Israels Realität und westliche Wahrnehmung – Zur Kluft zwischen jüdischer und nichtjüdischer Sicht
Esther Schapira beschreibt, dass sich die Wahrnehmung des israelisch-palästinensischen Konflikts seit dem 7. Oktober 2023 aufgrund der existenziellen Bedrohung vieler Israelis grundlegend von nichtjüdischen Perspektiven unterscheidet. Sie betont, dass Menschen, die „nicht mit dem Rücken an der Wand stehen“, Verhandlungen gelassener angehen können, während für Betroffene das unmittelbare Überleben Israels im Zentrum steht. Diese Kluft werde deutlich, wenn vermeintliche Verbündete aus linken, woken oder kulturellen Kreisen ihre Solidarität einbüßten oder antisemitische Untertöne tolerierten, was viele Juden nachhaltig desillusioniere.
Vor diesem Hintergrund plädiert Schapira dafür, echte Allianzen zu bilden. Nur wer sich selbst als Verbündeter versteht und die existenzielle Dimension teilt, könne ausreichend Druck ausüben. Sie weist darauf hin, dass eine breite Front etwa gegen die atomare Bedrohung durch den Iran oder für die Freilassung von Geiseln den Verlauf des Konflikts grundlegend verändert hätte. Zuschauer oder passive Dritte hätten hingegen kaum Einfluss, weil sie nicht unmittelbar betroffen seien.
Schapira argumentiert weiter, dass Verhandlungen mit Akteuren, die die Vernichtung Israels zur Staatsdoktrin erhoben haben, aussichtslos seien. Ein pointiertes Zitat von Amos Oz verdeutliche dies: Man könne nicht „auf die Hamas zugehen und sagen: Vielleicht treffen wir uns in der Mitte (…) “. Sicherheit werde nur durch entschlossene Bündnisse demokratischer Staaten gewährleistet, auch wenn dies „teuer und unbequem“ sei. Abschließend appelliert sie an Politiker in Europa und weltweit, die existenzielle Bedrohung anzuerkennen und Israel nicht allein zu lassen, da Freiheit letztlich durch ein starkes demokratisches Bündnis verteidigt werden müsse.
Zur Autorin:
Esther Schapira ist eine deutsche Journalistin, Autorin und Filmemacherin. Sie arbeitet seit vielen Jahren für den Hessischen Rundfunk (ARD) und hat sich mit zahlreichen investigativen Reportagen, insbesondere zu Antisemitismus, islamistischem Terror und dem Nahostkonflikt, einen Namen gemacht. Ihre Dokumentationen wie „Der Tag, als Theo van Gogh ermordet wurde“ oder „Die Akte Alois Brunner“ fanden bundesweit Beachtung. Schapira gilt als eine Kennerin israelischer Politik und jüdischer Gegenwart in Europa. In ihren Texten verbindet sie politische Analyse mit persönlicher Betroffenheit.
Zur Zeitung:
Die Jüdische Allgemeine ist die auflagenstärkste jüdische Wochenzeitung in Deutschland. Sie erscheint bundesweit unter dem Dach des Zentralrats der Juden und berichtet über jüdisches Leben, Kultur, Religion, Geschichte sowie Politik aus jüdischer Perspektive. Sie gilt als wichtige Stimme im deutschsprachigen Raum für jüdische Themen und für die Berichterstattung über Antisemitismus, Israel und jüdische Identität.
Link zum Originalartikel:
„Die Kluft zwischen Juden und Nichtjuden wird offensichtlich“
von Esther Schapira, Jüdische Allgemeine, 22. Juni 2025
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