Die Altstadtmauer Jerusalems und das Goldene Tor

Das Damaskustor.

Die heutige Altstadtmauer Jerusalems – auf Befehl des osmanischen Sultans Süleiman, dem Prächtige (1520-1566), erbaut – wurde je nach Landesherren (Israeliten, Römer, Byzantiner, Kreuzfahrer) immer wieder erneuert oder weiter ausgebaut. Die Bautätigkeiten zur Zeit der Osmanen dauerten vier Jahre an. Erst in der Gegenwart, in den Jahren 2009/2010, veranlassten israelische Behörden umfangreiche Restaurationsarbeiten an diesen Stadtmauerabschnitten.

Das Goldene Tor mit dem muslimischen Friedhof davor.

Die Altstadtmauer besitzt sieben offene Tore, zwei weitere sind verschlossen – das Goldene Tor und die Huldah Tore – wobei lediglich das Goldene Tor bei der Zählung mit aufgezählt wird, aufgrund der minderen Bedeutung der Huldah Tore im Süden der Stadtmauer.

Als das prachtvollste Tor wird das Damaskustor angesehen. Auf Hebräisch wird es שער שכם (Nablus Tor) genannt. Es nimmt damit Bezug auf die Himmelsrichtung, aus der früher importierte Waren (überwiegend Oliven) aus Samarien (è Nablus) in die Stadt eingeführt wurde. Zudem ist das Tor Z-förmig gebaut, um einen Frontalangriff abwehren zu können. Das Zions- und Jaffator wurde L-förmig konstruiert.

Das Goldene Tor vom Ölberg aus fotografiert.

Dass das שער הרחמים („Tor des Erbarmens“), wie das Goldene Tor auf Hebräisch genannt wird, als einziges zugemauert wurde, findet seine Begründung in einer alten jüdischen Überlieferung. Demnach sei die Schechina Gottes („Gegenwart Gottes“ bzw. „Wohnstätte Gottes auf Erden“ – ein Begriff aus der jüdischen Religion) während der Zerstörung des zweiten Tempels 70 n. Chr. durch dieses Tor entwichen. Sie wird wieder mit dem Kommen des Messias in Jerusalem durch dasselbe Tor einziehen. Dann erst wird  das Tor wieder geöffnet sein.

Um den Anspruch der Weltherrschaft eines Machthabers (nicht der erwartete Messias) durch das Hindurchschreiten durch das Goldene Tor auszuschließen, wurde es vorsichtshalber zugemauert. Zudem bewacht ein Wächter das Tor, und der im 19. Jhdt. angebrachte muslimische Friedhof (è kultische Verunreinigung) vor dem Tor stellt eine weitere Maßnahme dar, um das Eintreten einer ungewünschten Person durch dieses Tor zu verhindern.

Das Goldene Tor vom Ölberg aus fotografiert.

Die Quellenlage, wer denn einst für das Zumauern des Tores verantwortlich gewesen ist, ist uneindeutig; sie zeigt unterschiedliche Traditionen an. Einmal wird gesagt, dass unter dem Befehl von Sultan Süleiman, dem Prächtigen, das Tor im 16. Jhdt. zugemauert worden sei. Andere Quellen besagen jedoch, dass dieser Befehl bereits auf Saladin aus dem 12. Jhdt. zurückzuführen sei. Wieder andere verweisen bereits auf die Kreuzfahrer (zwischen dem 11. und dem 13. Jhdt.), wobei anzumerken ist, dass das Goldene Tor zur Kreuzfahrerzeit während der Palmsonntagsprozession und zum Fest der Kreuzerhöhung hätte offen stehen müssen.

Die Außenfront und die Bögen des Goldenen Tores gelten als römischen Ursprungs. Die Mittelreihe an korinthischen Kapitellen (der obere Abschluss einer Säule) und ein Kreuzgewölbe lassen die Handschrift herausragender römischer Handwerker erkennen.

(mr)

Quellen:

Dan, Josef, Die Kabbalah. Eine kleine Einführung, Stuttgart 2007

Magall, Miriam, Jerusalem. Heilige Stätten der Juden, München 2010

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