Antikes Massengrab nach Entdeckung versiegelt

Blick auf das Goldene Tor

Die Meldung klingt fast nach dem Stoff für einen guten Thriller: Im Jahre 1997 betritt und filmt ein Fernsehjournalist mit einem Kamerateam ein vor den Toren Jerusalems liegendes historisches Massengrab. Er muss versprechen, sein Filmmaterial streng geheim zu halten. 15 Jahre später veröffentlicht er seine Aufnahmen und löst damit eine heftige Diskussion aus.

Der Journalist heißt Beni Liss und das Grab, von dem die Rede ist, liegt am östlichen Hang des Tempelbergs, direkt unterhalb des (verschlossenen) Goldenen Tores und gegenüber vom bekannten Ölberg mit seinem jüdischen Friedhof. 1997 wurde diese Höhle entdeckt, jedoch kurz darauf von der Antikenbehörde (Israel Antiquities Authority, kurz: IAA) wieder versiegelt, da die religiösen Parteien Jerusalems nichts davon erfahren durften: So erheben beispielsweise die Muslime Anspruch auf das Gebiet unterhalb von Al-Aqsa-Moschee und Felsendom, zumal sich vor dem Tor der muslimische Friedhof erstreckt. Auch ultraorthodoxe Juden wehren sich vehement gegen jede Störung der Totenruhe. So wurde vor 15 Jahren lediglich gefilmt, auf die Entnahme von Proben o.ä. ist verzichtet worden.

Bei einer Archäologentagung Anfang August brach Liss nun sein Schweigen: Er zeigte seine Filmaufnahmen und stelle die Theorie auf, dass es sich bei den in dem Massengrab verscharten Leichen um im Jahre 70 n. Chr. von den Römern massakrierte Juden handelt. Diese hätten, so berichtet es der Historiker Flavius Josephus in De bello Iudaico, im Zuge der römischen Zerstörung Jerusalems auf dem Tempelberg Zuflucht gesucht, bevor der Tempel niedergebrannt und besagte dort versteckte Juden ermordet wurden.

Dem Tempelbergexperten Nadav Schragai zufolge gibt es jedoch eine ganze Reihe weiterer historischer Massaker – aus der Zeit der Perser bis hin zur Kreuzfahrerzeit und darüber hinaus – die diesem Massengrab zugrunde liegen könnten. Eine genaue Datierung sei unmöglich, solange das Grab nicht der Forschung zugänglich gemacht würde und die Knochen untersucht werden könnten. In jedem Fall berichtet Liss von Bergen aufgetürmter Knochen mit zum Teil deutlichen Spuren von Gewaltanwendung.

Wann und ob das Massengrab durch die IAA der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, ist noch unklar. Bis dahin geben sich die Experten in jedem Fall eifrigen Diskussionen hin über diesen so geschichtsträchtigen, aber beinahe unerforschten Ort vor dem wohl bedeutendsten Tor Jerusalems, durch das nach jüdischer Überzeugung eines Tages der Messias in die Stadt geritten kommt.

(jp)

Quellen:

http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/13702
http://www.israelnetz.com/wissenschaft/detailansicht/aktuell/massengrab-in-jerusalem-entdeckt-und-versiegelt/#.UDHnLkTFLy9

 

Fotos: © privat

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