Christliche Bibeln im israelischen Parlament

Es ist „von Juden für Juden geschrieben“ – das Neue Testament. Aus diesem Grund startete die Bibelgesellschaft in Israel im Sommer 2012 eine Aktion: Als die Abgeordneten des israelischen Parlaments letzte Woche ihre Dienstbriefkästen öffneten, fanden sie darin eine – aus Altem und Neuem Testament bestehende – Bibel in hebräischer Sprache mitsamt einem erläuternden Brief. Es handele sich um eine neue Bibelausgabe mit 90.000 Kommentaren und Querverweisen, mit deren Hilfe man laut Victor Kalisher, dem Leiter der messianischen Bibelgesellschaft, „die enge Verbindung der Worte in der Torah mit dem Neuen Testament“ wie beispielsweise erfüllte Prophezeiungen erkennen könne.

Die Reaktionen der Knessetabgeordneten waren unterschiedlich: Während Kalisher von einer grundsätzlichen Dankbarkeit seitens der Politiker berichtet, kamen aus verschiedenen Parteien auch negative Kommentare. Laut der Jerusalem Post wandte sich Zippi Hozovely von der Likud-Partei im Anschluss an die Aktion schriftlich mit den folgenden Worten an den Parlamentsvorsitzenden Reuven Rivlin: „Es kann nicht sein, dass missionarisches Material in der Knesset verbreitet wird. (…) Texte, die dazu verwendet wurden, um (Juden) zu verfolgen und zu schikanieren, können nicht durch die Vordertür des israelischen Staates verbreitet werden.“

In der Tat gibt es in Israel seit 1977 ein „Anti-Missionierungs-Gesetz“, mit dem untersagt wird, jemanden durch matierelle Anreize zur Konversion zu zwingen. Dabei überwacht beispielsweise die ultraorthodoxe Organisation Yad L‘Achim streng jede missionarische Aktivität in Israel, vor allem wenn sie von messianischen Juden ausgeht.

Die Intention der Bibelgesellschaft war jedoch laut eigenen Angaben keine missionarische, sondern bestand darin, die führenden jüdischen Politiker über die Inhalte des aus dem Judentum entstandenen christlichen Glaubens aufzuklären. Kalisher betonte, dass die Lektüre des Neuen Testaments den Abgeordnenten helfen könne, besser mit denjenigen zu kommunizieren, die Israel aufgrund ihres christlichen Hintergrundes unterstützen. Er führt weiter aus, dass er in demselben Maße kein Problem darin sähe, wenn muslimische Glaubensvertreter den Koran in der Knesset verteilen würde, handele es sich doch um ein Zeichen des Respekts, das heilige Buch der eigenen Religion weiterzugeben – und jeder könne damit tun und lassen, was er will.

Genau dies geschah nun: So berichtet die israelische Zeitung Ha‘aretz von Michael Ben-Ari, Abgeordneter der Nationalen Union, der das Neue Testament aus dem Buch herausriss und wegwarf, sei es doch ein „abscheuliches Buch“, welches „die Ermordung von Millionen von Juden während der Inquisition brachte“. Diese bewusste Provokation, die der Politiker zudem fotografieren ließ, wurde anschließend von vielen Seiten, vor allem von jüdischen Organisationen in den USA, verurteilt. Auch einige Knesset-Mitglieder selbst äußerten Kritik an Ben-Aris Reaktion, so formulierte Hanna Sweid von der Hadash-Partei gegenüber der Jerusalem Post: „This is hooliganism, bullying and an apocalyptic act of hatred that was baseless and unnecessary.“ In jedem Fall ist die Tat ein Beispiel für die weiterhin existierenden Vorurteile vieler religiöser Juden gegenüber Christen und messiasgläubigen Juden.

Als Zeichen des Respekts und angesichts der angespannten Beziehungen hatte die Bibelgesellschaft jedoch bewusst darauf verzichtet, arabischen und ultraorthodoxen Knessetmitgliedern eine Bibel zukommen zu lassen. Dennoch kommentierte Nissim Se‘ev, Anhänger der religiösen Schass-Partei und ordinierter Rabbi, die an seine Kollegen gerichtete Post: „Das sind Leute, welche annehmen, dass alle Juden in Israel zum Christentum bekehrt werden müssen. Dafür bekommen sie aus der ganzen Welt Spenden. Wie können wir sie von diesem Gedanken befreien?“ Er forderte eine verstärkte Vermittlung der traditionellen jüdischen Werte sowie eine Verschärfung des bestehenden Anti-Missionierungs-Gesetzes.

Vielleicht nannte der Vorsitzende der christlichen Vertretung in der Knesset, David Rotem, die Aktion der Bibelgesellschaft aus diesem Grund keine missionarische Arbeit, sondern „einen Akt der Dummheit“.

Ob mit Konsequenzen zu rechnen ist oder ob die Verteilung des Neuen Testaments tatsächlich zur besseren Kenntnis der christlichen Überzeugungen führen wird, bleibt abzuwarten. Als jedenfalls die Bibelgesellschaft im Jahre 1970 Premier David Ben-Gurion die erste hebräische Übersetzung des Neuen Testaments schenkte, nahm dieser laut Kalisher das Geschenk mit Dankbarkeit und Wertschätzung entgegen.

 

(jp)

Quellen:

http://www.haaretz.com/jewish-world/jewish-world-news/u-s-jewish-groups-condemn-knesset-s-michael-ben-ari-for-destroying-new-testament-1.452606
http://www.israelnetz.com/nachrichten/detailansicht/aktuell/neues-testament-sorgt-fuer-furore-in-jerusalem/#.UBDthUTFLy8

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