Die 10. Franz-Delitzsch-Preisverleihung

Seit 2007 fördert das Institut für Israelogie wissenschaftliche Arbeiten und Forschungsbeiträge, die sich auf hervorragende Weise mit Themen der Israelogie beschäftigen, mit dem Franz-Delitzsch-Preis. Die zehnte Preisverleihung fand am Mittwoch, dem 20. April 2016, im Plenarsaal der Freien Theologischen Hochschule Gießen statt.

Pfr. Dr. B. Schwarz (l.) überreicht Dr. E. Hirschfeld (r.) den Franz-Delitzsch-Förderpreis

Pfr. Dr. B. Schwarz (l.) überreicht Dr. E. Hirschfeld (r.) den Franz-Delitzsch-Förderpreis

Auf eine Begrüßung und Einführung durch den Institutsleiter Pfr. Dr. Berthold Schwarz folgte eine instrumental-musikalische Begrüßung durch J. Bork (Flügel) und M. Engel (Akustikgitarre) mit dem Musikstück „In Christ alone“. Anschließend wurde als erster Förderpreisträger Dr. Ekkehard Hirschfeld ausgezeichnet. Er erhielt den Förderpreis für die Erörterung von Ernst Ferdinand Ströters „Israeltheologie“ in einem umfangreichen Kapitel seiner Greifswalder Dissertation über Ströter.

In seinem Grußwort hob Herr Hirschfeld die judenmissionarische Tätigkeit Ströters zu Beginn des 20. Jahrhunderts hervor: Durch seinen Einsatz für die Judenmission in den USA und im damaligen britischen Mandatsbezirk Palästina (heutiges Israel) habe Ströter einen entscheidenden Beitrag zur Israelogie seiner Zeit und auf gewisse Weise sogar zur späteren Staatsgründung Israels geleistet.

Der Förderpreisträger M. Steiner, Mag. Theol.

Der Förderpreisträger M. Steiner, Mag. Theol.

Der zweite diesjährige Förderpreisträger war Martin Steiner, der die Ehrung für seine Magisterarbeit, die an der Universität Wien mit summa cum laude ausgezeichnet wurde, erhielt. Die Arbeit „Messianische Juden und hebräisch sprechende Katholiken“ beschäftigt sich mit einigen speziellen messianischen Gruppierungen. Diese Studie über Theologie und Praxis jüdisch-katholischer Gemeinden in Israel sei, so Pfr. Dr. Berthold Schwarz, wichtig für ein fundiertes Verständnis des jüdisch-christlichen Dialogs. Leider konnte Herr Steiner nicht persönlich anwesend sein; stattdessen sandte er ein Grußwort per Video.

Anschließend wurde Dr. Benjamin Lange für seine Masterarbeit an der University of South Africa mit dem Titel „Die Bundesbeziehung Gottes zu Israel im Sinaibund als Argumentationsgrundlage in Röm. 9-11“ mit dem Franz-Delitzsch-Hauptpreis ausgezeichnet. Herr Lange hielt das Hauptreferat des Tages zum Thema seiner Forschungsarbeit.

Im Römerbrief, so Lange, finde sich in den Kapiteln 9-11 eine gründliche heilsgeschichtliche Einordnung Israels; hierbei hebe Paulus sowohl die Zuwendung Gottes zu Israel als auch das Problem, dass Israel Gott ungehorsam sei, hervor. Wie lässt sich dieser Befund mit dem Sinaibund (Mosaischer Bund) verbinden?

Ein Einblick in die aktuelle Forschung zeigte den Zuhörern, dass der Sinaibund in der alttestamentlichen Wissenschaft heutzutage positiver wahrgenommen wird als noch vor einigen Jahren. Es wird betont, dass Israels Beziehung zu Gott einseitig von Gott abhänge und nicht von Israels Gehorsam Gott und seinen Geboten gegenüber. Gleichzeitig wird stark zwischen dem Bundesinhalt (der für heutige Heidenchristen nicht unmittelbar gelte) und der Bundesbeziehung zwischen Gott und seinem Volk unterschieden. Diese werde im Alten Testament mit verschiedenen Begriffen ausgedrückt. Sie werde unverbrüchlich von Gott garantiert.

Dr. B. Lange bei seinem Referat

Dr. B. Lange bei seinem Referat

In diesem Kontext wirkt Röm. 9-11 zunächst paradox, denn aus diesen Kapiteln ließ sich in früherer Zeit die Substitutionslehre ableiten: Gott habe Israel völlig verworfen und sich die neutestamentliche Gemeinde als sein neues Volk erwählt. Hier zeige sich, so Lange, ein völlig anderer Blickwinkel der AT- und der NT-Wissenschaft auf den Sinaibund.

Was für den Sinaibund konstitutiv sei, sei die zeitliche Reihenfolge dreier Elemente:

1. Gottes Segen (für Gehorsam Israels)

2. Gottes Fluch (für Ungehorsam Israels)

3. Wiederherstellung des Bundes durch Gott

Diese Reihenfolge werde in 5. Mose 28-32 explizit herausgestellt; sie zeige sich auch immer wieder in der alttestamentlichen Geschichte. Beispielsweise folge auf die Sünde Israels mit dem Goldenen Kalb (2. Mose 32) ein Fluch Gottes, danach aber die Wiederherstellung des Bundes durch Gott.

Langes These ist, dass diese Elemente den Sinaibund mit dem Neuen Bund in Christus verbinden. Gott breche den Bund niemals; wenn aber der menschliche Bundespartner sündige und den Bund breche, so stelle Gott den Bund wieder her. Der Alttestamentler Erich Zenger brachte es auf den Punkt: „Israel kann den Bund brechen, aber Israel kann den Bund nicht zerbrechen.“

Hier finde sich, meint Lange, eine Gemeinsamkeit zwischen dem Sinaibund und Röm. 9-11. In beiden Texten gehe es darum, dass Gottes Barmherzigkeit den einmal geschlossenen Bund wiederherstelle. Beide Texte sprächen von der Initiative Gottes an Israel und von einer bleibenden Bedeutung und Zukunft Israels.

In Röm. 9-11 benutze Paulus einige sogenannte Bundesformeln aus dem AT, um Gottes Beziehung zu Israel zu beschreiben. Wie 5. Mose 30 stelle Paulus heraus, dass auf Israels Sünde (den Bruch des Bundes) Umkehr und Buße folgen werde. Damit argumentiere er völlig in der Linie der frühjüdischen Tradition.

Dr. B. Lange bei seinem Referat

Dr. B. Lange bei seinem Referat

Das Schlüsselwort in Röm. 9-11 sei „Barmherzigkeit“. Diese Barmherzigkeit (Gottes) sei die Lösung des Problems, dass Israel Jesus nicht als Messias anerkennt. Trotz dieses Problems nenne Paulus Israel „Gottes Volk“ (Röm. 11,1f.) und verwende eine spezifische Bundesterminologie. Durch Israels Umkehr werde – so die Überzeugung von Paulus – die Wiederherstellung des Sinaibundes erfolgen: „Ganz Israel wird errettet werden“ (Röm. 11,26). Paulus verwende zahlreiche Zitate und Anspielungen auf die alttestamentliche Bundesterminologie, in der es um Gottes bleibende Beziehung zu Israel gehe. Er betone die Barmherzigkeit Gottes und zitiere exakt diejenigen Passagen des Sinaibundes, die sich besonders mit der Wiederherstellung eines gebrochenen Bundes beschäftigten. Röm. 9-11 sei, meinte Lange, so konzipiert, dass deutlich werde, dass es nach Paulus eine völlige Wiederherstellung von Gottes Bund mit Israel geben werde. Gleichzeitig aber betone Paulus die heilsgeschichtliche Bedeutung für die Heidenvölker: Die Bundesbeziehung Gottes zu Israels sei paradigmatisch für Gottes barmherzige Zuwendung zu den Nationen. Paulus verfolge hier also eine Doppelstrategie. Er sei vom Bundesdenken geprägt und übertrage diesen Bund auch auf die Heiden, die sich an Christus halten – wobei er das jüdische Volk aber nicht verloren gebe. Nach Paulus‘ Sprachgebrauch zu urteilen, meine er, dass die Wiederherstellung Israel als Kollektiv gelte, nicht unbedingt jedem einzelnen Israeliten individuell.

Das ebenso inhaltsreiche wie kurzweilige Referat wurde mit begeistertem Applaus aufgenommen.

Institutsleiter Pfr. Dr. Schwarz mit den Stipendiaten

Institutsleiter Pfr. Dr. Schwarz mit den Stipendiaten

Zusätzlich zum Franz-Delitzsch-Preis wurden auch zwei Stipendien des Instituts für Israelogie vergeben. Roland Franz und Johannes Appelt (beide Studenten an der Freien Theologischen Hochschule Gießen) bekamen einen Platz an der Sommeruni der Ben-Gurion-Universität in Beer Sheva (Israel). Für sechs Wochen können sie in Israel studieren, bekommen Ivrit-Unterricht, besuchen theologische Vorlesungen und lernen Land und Leute kennen.

Musikalisch großartig untermalt wurde der Festakt durch J. Bork (Flügel) und M. Engel (Akustikgitarre). Während der Preisverleihung wurde auch der Förderer des Israel-Instituts, Dr. h.c. Fritz May, Vorsitzender von „Christen für Israel“ (CfI), zu seinem 80. Geburtstag geehrt. Anschließend an die Preisverleihungen rundeten Gespräche bei Kaffee und Kuchen die Preisverleihungs-Feierlichkeiten ab.

Übrigens: Weitere Bilder der Preisverleihung finden Sie hier!

sg

Bilder: privat

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