Al Quds – die Heilige Stadt des Islam

Der Felsendom auf dem Tempelberg in Jerusalem.

Wer nach Jerusalem reist oder Bilder von der Stadt anschaut, wird an dem sehr prägenden Motiv des „Felsendoms“ mit der goldenen Kuppel und der al-Aqsa-Moschee oben auf dem Tempelplatz des ehemaligen jüdischen Tempels kaum vorbeikommen. Wir befinden uns im jüdischen Staat Israel und dort mitten in der für viele Menschen „heiligen Stadt Jerusalem“, und doch prägen gerade Bauwerke solcher Art, die zur Religion des Islam gehören, das Stadtbild. „Wie kommt das?“, fragen nicht selten erstaunte (Erst-)Besucher der Stadt. Nun, das hat damit zu tun, dass Jerusalem nicht nur für die Juden, sondern auch Jahrhunderte lang für Christen und insbesondere für Muslime eine „heilige“ und höchst bedeutsame Stadt ist.

Muslime nennen Jerusalem al-Quds (‚die Heilige‘). Nach Mekka und Medina ist sie die drittheiligste Stadt im Islam. Der Tempelplatz, auf Arabisch Haram al-Sharif,  bedeutet ‚vornehmes Heiligtum‘. Ende des 7. Jh. wurde der bereits oben erwähnte Felsendom auf dem Berg Moriah erbaut. „Moriah“ wird namentlich zwei Mal im Alten Testament erwähnt (Gen 22,2; 2Chr 3,1). Er ist nach Überlieferung aller drei Weltreligionen der Ort, an dem Abraham auf Befehl Gottes seinen Sohn Isaak opfern sollte (nach islamischer Tradition ‚Ismael‘).

Gen 22,2: „Und er sprach: Nimm deinen Sohn, deinen einzigen, den du liebhast, den Isaak, und ziehe hin in das Land Morija, und opfere ihn dort als Brandopfer auf einem der Berge, den ich dir nennen werde!“

2Chr 3,1: „Und Salomo fing an, das Haus des HERRN zu bauen in Jerusalem, auf dem Berg Morija, wo der HERR seinem Vater David erschienen war, an der Stelle, die David bestimmt hatte, auf der Tenne Ornans, des Jebusiters.“

Al-Aqsa-Moschee auf dem Tempelberg in Jersualem.

Von dem Felsen aus soll Mohammed (geb. 570 u. 572 in Mekka; gest. am 8. Juni 632 in Medina) laut der islamischen Tradition für einen Tag in den Himmel geritten sein, um den Koran in Empfang zu nehmen. Der Fels innerhalb des heutigen Felsendoms diente den Juden vermutlich ursprünglich als Brandopferalter zur Zeit des jüdischen Tempels.[1] Die 17. Sure des Korans erwähnt lediglich „die am weitesten entfernte Gebetsstätte“, und bezieht diese Aussage auf die al-Aqsa-Moschee, die sich nur wenige Meter neben dem Felsendom befindet. Der Name „al-Aqsa-Moschee“ bedeutet „die ferne Kultstätte“. Allerdings bestehen historische Ungenauigkeiten zwischen den historischen Fakten und der Deutung, wurde die Moschee doch erst ca. 90 Jahre nach den beschriebenen Ereignissen der 17. Sure erbaut.

Sure 17: „Preis sei Dem, Der Seinen Diener bei Nacht von der geschützten Gebetsstätte zur fernsten Gebetsstätte, deren Umgebung Wir gesegnet haben, reisen ließ, damit Wir ihm (etwas) von Unseren Zeichen zeigen. Er ist ja der Allhörende, der Allsehende. Und Wir gaben Mūsā die Schrift und machten sie zu einer Rechtleitung für die Kinder Isrāʾīls: „Nehmt euch außer Mir keinen Sachwalter“.

Der Felsendom

Jerusalem und insbesondere die al-Aqsa-Moschee werden gegenwärtig im arabischen Kontext mit folgenden Worten umschrieben: „Die Erste der beiden Gebetsrichtungen (d. h. Jerusalem vor Mekka) und die Dritte nach den beiden Heiligen Stätten (d. h. nach Mekka und Medina).“[2] Mohammed unterwies in Medina seine Anhänger, sich zum Gebet nach Jerusalem zu wenden. Etwa eineinhalb Jahre später, mit immer stärkerer Abgrenzung des Islam vom Juden- und Christentum, änderten die Muslime dann jedoch ihre Gebetsrichtung gen Mekka. Die Entscheidung der Gebetsrichtungsänderung wird in Sure 2, 144 erwähnt: „Wir sehen, dass du unschlüssig bist, wohin am Himmel du dich (beim Gebet) mit dem Gesicht wenden sollst. Darum wollen wir dich (jetzt) in eine Gebetsrichtung weisen, mit der du gern einverstanden sein wirst: Wende dein Gesicht in Richtung der heiligen Kultstätte (in Mekka)!“[3]

Mit der Eroberung Jerusalems im Jahre 638 n.Chr. durch den Islam unter der Herrschaft der Omaijaden[4], gewann Jerusalem wieder an Bedeutung, nachdem sie viele Jahrzehnte aufgrund der partiellen Zerstörung 135 n.Chr. und der damit ausgelösten Diaspora beinahe in der Bedeutungslosigkeit versunken wäre.[5] Und 70 Jahre nach der Hidschra, der Flucht Mohammeds von Mekka nach Medina, wurde mit dem Bau des Felsendoms begonnen. Kurz darauf kam es auch zum Bau der al-Aqsa-Moschee, um der Tradition der „nächtlichen Reise des Propheten Mohammeds“ eine höhere Bedeutung zukommen zu lassen.

Der Vorplatz vor dem Felsendom. Der Tempelberg umfasst knapp eine Fläche von 1km².

Auch eschatologisch-endzeitlich (= die Lehre der letzten Dingen) ist Jerusalem für die einflussreichsten Schulrichtungen des Islam von großer Bedeutung. So heißt es: „Einigen muslimischen Traditionen zufolge soll die Rückkehr Jesu, des Messias, am Ende der Zeiten in Jerusalem stattfinden. Und eben in Syrien-Palästina wird er den Antichrist, den Daddschal, bekämpfen und besiegen. Nach seinem Sieg wird Jesus Muhammad das Amt des Imam, die Leitung des Gebets am Ende der Zeit, übergeben.“[6]

Zugleich soll Jerusalem in der Erwartung vieler Muslime hinsichtlich der Auferstehung und des Jüngsten Gerichts von großer Wichtigkeit sein: „Es gibt eine Überlieferung, nach der das Jüngste Gericht auf dem Tempelberg abgehalten wird; die Gerechten werden durch die beiden zugemauerten Öffnungen des Goldenen Tores (das ‚Tor der Barmherzigkeit‘ und das ‚Tor der Reue‘) eintreten, das an den Friedhof angrenzt. Die Waagen, mit denen die Seelen gewogen werden, werden an den Arkaden oberhalb der acht Treppenaufgänge aufgehängt. Andere Überlieferungen sprechen von einem Seil, das vom Ölberg zur Ostmauer des heiligen Bezirks gespannt wird. Nur die Gerechten gelangen hinüber, die Ungerechten stürzen in den Abgrund der Verdammnis.“[7]

(mr)

Bibliographie:

Nöldeke, Theodor, Geschichte des Qorans, Aufl. 2, Leipzig 1909, Bd. 1, 174f.

Platti, Emilio, Die islamische Verehrung. In: 3000 Jahre Jerusalem. Welt und Umwelt der Bibel, Heft 1, Stuttgart 1996, 30ff.

Puech, Emile, Die Erwartung der Toten. In: 3000 Jahre Jerusalem. Welt und Umwelt der Bibel, Heft 1, Stuttgart 1996, 16ff.

Röhrich, Wilfried, Die Macht der Religionen. Im Spannungsfeld der Weltpolitik, Aufl. 2, München 2006

Thierfelder, Jörg, Grundkurs Judentum. Materialien und Kopiervorlagen für Schule und Gemeinde, Bd.1, Aufl. 2, Stuttgart 2002, 86-87

Fußnoten:

[1] Vgl. Platti, Emilio, 1996, 34.

[2] 1. Auflage. Kuwait 1997. Bd. 37. 231

[3] Vgl. Nöldeke, Geschichte, 174f.

[4] Der arabische Familienklan der Omaijaden kam aus Mekka und gehörte dem Stamm der Quraisch an, von dem auch Mohammed entstammte. Familienangehörige herrschten zwischen 661 und 750 n.Chr. und bildeten somit die erste dynastische Herrscherfolge in der Geschichte des Islam. Die Grenze erstreckte sich von dem östlichen Strom Indus, bis zur Iberischen Halbinsel im Westen.

[5] Röhrich, Macht, 40-41.

[6] Puech, Erwartung, 16.

[7] Puech, Erwartung, 16.

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