Wer waren die Sadduzäer?
Einleitung
In den Evangelien und der Apostelgeschichte wird immer wieder eine Gruppe erwähnt, die als Sadduzäer bezeichnet wird. Diese treten häufig gemeinsam mit den Pharisäern als Gegner von Jesus auf. Im Vergleich zu diesen, sind die Sadduzäer jedoch den heutigen Christen deutlich weniger bekannt. Das liegt unter anderem daran, dass die Sadduzäer lediglich 13-mal im neuen Testament erwähnt werden und keine sadduzäischen Schriften mehr erhalten sind, außerhalb derer, die von ihren religiösen Gegnern verfasst wurden.1Sanders, Judaism, 340. Dementsprechend lässt sich die Partei der Sadduzäer heutzutage nicht mehr objektiv darstellen. ImFolgenden soll sich also intensiver mit der Gruppe der Sadduzäer beschäftigt werden, die so häufig mit den Pharisäern erwähnt wird, aber doch weniger gemeinsam hat, als man im ersten Moment denken würde.
Begriffserklärung
Die genaue Wortbedeutung und Herkunft der Bezeichnung „Sadduzäer“ ist unklar. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass sich der Begriff von dem hebräischen Wort „Zadok“ (צָדוֹק) herleitet. Zadok war ein wichtiger Priester zur Zeit Davids und salbte nach dessen Tod Salomo zum neuen König. Diese Verbindung und Darstellung als Nachkommen der Zadokiden, bestätigt den aristokratischen Charakter der Sadduzäer. In der zweiten Theokratie wurde politische Macht und Einfluss in den hohen priesterlichen Familien vererbt, was auch die gesellschaftliche Stellung der Sadduzäer erklärt.2Wellhausen, Pharisäer, 51.
Politische und religiöse Position
Die Sadduzäer stellten eine vergleichsweise kleine Gruppe innerhalb der Gesellschaft dar, hatten jedoch trotzdem großen politischen und religiösen Einfluss.3Wellhausen, Pharisäer, 45. Das liegt unter anderem daran, dass sie die höchsten Ämter innehatten und sehr eng mit den Römern zusammenarbeiteten, unter der Voraussetzung, dass diese den Tempeldienst nicht antasteten. Im Vergleich zu den Pharisäern akzeptierten die Sadduzäer lediglich den Pentateuch und lehnten alle weiteren Lehren, wie die Überlieferung der Väter, ab. So schreibt Flavius Josephus über ebendiese Gebote der Pharisäer: „Diese Gebote nun verwirft die Sekte der Sadducäer und behauptet, das allein sei maßgebend, was geschrieben stehe, während die mündliche Überlieferung der Vorfahren keine Gültigkeit habe.“4Josephus, Jüdische, 626. Obwohl beide Gruppen zu den Juden gehörten, hatten sie recht unterschiedliche religiöse Ansichten. So teilten die Sadduzäer nicht die messianische Hoffnung der Pharisäer und waren überzeugt vom freien Willen des Menschen. Dies führte dazu, dass sie Gottes allmächtige und dauerhafte Kontrolle des Geschehens leugneten und ihre Zukunft lieber selbst in die Hand nahmen.5Sanders, Judaism, 332. Außerdem lehnten die Sadduzäer, im Gegensatz zu anderen jüdischen Gruppen, nach Apostelgeschichte 23,8 die Auferstehung, Geister und Engel ab. Ob dies jedoch nach unserem heutigen Verständnis der Fall war, ist fragwürdig, da die Tora, welche sie als Schrift anerkennen, durchaus von Engeln spricht.
Da der Hohepriester häufig ein Teil der sadduzäischen Partei war und große Teile des Synedriums von Sadduzäern besetzt war, hatten diese zwar die Möglichkeit, das Geschehen im Tempel und im Hohen Rat zu bestimmen, glichen jedoch ihre deutlich konservativeren Ansichten immer mehr an die der Pharisäer an, da diese im Ansehen der Gesellschaft deutlich höher standen. Trotzdem fokussierten sich die Sadduzäer weiterhin größtenteils auf die Praktiken im Tempel und sahen im Gegensatz zu den Pharisäern und Schriftgelehrten das alltägliche Leben nicht als ihre Angelegenheit an.6Wellhausen, Pharisäer, 44. Diese enge Verbindung zum Tempel verdeutlicht sich auch darin, dass die Sadduzäer lediglich in Jerusalem blieben und dementsprechend auch nicht mit Jesus in Kontakt traten, während er in Galiläa lehrte.7Wellhausen, Pharisäer, 44.
Beziehung zu Jesus
Als Jesus in Jerusalem gegen den vorherrschenden Tempelkult vorging, sahen sich die Sadduzäer durch ihn in ihren Interessen bedroht. Aufgrund der abweichenden Ansichten versuchten sie, Jesus immer wieder herauszufordern, wie beispielsweise in Lukas 27ff, in der es um die Auferstehung geht. Das Verhältnis zwischen den Sadduzäern und den Nachfolgern Jesu zeigt sich auch darin, dass Johannes der Täufer sie als Schlangenbrut bezeichnet (Mt 3,7) oder Jesus seine Jünger ermahnt, sich vor der Lehre der Sadduzäer zu hüten (Mt 16,6). Auch am Todesbeschluss von Jesus sind die Sadduzäer beteiligt und gehen auch nach dessen Tod weiter gegen die Christusgläubigen vor, was auch den Tod von Josephus durch einen sadduzäischen Hohepriester zur Folge hat. Denn für sie stellte die Verkündigung, dass ein von den Römern Gekreuzigter von den Toten auferstanden war, sowohl die Provokation ihrer religiösen Ansichten dar, als auch gefährdete sie das Verhältnis zwischen Römern und Juden und somit auch ihre eigene Machtposition.
Untergang
Da die Funktion und Macht der Sadduzäer an die Ämter, welche durch die priesterliche Linie vergeben wurden und dementsprechend auch den Tempel gebunden war, waren sie auf diesen unbedingt angewiesen. Mit dem gescheiterten Aufstand gegen die Römer und der folgenden Zerstörung Jerusalems und des Tempels 70 n. Chr. verloren sie ihre kultisch-religiöse Aufgabe und damit auch ihre soziale Reputation samt wirtschaftlicher Versorgung. Außerdem sorgte Herodes der Große für den Untergang der jüdischen Aristokratie und tötete ihre Führer.8Wellhausen, Pharisäer, 75. Diese quantitative Dezimierung der Sadduzäer und Vernichtung ihres Einflussbereichs führte schließlich zu ihrem Untergang.
Quellen:
Stand 10.04.2025
https://www.die-bibel.de/ressourcen/bibelkunde/themenkapitel-nt/religioese-parteien
https://www.jw.org/de/bibliothek/buecher/Einsichten-über-die-Heilige-Schrift/Sadduzäer/
https://heilig-land-wein.de/wordpress/wp-content/uploads/2021/03/PDF-Die-Sadduzaeer-gesichert.pdf
https://www.jewishencyclopedia.com/articles/12989-sadducees
https://relilex.de/sadduzaeer/
Josephus, Flavius. Jüdische Altertümer Übers. Und mit Einl. und Anm. versehen von Dr. Heinrich Clementz, 1899, 2. Aufl. Wiesbaden 2006
Sanders, E.P. Judaism. Practice and Belief 63 BCE – 66 CE, London 1992
Wellhausen, Julius, Die Pharisäer und die Sadducäer. Eine Untersuchung zur inneren jüdischen Geschichte, 1874, 3.Aufl. Göttingen 1967
- 1Sanders, Judaism, 340.
- 2Wellhausen, Pharisäer, 51.
- 3Wellhausen, Pharisäer, 45.
- 4Josephus, Jüdische, 626.
- 5Sanders, Judaism, 332.
- 6Wellhausen, Pharisäer, 44.
- 7Wellhausen, Pharisäer, 44.
- 8Wellhausen, Pharisäer, 75.