„Ja, DAS ist Antisemitismus“ – Jüdische Erfahrungen in Hessen
Vom 11. November 2024 bis zum 09. Januar 2025 fand im Gießener Rathaus die Ausstellung „Ja, DAS istAntisemitismus“ statt. Konzipiert und entwickelt wurde diese durch eine Kooperation der RIAS Hessen mit der Stadt Gießen. Die RIAS Hessen (Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Hessen) beschäftigt sich mit den konkreten Auswirkungen von Antisemitismus in der Gesellschaft und dokumentiert solche Vorkommnisse, auch wenn sie unterhalb der Strafbarkeitsgrenze liegen.
Neben der Analyse gesellschaftlicher Entwicklungen bietet die RIAS auch eine Anlaufstelle für alle Betroffenen und für jene, die antisemitische Ausschreitungen wahrnehmen. Das Ziel dieser Arbeit ist es, die Gesellschaft über immer noch vorhandene Variationen des Antisemitismus zu informieren und zugleich zu sensibilisieren, da Antisemitismus in allen Teilen der Gesellschaft vorkommt.
Die Wichtigkeit der Aufklärungsarbeit und die Relevanz für den eigenen Alltag wurde verdeutlicht durch die authentischen Beispiele antisemitischer Erfahrungen in Hessen, welche der Ausstellung zu Grunde lagen. Diese wurden von den beiden Illustratorinnen Sophia Hirsch und Büke Schwarz in Bildern dargestellt. Ein besonderer Fokus der Vorstellung lag auf den Erfahrungen, welche seit dem 07. Oktober 2023, dem Eindringen der Hamas auf israelisches Gebiet, gemacht wurden. Der 07.10. wird dabei als Wendepunkt beschrieben, seit dem antisemitische Ausschreitungen in Hessen extrem angestiegen sind und die jüdische Community sich zunehmend allein gelassen sieht.
„Was das alles für uns Juden bedeutet, ist noch nicht abzusehen. Aber eines ist sicher: unsere Existenz in Deutschland ist so unsicher wie seit langem nicht mehr. Und mit einem Seitenblick in die Geschichte sollte das nicht nur uns Juden große Sorgen bereiten“ (… so Daniel Neumann, Vorsitzender Landesverband jüdischer Gemeinden in Hessen).
Antisemitischen Ausschreitungen im Alltag zeigen sich ganz unterschiedlich, wobei mittlerweile häufig die Hemmschwelle für verbalisierte antisemitische Äußerungen sehr niedrig geworden ist. So wird von Gesprächen mit Fremden berichtet, in denen sich plötzlich Judenhass zeigte, von hasserfüllten Anrufen bei öffentlichen jüdischen Einrichtungen, und gewalttätigen Übergriffen durch Einzelpersonen oder Gruppen. RIAS Hessen macht in der Ausstellung immer wieder darauf aufmerksam, dass Betroffene sich an Einrichtungen wie die RIAS wenden können, oder das Gespräch mit anderen suchen sollen, um nicht mit der Anfeindung allein zu bleiben.
Antisemitismus zeigt sich in Hessen jedoch nicht erst seit dem 07.10.2023, sondern war schon davor ein erneut zunehmendes gesellschaftliches Problem. So macht die RIAS Hessen ebenfalls auf Vorfälle während der Corona-Pandemie 2020-2022 aufmerksam, bei denen sich Gegner der Anti-Covid-Impfungen geschichtsverfälschend mit den verfolgten Juden nach 1933 verglichen haben oder Ausschreitungen bei der Weltkunstausstellung „documenta fifteen“ 2022 in Kassel auftraten. Die Kritik an ausgestellten Werken, welche von Betroffenen als antisemitisch empfunden wurden, traf häufig auf Unverständnis. Der Soziologe Natan Sznaider äußert die Meinung, dass Menschen, die argumentierten, die Juden würden die documenta vermießen, sich nicht getraut haben zu sagen sie hätten genug von Juden und stattdessen sagen würden sie hätten genug von Israel.
Die RIAS Hessen und die Universitätsstadt Gießen leisten mit dieser Ausstellung einen wichtigen Beitrag in der Aufklärungsarbeit über aktuelle Varianten des Antisemitismus, auch um Betroffenen eine Stimme zu geben, die sonst oftmals ungehört bleiben würden.
„Menschen, die Antisemitismus ausgesetzt sind, brauchen Solidarität und Unterstützung. Antisemitismus hinterlässt Spuren. Sucht euch Rat und Hilfe!“ (RIAS Hessen).
Quellen:
https://rias-hessen.de/ueber-uns/
https://www.uni-giessen.de/ub/de/ueber-uns/aktuelles/rias
Recherche stand 14.01.2025