Judenfeindlichkeit im Fußball-Stadion

Am Sonntag, den 22.10., zeigte sich besonders deutlich, dass Antisemitismus im Fußball ein großes Thema ist, über das öffentlich geredet werden muss: Angefangen hatte alles damit, dass Anhänger des italienischen Vereins Lazio Rom nicht mehr wie üblich die Nordkurve des Olympiastadions für die nächsten Spiele besetzen durften. Von dort waren Anfang Oktober rassistische Parolen erschallt, sodass es zur Sperrung kam. Daraufhin siedelten sich beim nächsten Spiel vor allem die Ultra Lazios, berüchtigt für rechtsradikale Gesinnungsäußerungen, in der vom Fußball-Gegner AS Rom besetzen Südkurve an. Lazio siegte über Cagliari Calcio, alle gingen nach Hause. Doch was Reinigungskräfte und Ordner nach dem Spiel vorfanden, führte zum Eklat: In der Südkurve hatte man Sticker, Grafiken und Graffitis verteilt. Darauf konnte man wahlweise die Jüdin Anne Frank im gelb-roten Trikot des AS-Rom erkennen oder derbe Beleidigungen wie „Romanista Frocio“ (Schwuchtel) lesen. Beides zielte ganz offensichtlich darauf ab, den Fußball-Gegner schmähen und diffamieren zu wollen.

Anne-Frank-Museum, Amsterdam

Anne Frank, deren Erlebnisse in ihrem berühmten Tagebuch niederschrieben sind, starb 1945 mit 15 Jahren im Konzentrationslager Bergen-Belsen als Opfer des Nationalsozialismus. Der italienische EU-Parlaments-Präsident Antonio Tajani brachte am Dienstag den Skandal auf den Punkt: „Anne Frank als Beleidigung gegenüber einer anderen Gruppe einzusetzen, halte ich für sehr schwerwiegend.“ Zwar ist es in Italien nicht unüblich, ein „Andenken“, also eine symbolische Schmähung, im Territorium des Fußball-Gegners zu hinterlassen. Aber wenn eine Gruppe, deren rechte Tendenzen kein Geheimnis sind, sich des Gesichtes eines Holocaust-Opfers bedient, um andere zu verhöhnen, dann ist das perfide, unerträglich und hat nichts mit Fußball zu tun.

 

Fußball-Stadion

Lazio-Präsident Claudio Lotito reagierte demonstrativ mit einem Synagogenbesuch und der Ankündigung, mit der Klubjugend jährlich Auschwitz besuchen zu wollen. Außerdem tragen Vereinsspieler in dieser Woche Leibchen mit einem Aufdruck von Anne Franks Gesicht, darunter steht „Nein zum Antisemitismus“. Zusätzlich lesen Kapitäne der Fußballmannschaften vor dem Spiel Passagen aus ihrer Lebensgeschichte, und im Stadion wird eine Schweigeminute eingelegt. Konkrete  Schritte statt Gesten fordern zudem die Vertreter der Jüdischen Gemeinde Roms: zu Recht. Ein Verfahren einzuleiten ist möglich, denn seit September kann nun auch in Italien der propagandistische Gebrauch faschistischer Symbole und Gesten strafrechtlich verfolgt und sanktioniert werden.

Darüber hinaus bleibt die Pflicht bestehen, sich mit den unrühmlichen Vorfällen in Italien aktiv auseinanderzusetzen. Auch bei uns, denn in Deutschland ist judenfeindlicher Hass unter fanatisierten Fans von Sportmannschaften ebenfalls kein unbekanntes Phänomen. Die Idee, dass beim Sport stets alle kulturellen Unterschiede in positiv zugewandter Harmonie nichtig würden, bleibt ein Wunschtraum. 2015 sagte Sportjournalist Ronny Blaschke in einer Gesprächsrunde, dass „Jude“ in Fußballerkreisen immer noch als schlimmste Beleidigung gelte. Eine traurige Wahrheit, wie das aktuelle Beispiel aus Italien verdeutlicht.

Links zu entsprechenden Artikeln in der Presse:

(ae)

Zurück