Menschenverachtende Zustände auf der Sinai-Halbinsel

Als die „Hölle auf Erden“ beschreibt die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) die Situation von afrikanischen Flüchtlingen, die durch den Sinai nach Israel einwandern wollen. „Sie kommen aus Äthiopien, dem Sudan, aus Eritrea. Was sie suchen, ist ein besseres Leben. Womit sie allerdings auf ihrem mühsamen Weg Richtung ‚Gelobtes Land‘ konfrontiert werden, sind menschenverachtende Zustände. Sie werden entführt, misshandelt, vergewaltigt, ihnen werden Organe bei lebendigem Leib entfernt. Bis nach Israel gelangen sie oft gar nicht.“

So berichtete das Israelnetz schon vor einigen Monaten über die Situation der Asylbewerber auf der Sinai-Halbinsel, einer der gefährlichsten Flüchtlingsrouten der Welt.

Jetzt äußerten sich vor allem katholische Verantwortliche aus Israel „tief besorgt“ über die dortige Lage. So würden in der Nähe des bekannten Katharinenklosters hunderte Flüchtlinge von skrupellosen Menschenhändlern in Ketten gefangen gehalten und schwersten Misshandlungen ausgesetzt. Ihnen droht aufgrund des lukrativen Geschäfts des Organhandels ein grausamer Tod, wenn ihre Angehörigen kein Lösegeld zahlen – was diesen nur selten möglich ist. Besonders schlimm seien die Verbrechen – wie sexueller Missbrauch, Folter, Mord und viele andere Demütigungen – an Frauen und Kindern, heißt es weiter.

Im Heute Journal des ZDF berichtete vor kurzem Teklit Michael, ein Flüchtling aus Eritrea, von seinen Erfahrungen: „Ich habe zwischendurch nur auf meinen Tod gewartet. Es gibt Hunger und unvorstellbare Grausamkeiten. Schlimmer als alles, was man irgendwo lesen kann.“ Weitere Berichte von Überlebenden finden Sie hier.
Diese zahlreichen Zeugenaussagen wurden bestätigt durch Funde ausgeweideter Leichen im Nord-Sinai. Im Jahre 2010 belief sich die Zahl der Flüchtlinge auf 12.000.

Die Ordinarien des Heiligen Landes, bitten nun in einem Appell die israelischen und ägyptischen Behörden sowie die internationale Gemeinschaft um ein rasches Eingreifen. So soll beispielsweise katholischen Seelsorgern Zugang zu den Flüchtlingscamps nahe der ägyptischen Grenze verschafft werden. Des weiteren wird von Menschenrechtsorganisationen immer wieder gefordert, die Flüchtlinge zu befreien, die Schmuggler strafrechtlich zu verfolgen und die Folteropfer zu versorgen. Sigal Rozen, Koordinatorin der Organisation Hotline für Gastarbeiter, beklagt in dem Zusammenhang: „Wären die Geiseln Europäer, hätte man diesem Treiben längst ein Ende gesetzt“.

Doch die äygptische Regierung fühlt sich machtlos im Kampf gegen den Menschenhandel in diesem riesigen Wüstengebiet.

Der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius sagte vor einigen Monaten als Reaktion auf die bekannt gewordenen Nachrichten: „Um den Menschenhandel wirksam zu bekämpfen, muss mehr für die lange vernachlässigten Beduinen im Nord-Sinai getan werden. Ohne wirtschaftliche Entwicklung gibt es in der verarmten Region für sie kaum eine Alternative zum Schmuggel mit Gütern und Menschen.“ Denn seit dem Zusammenbruch des Mubarak-Regimes vor gut einem Jahr hatte sich die ägyptische Polizei weitgehend aus dem Nord-Sinai zurückgezogen, so dass kriminelle Menschenhändler, radikal-islamische Salafiten und Beduinen die Kontrolle über die Region übernahmen.
Äygptens neuer Innenminister bemüht sich nun vor allem um eine Annäherung an die Beduinen, die er zu Polizisten ausbilden lassen will. Laut Delius sind dies „erste wichtige Schritte, um die Rechtlosigkeit im Nord-Sinai zu beenden.“ Es sei jedoch weit mehr Hilfe für die Beduinen notwendig, „um ihnen ein Leben in Würde zu ermöglichen und dem Menschenhandel Einhalt zu gebieten.“

Im Februar hatte bereits der Exekutivausschuss des ÖRK eine Erklärung zum Menschenhandel in der Sinaiwüste veröffentlicht. Nun meldeten sich die katholischen Verantwortlichen Israels unter Leitung des Jerusalemer Patriarchen Fouad Twal zu Wort, um die Verbrechen nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

An den Schluss ihres Aufrufs stellten sie Jesu Worte aus Mt 25,35: „Ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich war fremd, und ihr habt mich aufgenommen.“

(jp)

Quellen:
http://www.radiovaticana.org/ted/Articolo.asp?c=582393
http://www.gfbv.it/2c-stampa/2011/111115de.html
http://www.israelnetz.com/themen/hintergruende/artikel-hintergrund/datum/2012/02/20/auf-der-flucht-in-die-hoelle/
http://www.oikoumene.org/de/programme/oeffentliches-zeugnis-macht-hinterfragen-fuer-frieden-eintreten/kirchen-im-nahen-osten/pief/news-events/a/article/7313/oerk-veroeffentlicht-erkl.html

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