Praktiken kritisch gegenübersteht, und gegenüber der Meinung anderer jüdisch-orthodoxer Richtungen, sich für die einzige wirklich authentische jüdisch-orthodoxe Gruppe hält. Diese radikalisierten Rabbis haben offensichtlich Einfluss auf junge jüdische Aktivisten, für welche vermehrt die Christen im Land eine der größten Bedrohungen überhaupt darstellen, da sie als Götzendiener, aus jüdischer Sicht, aus dem Heiligen Land vertrieben werden müssten. Viele Juden sehen die Christen, da sie Jesus Christus als Messias identifiziert und angenommen haben, als Götzenverehrer, welche, gemäß dieser radikalen Juden, im Heiligen Land keinen Platz und keinen Wohnort haben sollten.

Zudem scheint die religiöse Radikalisierung dieser jungen Juden zusätzlich dadurch befeuert zu werden, dass Itamar Ben-Gvir, welcher als Minister für Nationale Sicherheit auch die Polizei unter sich hat, selbst eine Laufbahn mit antichristlichen Aktivitäten aufweist. Dies scheine vielen jüdischen Aktivisten den Eindruck zu vermitteln, sich gegenüber Christen austoben zu dürfen, ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen.

Akademiker im Land zeigen sich den Christen solidarisch

Angesichts der kürzlich so drastischen Zunahme von Anfeindungen gegen Christen verfassten ungefähr 300 Akademiker in Israel einen offenen Brief, in welchem sie die Behörden dringend dazu aufriefen, gegen die Straftaten der verantwortlichen Täter durch Vandalismus und Anfeindungen entschlossen vorzugehen. Angehörige aller Religionen müssen – so die Verfasser des Briefes – vor Hass, Ignoranz und Gewalt geschützt werden.

Außerdem drückten sie ihre Anerkennung und hohe Wertschätzung für die lange Tradition des friedlichen Miteinanders zwischen Juden und Christen aus, die Christen mit dem Land Israel verbänden. Wörtlich heißt es: „Die langjährige und ununterbrochene Präsenz von Christen in Jerusalem und anderswo ist uns wichtig“. Der Brief wurde in acht verschiedenen Sprachen veröffentlicht.

Unter den Akademikern befand sich auch Yisca Harani, die 2013 von der Mount Zion Foundation und der Dormitio Abtei den Mount Zion Award erhalten hatte. Den Preis erhalten seit 1987 Personen, die Verdienste in der interreligiösen und interkulturellen Verständigung von Juden, Christen und Muslimen und im Friedensprozess in Nahost erworben haben.

Nun bleibt die Hoffnung, dass seitens der Regierung und der israelischen Sicherheitsbehörden effiziente Maßnahmen gegen solche Straftaten getroffen werden, so dass beispielsweise die Polizei verstärkt und öffentlich für das Recht und die Religionsfreiheit von Christen in Israel eintritt.

 

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