Besuch der Westend-Synagoge Frankfurt: Eine kulturhumoristische Perspektive

Bevor es in das drittgrößte jüdische Zentrum Deutschlands geht, klärt mich Markus Rehberg als Vertreter des Israelinstituts ausführlich über jüdische Liturgie auf, erklärt, wie wir uns im Gebetsbuch zurechtfinden können und berät mich persönlich bei der Wahl meiner Garderobe. Auf keinen Fall zu vergessen: Unsere Ausweisdokumente müssen wir mitbringen, um überhaupt die Sicherheitskontrolle zu passieren.

Um uns auf den Shabbat einzustimmen, reisen wir in aller Gemütlichkeit gemeinsam mit öffentlichen Verkehrsmitteln an. Wir wollen auch nach dem Gottesdienst in aller Ruhe die Emotionen und Erlebnisse reflektieren. Mich persönlich treibt auf dem Weg die Sorge um, das israelische Sicherheitspersonal könnte mich wegen ungünstigen ‚Visa-Eintragungen‘ aus der islamischen Welt nicht in die Synagoge lassen – doch dank der guten Hebräischkenntnisse des Institutsmitarbeiters lassen uns die Sicherheitsbeamten, die kein Deutsch sprechen, passieren.

Als wir mit Kippot bedeckt den prunkvollen Saal betreten, ist der Psalmengesang bereits in vollem Gange; dabei singen zwar alle die gleiche Melodie, das Tempo scheint aber eher flexibel zu sein. Immer wieder beginnen verschiedene Gläubige im ganzen Saal, Gebete zu leiten und die Gesamtgemeinde folgt ihnen. Gleichzeitig begrüßen die Gläubigen ihre Freunde und halten ein Pläuschchen. Während die Liturgie ihren Lauf nimmt, singt ein Teenager einen Psalm, wir wenden uns nach Westen, um mit einer Verbeugung den Shabbat zu begrüßen, beten das Sch’ma Israel, murmeln das Achtzehnbittengebet und zwei Jungs segnen den Wein. An dieser Stelle ermahnte einer der Leiter die quatschenden Jugendlichen doch andächtig zu lauschen – was eher mehr zu Gelächter und weiterem Gerede führte. Kaum hatte ich mich auf den Shabbat eingestimmt, war der Gottesdienst auch schon vorbei, was einige Juden nicht daran hinderte, selbst kurz vor Ende durch die Tür hineinzuschlüpfen. Im Anschluss haben wir ein kurzes Gespräch mit einem freundlichen Studenten, der uns noch durch die Räumlichkeiten der Synagoge führt.

Der Abend brachte Einblicke in eine einerseits Kollektiv-spontane orientalische Kultur, mit jahrtausendalten Traditionen und Formen, deren Mischung zu beobachten ein faszinierendes Schauspiel ist. Darüber hinaus war der Abend ein Erlebnis tiefgründiger Liturgie, gewichtiger Theologie und anmutiger Poesie.

(Michael Voth)

 
 
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