Franz Delitzsch – der Mann hinter der Auszeichnung

Jahr für Jahr verleiht das Institut für Israelogie den Franz-Delitzsch-Preis. Seit 2007 werden damit herausragende wissenschaftliche Arbeiten prämiert, die sich sachkompetent mit den Forschungsschwerpunkten des Instituts auseinandersetzen und somit eine heilsgeschichtlich orientierte Israel-Theologie fördern.

Doch wer ist der Mann hinter der Auszeichnung? Wer war Franz Delitzsch? Für welche theologische Anliegen setzte er sich ein?

 

Die Biografie

Um das herauszufinden, lohnt sich ein Blick in seine Biografie.

Franz Julius Delitzsch war ein deutscher evangelisch-lutherischer Theologe, der sich vorrangig mit dem Alten Testament, dem Judentum und der Judenmission beschäftigte.
Delitzsch wurde am 23. Februar 1813 in Leipzig geboren. Er wuchs in eher ärmlichen Verhältnissen auf, weswegen ihm der Zugang zu höherer Bildung zunächst verwehrt schien. Eine gymnasiale Ausbildung sowie ein Studium an der Universität Leipzig wurde ihm allerdings durch seinen jüdischen Freund aus der Familie Levy Hirsch ermöglicht. Zu dessen Verhältnis zu Delitzsch waren schon zu seinen Lebzeiten Gerüchte im Umlauf. Einige Stimmen seiner Zeit meinten, dieser sei Delitzschs biologischer Vater gewesen. Unabhängig von der Beziehung zwischen den beiden lässt sich aber sicher feststellen, dass durch diesen Kontakt seine Begeisterung für das Judentum schon früh geweckt wurde. Auch später, als er evangelischer Theologe wurde, war er dem Judentum bis zu seinem Tod am 4. März 1890 sehr zugewandt.

Was ihn darüber hinaus noch mehr prägte war sein persönliches Bekehrungserlebnis. Durch einen pietistischen Kommilitonen erlebte er die Auswirkungen einer persönlichen Beziehung zu Jesus Christus und entschied sich daraufhin selbst für den christlichen Glauben. Er beschrieb dieses Erlebnis, wie die neutestamentliche Geschichte von Thomas (Johannes 20,19-29), der sich nach einer Zeit des Zweifelns zu Gott bekannte.
Daraufhin entschied er sich, Theologe zu werden und sein Leben der wissenschaftlichen Forschung der theologischen Rede über Gott zu widmen. Seine Bekehrung zum Christentum hatte nicht nur Einfluss auf seinen persönlichen Glauben, sondern manifestierte auch das Fundament seiner Theologie. Für ihn stand daraufhin fest, dass Gottes Handeln eine reale Tatsache und in der Gegenwart erfahrbar ist. Damit positionierte er sich konträr zur historisch-kritischen Theologie seiner Tage, die Gottes Eingreifen in die Welt nahezu ausschloss.

Wegweisend für Franz Delitzschs Theologie war sein Bekenntnis zu „zwei Weltordungen“, zum einen die Naturwissenschaft, die einer kausalgesetzlichen Ordnung unterliegt, und zum anderen das Reich der Freiheit, in dem die Wechselwirkung Gottes zum Menschen durch persönliche Erfahrungen erlebbar werden, wie es sich ja bei ihm selbst zugetragen hatte. Er selbst sah sich als Theologe zwischen der Wissenschaft und dem Glauben, eine Zweiteilung, die er nie voneinander loslöste. Sein Glaube prägte somit sein wissenschaftliches Arbeiten.

 

Die Theologie 

Nach seiner Promotion zum Doktor der Theologie forschte Delitzsch weiter im semitischen und judaistischen Kontext. Er sprach sich immer mehr für die Judenmission aus. Er wollte dem jüdischen Volk seine Erkenntnis nahebringen, dass Gott auch heute noch erlebbar ist – seiner Erfahrung nach eben in Jesus Christus, dem Messias Israels.

1871 rief er den „Evangelisch-Lutherischen Centralverein für Mission unter Israel“ ins Leben (heute: Evangelisch-Lutherischer Zentralverein für die Begegnung von Christen und Juden e.V.). Außerdem war er beteiligt an der Gründung des Institutum Judaicum in Leipzig, welches später auch seinen Namen trug (Institutum Judaicum Delitzschianum). Am Institut unterrichteten sowohl christliche als auch jüdische Gelehrten und die Ausbildung von Missionaren wurde ausdrücklich befürwortet.

Sein Ziel bei dieser Arbeit war klar – die Judenmission auf theologisch-wissenschaftlicher Basis über die deutschen Grenzen hinaus fördern. Seine Missionsbestrebungen führten öfter zu Irritationen, vor allem unter jüdischen Gehlehrten, und sie gelten auch heute als umstritten. Der Antrieb für seine missionarischen Bestrebungen lagen immer in seiner Liebe zum Volk Israel und waren die Vorrausetzung für seine Judenmission. Das christliche Liebesgebot war sein Maßstab für alle jüdisch-christlichen Dialoge, und er kritisierte das Verhalten der Kirche da, wo die Liebe im Umgang mit Juden ausblieb. Für ihn bedeutete Mission nicht das Überstülpen einer politisch aufgeladenen Religion über die Juden, sondern das Weitergeben der Liebe Jesu, die er selbst erlebt hatte. Missionieren könne man nur da, wo man selbst liebt. Und lieben könne man nur da, wo man jemanden kennt.1Nachzulesen in „Judenmission bei Franz Delitzsch“ im Downloadbereich des Instituts für Israelogie

Und deshalb war Delitzsch tatsächlich jemand, der das Judentum sorgfältig studiert hatte. Bis heute ist er Neuauflage der Hebräischen Übersetzung von Delitzschbekannt als gründlicher Kenner der rabbinischen Literatur und des Judentums, denn dieses Wissen bildetet das Fundament seiner Begründung für die Judenmission. Er hatte es auch auf dem Herzen, das Neue Testament für die jüdische Bevölkerung zugänglich zu machen. Aus dieser Überzeugung heraus und der immer größer werdenden Passion für die Juden übersetzte Delitzsch das Neue Testament ins Hebräische, welches 1877 erschien. Er vertiefte sich wie kaum ein anderer in die Welt der Hebraistik. Er studierte das Alte Testament und setzte mit seiner christlich-theologischen Sichtweise einen neuen Schwerpunkt.

Delitzsch hielt bis zum Schluss daran fest, dass die gesamte Bibel Gottes offenbartes Wort für die Menschen sei. Seine Kommentare zu biblischen Büchern finden heute vor allem in Bezug auf seine hebraistischen Fähigkeiten Beachtung. Trotz seines Engagements für die Judenmission lässt seine alttestamentliche Hermeneutik einen christlich-jüdischen Dialog zu. Er deklarierte die christologische Lesart des Alten Testaments nicht als die einzig mögliche Lesart, und stellte fest, dass sie sich bis zu einem gewissen Punkt nicht von der jüdischen unterscheiden muss. Ganz klar benennt er aber den christlichen Glauben als Vorbedingung eines sachgemäßen Verständnisses des Alten Testaments. Es war Delitzschs Hoffnung, dass die nach „Wahrheit suchende jüdische Confession“2Formulierung aus Delitzsch „Messianische Weissagung in geschichtlicher Folge“ das Alte Testament einmal mit dieser vertieften Sicht lesen können werde.

 

Die Bedeutung

Diese Art zu denken, deutet an, wieso er als Namensgeber des Franz-Delitzsch-Preises fungiert. Sein ganzes Leben widmete er den Juden und das nicht nur auf intellektueller und wissenschaftlicher Ebene, sondern auch mit persönlichem Einsatz. Seine größte Leidenschaft aber war der Glaube an Jesus Christus selbst.

Diese Leidenschaften sollen in gewissem Sinn auch die Bewerber um den Franz-Delitzsch-Preis. Die Auszeichnung bedeutet somit nicht nur, eine herausragende wissenschaftliche Arbeit in der heilsgeschichtlichen Theologie vorzulegen, sondern eben auch ein passioniertes Herz für das jüdische Volk und Israel mitzubringen, dass sich im jeweiligen Forschungsbeitrag der Bewerber zeigt. Die Beiträge der Preisträger tragen somit immer zum christlich-jüdischen Dialog bei und erhalten durch den Franz-Delitzsch- Preis eine hervorgehobene Würdigung der jeweils honorierten Arbeit.

Auch in diesem Jahr 2023 wird das Institut für Israelogie verschiedene Preisträger ernennen, die als Hauptpreisträger, als Förderpreisträger und als studentischer Preisträger ausgezeichnet werden. Die Preisverleihungen des Franz-Delitzsch-Preises für 2021 und für 2022 wurden corona-bedingt als Videobeitrag veröffentlicht. Auch die Preisträger für das Jahr 2023 werden in Kürze online bekanntgegeben.

 

Quellen:

Franz Delitzsch, Messianische Weissagung in geschichtlicher Folge

Jacob Corzine, Erfahrung im Alten Testament. Untersuchung zur Exegese des Alten Testaments bei Franz Delitzsch

Siegfried Wagner, Franz Delitzsch. Leben und Werk

Judenmission bei Delitzsch (Artikel im Downloadbereich)

https://www.bibelwissenschaft.de/fileadmin/buh_bibelmodul/media/wibi/pdf/Delitzsch_Franz__2019-06-25_19_28.pdf aufgerufen am 17.03.2023

https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Delitzsch aufgerufen am 17.03.2023

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    Nachzulesen in „Judenmission bei Franz Delitzsch“ im Downloadbereich des Instituts für Israelogie
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    Formulierung aus Delitzsch „Messianische Weissagung in geschichtlicher Folge“