Die sechs Psalmlieder

Das Sabbatempfangsgebet ‚Kabbalat Schabbat‘ hat als Mittelstück das ‚Lecha Dodi‘ (auf mein Freund) und als Ende den 92. und 93. Psalm. Der Beginn hingegen wird durch die sechs Psalmenlieder eingeläutet. Dieser Teil wird Rabbi Mosche Cordovero (1522-1570) zugeschrieben. Alle sechs Dank- und Lobpsalmen (Ps 95-99 sowie Ps 29) verherrlichen Gottes Herrschaft, Größe, Macht und Souveränität. Ihre Zahl symbolisiert die sechs Wochentage. Jeder Psalm steht für einen Tag, an dem man Gott als König und Herrscher des Universums preist. Der siebte Psalm  (Psalm 92) kommt erst nach dem ‚Lecha Dodi‘, er bildet den Abschluss der ‚Kabbalat Schabbat‘-Gebete, die den Sabbat begrüßen sollen.

Zur Zeit des jüdischen Tempels wurde freitagnachmittags sechs Mal in kurzen Abständen das Schofar geblasen. An diesen Brauch wurde im 9. Jhdt. in Babylon durch sechs Psalmlieder erinnert. Die Psalmlieder aus Babylon sind nicht unbedingt mit den heute angewandten Psalmen identisch gewesen, jedoch scheint der Ursprung des ‚Kabbalat Schabbat‘-Gebets bis ins 9. Jhdt. Zurückzuführen.[1]

Der 29. Psalm hat den jüdischen Weisen nach eine besondere symbolische Bedeutung und weist einige Parallelen zur ‚Amida‘ oder dem ‚Achtzehnbittengebet‘ auf. Der Name Gottes wird in diesem Psalm achtzehnmal erwähnt, so wie in dem Achtzehnbittengebet, auch Amida genannt. Auch enthält dieser Psalm achtzehn Segenssprüche. Der Ausdruck „die Stimme Gottes“ wird in diesem Psalm siebenmal wiederholt, so wie in den Segenssprüchen der Amida am Sabbat. Der Talmud (Belehrung) berichtet auch in Megila 17b, dass dieser Psalm thematisch den ersten drei Lobsprüchen der Amida gleicht. Um die symbolische Verbindung der wöchentlichen und der Sabbat-Amida besser zu verdeutlichen, wurde dieser Psalm vermutlich ausgesucht, häufig wird er stehend gebetet.

‚Ana Beco-ach‘, ein kurzes kabbalistisches Gebet, wurde dem 29. Psalm angefügt. Der Weise des Talmud, Rabbi Nechunja ben Hakana aus dem 2. Jhdt., gilt als Verfasser. In diesem Gebet werden sieben Anreden für Gott verwendet, diese gleichen den sieben Stimmen Gottes aus dem 29. Psalm. Das Gebet hat 42 Worte inne, diese stehen symbolisch für die heute nur noch selten bekannte Verschlüsselung des göttlichen Namens (Kiduschin 71a).

(mr)

Quellen:
http://www.vr-elibrary.de/doi/abs/10.13109/homh.2009.85.7.368?journalCode=homh#.VBKojSXkipo
Word Download – 24.08.14 – „463_Der Eingang des Sabbat“
http://www.youtube.com/watch?v=-A3c2p_1C1E
http://www.youtube.com/watch?v=KRgMyJs0Ec8
 
Bibliographie:
Keller, Manfred, Einführung in den jüdischen Gottesdienst. Homiletische Monatshefte: Band 85, Ausgabe 6, 2009, 326-329
Müller, Samuel, Von jüdischen Bräuchen und jüdischem Gottesdienst, Tel-Aviv 1970, 47ff.
 

[1] Vgl. Keller.

 

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