BDS – legitimer Protest oder kurzsichtiger Hass? Ein Kommentar

In den letzten Wochen wurde es wieder laut um eine Bewegung, die sich BDS nennt: Boycott, Divestment and Sanctions. Zu Deutsch bedeutet dies so viel wie „Boykott und wirtschaftliche Abstrafung“. Die Bewegung umfasst seit 2005 eine Vielzahl an Organisationen und einzelnen Aktivisten, die Israel auf mehreren Ebenen isolieren möchten. Vor allem über die kulturelle Seite des Boykotts wird häufig in den Zeitungen geschrieben. Denn unter den Wissenschaftlern und Künstlern, die sich dem Protest gegen Israel angeschlossen haben, sind viele Prominente wie Judith Butler, Stephen Hawking und der ehemalige Pink-Floyd-Frontmann Roger Waters. Konzerte, die im Rahmen des Boykottes abgesagt wurden, werden bejubelt, Konzerte, die trotzdem stattfinden, aggressiv verpönt. Warum das alles? „Um einen Beitrag zu leisten im Kampf um die Beendigung der israelischen Besatzung, der Kolonisierung und des Apartheidsystems“, heißt es auf einer offiziellen Homepage der Bewegung, bds-kampagne.de. Angelehnt ist die Idee nach eigenem Statement an den Kampf der Südafrikaner gegen die Apartheid, also der Ungleichbehandlung von schwarzen und weißen Einwohnern, der offiziell bis 1993 anhielt. Dieses System der Diskriminierung von Menschen verschiedener Hautfarbe, Herkunft oder Rasse, maßgeblich geprägt von Unterdrückung und Gewalt, hatte nicht nur isolierte Wohngebiete zur Folge, sondern unterschied auch rechtlich zwischen Menschen schwarzer und weißer Hautfarbe. Der Gebrauch von solchen historisch belasteten Begriffen, wie den der Apartheid, um nun die israelische Politik in ähnlicher Weise anzuprangern und zu kritisieren, ist unter politischen Aktivisten keine Seltenheit: BDS Austria spricht sogar davon, dass Israel auf Land gegründet sei, das „von seinen palästinensischen BesitzerInnen ethnisch gesäubert wurde.“ Immer noch verstoße Israel gegen internationales Recht, indem es Palästinenser per Gesetz diskriminiere, koloniale Politik betreibe und seit Jahren UN-Resolutionen ignoriere. „Für Freiheit! Für Gerechtigkeit!“ Damit ruft die Kampagne alle Menschen auf, sich ihr anzuschließen und Israel unter Druck zu setzen. Die Aufhebung der vermeintlichen Unrechtsmaßnahmen, die von Israel ausgehen, soll auf diese Weise erzwungen werde.

Gazastreifen 2015

Mit diesen Slogans und Forderungen mag eine Stoßrichtung vorgegeben sein, aber die konkreten Ziele der BDS-Bewegung sind nicht transparent. Informiert man sich in online-Zeitungen, auf den offiziellen Homepages und in Broschüren von BDS, bleiben viele Fragen offen. Zum Beispiel, warum eine Zwei-Staaten-Lösung aus Sicht der Boykotteure abzulehnen wäre. Oder wie mit den Folgen für Israel umgegangen werden sollte, die das geforderte Rückkehrrecht für alle palästinensischen Flüchtlinge samt Nachfahren mit sich bringen würde. Außerdem wünscht man sich Stellungnahmen zum antiisraelischen Terrorismus, vor dem ja die Sperranlagen im Westjordanland schützen sollen. Aber solchen komplexen Themen will sich die Bewegung gar nicht stellen. Denn konkrete, visionäre Politik über ihren vereinfachenden Drei-Punkte-Katalog hinaus, ist nicht ihr Geschäft.

Genau hier liegt das entscheidende Problem der Bewegung: Natürlich muss man nicht mit jeder Entscheidung der israelischen Politiker und deren Gesetzgebung zufrieden sein. Natürlich darf man auch als Deutscher sachgerechte Kritik am Staat Israel üben. Aber in aggressiven, fordernden Aktionismus zu verfallen, ohne klare Abgrenzung zum Hass, ist eine gefährliche Weichenstellung. Wem so viel am Frieden in Nahost liegt, der sollte sich zunächst dem konstruktiven Dialog stellen. Der sollte auch weiter denken, als nur bis zum Erreichen der eigenen Interessen. Der sollte vor allem verhindern, dass Einladungen zum Israel-Boykott dem maskierten Antisemitismus in die Hände spielen- oder ihn hinaufbeschwören. AE

Weitere Infos:

Z.B. www.sueddeutsche.de/kultur/lorde-und-israel-israel-boykott-jetzt-auch-in-glamouroes-1.3811318

www.bds-kampagne.de

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