Die Entwicklung der Synagoge: Ein Spiegelbild jüdischer Geschichte

Die „Synagoge in der Bibel

Die Synagoge ist seit Jahrhunderten ein zentraler Ort im jüdischen Leben und spiegelt die wechselhafte Geschichte des Judentums wider. Ursprünglich entstand sie vermutlich während oder kurz nach dem babylonischen Exil (607–537 v. Chr.), als die Zerstörung des ersten Tempels das Bedürfnis nach einem Ersatzort für Gebet und Torastudium weckte. Das Volk Israel war auf der Suche nach Zuflucht, Schutz und vorallem Kontakt zu Gott.

Der Begriff “Synagoge” (συναγωγή) stammt aus dem griechischen Sprachgebrauch zur hellenistischen Zeit  und war die gebräuchlichste Bezeichnung für das Gebäude, in dem jüdische Gebetsgottesdienste stattfanden. Wörtlich übersetzt bedeutet es “Versammlung” oder “Versammlungshaus”. Der älteste archäologische Beleg für eine Synagoge in Palästina ist eine Inschrift aus der Zeit Jesu in Jerusalem; die älteste Synagoge überhaupt stammt aus dem 1. Jh v. Chr. Und wurde auf der Insel Delos ausgegraben

Schon vor der Tempelzerstörung 70 n. Chr. waren die Synagogen nicht nur Ort des Gottesdienstes sondern auch der Versammlungsort für alle das Gemeinwesen betreffenden Angelegenheiten, Ratsversammlungen, Gerichtssitzungen, Schulunterricht etc.
Die Aufgabe des Tempels war hauptsächlich, Opferstätte zu sein. In der Synagoge wurde nicht geopfert, sondern dort fanden Versammlungen statt und es wurde die Tora gelesen und gelehrt.

Wegen der Zerstörung des Tempels übernahm die Synagoge im Laufe der Zeit verschiedene Funktionen für Juden: Sie wurde für sie zum zentralen Ort für Gebet und religiöse Gemeinschaft, da sie überall errichtet werden konnte, während der Tempel zuvor an Jerusalem gebunden war. Außerdem wurde sie zum Zentrum für Toralesung und -studium, so wie Versammlungsstätte der Menschen. In einigen Fällen wurde sie auch als eine Gerichtsstätte oder eine Herberge für Reisende genutzt.

Auch im Neuen Testament wird die Bedeutung der jüdischen Synagoge deutlich: Jesus predigte regelmäßig in Synagogen und sie waren wichtige Schauplätze seines öffentlichen Wirkens. Jesus und insbesondere dann die Apostel steuerten oft zunächst jüdische Synagogen auf den Missionsreisen an, um zunächst jüdische Menschen mit dem Evangelium von Jesus, dem Messias und Retter, bekannt zu machen. In Magdala am See Genezareth wurde eine der ältesten Synagogen der Welt ausgegraben, datiert auf 50 v. Chr. bis 100 n. Chr. Es wird angenommen, dass Jesus in dieser Synagoge gepredigt hat

Eine Synagoge zeichnet sich durch einige zentrale Elemente aus, darunter der Toraschrein und ein Lesepult. Meistens ist der Raum nach Jerusalem ausgerichtet. Obwohl die Architektur sich unterscheiden kann, unterstreichen diese einheitlichen Elemente die zentrale spirituelle Rolle der Synagoge und ihre Bedeutung für das jüdische Leben und die Verbundenheit des Volkes.

Die Erkenntnisse aus der historischen Forschung und die archäologischen Nachweise zeigen, dass Synagogen zur Zeit Jesu bereits etablierte Institutionen waren, die eine wichtige Rolle im religiösen und sozialen Leben der jüdischen Gemeinschaft spielten.

Im Laufe der Zeit

Im Mittelalter und in der Neuzeit blieb die Synagoge trotz Verfolgungen und Zerstörungen das Zentrum jüdischen Lebens. Sie entwickelte sich zu einem universalen Ort, der religiöse, soziale und bildungsbezogene Funktionen vereinte. Juden weltweit konnten sich auf die Synagogen verlassen und dort Gemeinschaft und Zuflucht finden.

Während der NS-Zeit wurden Synagogen in Deutschland jedoch zu zentralen Zielen antisemitischer Gewalt und des Hasses gegen Juden. In der Reichsprogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 zerstörten die Nationalsozialisten etwa 1.400 Synagogen durch Brandstiftung und Plünderung, oft unter Mithilfe lokaler Behörden. Viele Synagogen wurden danach enteignet, abgetragen oder zweckentfremdet, beispielsweise als Lagerhallen. Die Zerstörung symbolisierte die systematische Vernichtung jüdischer Kultur und Gemeinschaft, die im Holocaust gipfelte. Inzwischen erinnern lediglich Gedenkstätten und Mahnmale an diese Verluste, während der Wiederaufbau jüdischen Lebens ein fortlaufender Prozess bleibt.

 

Moderne Rolle

Aber auch aktuell erfüllen die in Deutschland etwa noch 100 bestehenden Synagogen eine Vielzahl von Aufgaben. Sie sind insbesondere für Juden ein Ort für Gottesdienst und Gebet, ein Zentrum für Bildung und Lernen sowie ein Raum für Gemeinschaftsaktivitäten.

Außerdem sind moderne Synagogen oft Teil größerer Gebäudekomplexe, die kulturelle und soziale Einrichtungen wie Bibliotheken oder Restaurants umfassen. Damit bleibt die Synagoge eng mit dem jüdischen Leben verbunden und zeigt vor allem ihre Anpassungsfähigkeit an verschiedene Kulturen über die Jahrhunderte hinweg.

In Deutschland stehen Synagogen inzwischen häufig unter polizeilichem Schutz. Je nach Lage sind permanente Wachposten vor den Gebäuden stationiert oder regelmäßige Patrouillen werden durchgeführt. Nach dem Hamas-Angriff auf Israel im Oktober 2023 wurde die Polizeipräsenz vor jüdischen Einrichtungen nochmals erhöht.

 

Brandanschlag in Australien

Am 6. Dezember 2024 wurde ein Brandanschlag auf die Adass-Israel-Synagoge in Melbourne verübt. Zwei maskierte Täter drangen in die Synagoge ein, verteilten einen Brandbeschleuniger und setzten das Gebäude in Brand. Ein Mitglied der Gemeinde erlitt leichte Verbrennungen, und das Gebäude wurde schwer beschädigt.

Der australische Premierminister Anthony Albanese verurteilte die Tat als „offensichtlichen Akt des Antisemitismus“ und als „Schandtat“. Er versprach, die Sicherheit jüdischer Einrichtungen zu erhöhen, und stellte 32,5 Millionen australische Dollar für bauliche und technische Sicherheitsmaßnahmen bereit.

Vertreter der jüdischen Gemeinschaft, wie Jeremy Leibler von der Zionist Federation of Australia, äußerten Besorgnis über ein wachsendes Gefühl der Unsicherheit. Viele jüdische Bürger fühlten sich seit dem 7. Oktober 2024 „verlassen und verraten“. Yossi Aron, Redakteur bei den Australian Jewish News, hob die symbolische Bedeutung des Brandanschlags hervor: „Das Bild einer brennenden Synagoge ist ein schlechtes Zeichen für das jüdische Volk.“

Die Executive Council of Australian Jewry forderte den Premierminister auf, konkrete Maßnahmen gegen den zunehmenden Antisemitismus zu ergreifen. In einem offenen Brief betonten sie, dass Worte nicht ausreichen und die Sicherheit jüdischer Institutionen aktiv verbessert werden müsse.

“For more than a year, Jewish Australians have lived with fear and anxiety. Many in our community now question their future in this country. They question whether it is still safe to wear Jewish symbols, to attend Jewish institutions, to work and participate in certain industries, to openly profess their faith and celebrate their heritage and to raise proudly Jewish children in today’s Australia. We ask you, Prime Minister, to reflect on how this has been allowed to occur. We ask you to reflect on how the conditions in which a synagogue can be set alight have been allowed to develop. Your words swiftly condemning the attack were heard by our community. However, the time for mere words has long passed. We now call for action.”

 

Die Synagoge hat sich seit ihrem Ursprung zur Zeit der Bibel über Jahrtausende hinweg trotz extremer Angriffe als flexibles und zentrales Element des jüdischen Lebens erwiesen.
Insbesondere aktuelle Ereignisse wie der Brandanschlag in Australien und die verstärkten Sicherheitsmaßnahmen in Deutschland verdeutlichen aber, dass dieser Ort des Friedens und der Gemeinschaft auch heute noch vielen Bedrohungen ausgesetzt ist. Umso wichtiger ist es, gerade jetzt präventive Maßnahmen zu ergreifen, um die Sicherheit jüdischer Einrichtungen weltweit zu gewährleisten. Denn es geht ja nicht primär um Gebäude, sondern um jüdischen Menschen und ihre Religionsfreiheit, die in keinster Weise angetastet werden darf. Dafür sollten Menschen mit gutem Willen bewusst einstehen.

 

Quellen:

https://www.die-bibel.de/ressourcen/wirelex/7-inhalte-iv-didaktik-der-religionen/synagoge-3
https://www.pm.gov.au/media/strengthening-jewish-community-safety
https://www.juedische-allgemeine.de/juedische-welt/anschlag-auf-synagoge-voellig-vorhersebare-entwicklung/
https://www.mena-watch.com/brandanschlag-auf-synagoge-in-melbourne/
https://www.ecaj.org.au/wordpress/wp-content/uploads/ECAJ-letter-to-PM-re-antisemitism-crisis-8-December-2024.pdf
https://www.focus.de/wissen/mensch/archaeologie/uralte-synagoge-in-israel-entdeckt-forscher-sicher-hier-predigte-jesus_id_4367003.html
https://www.grin.com/document/96025
https://bibelwissenschaft.de/stichwort/100077/
Ernst, Michael. „Synagoge“. Herausgegeben von Franz Kogler. Herders Neues Bibellexikon. Freiburg; Basel; Wien: Herder, 2008.
Photo by Victoria Strukovskaya

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